Von einem, der auszog, das Radwegen zu lernen – #AnsKap

Tu immer das, was deine Radwegeschilder dir sagen. So lautet Herrn Irgendlinks Credo seit er vor – äh wievielen? – einigen Wochen in Zweibrücken mit dem Radel gen Norden starrte.Deutschland, deine Flussradwege. Ein großes Lob.

Über Glan-Blies, Nahe, Rhein, Main, Fränkische Saale rüber zur Unstrut, Saale und Elbe und ab Havelberg nördlich bis Rostock, konnte ich das Land fast ausschließlich auf Radwegen durchqueren. Vor zwanzig Jahren musste ich zumindest im Osten oft die Straße nutzen.

Es gibt noch immer viel zu tun, Deutschland. Knie dich rein, dass die Wege besser werden. Insbesondere die alten Kopfsteinpflaster in den verarmten östlichen Kommunen sind nicht gut radeln. Rütteln an den Schrauben, Packtaschen und Nerven. (Klasse finde ich die Behelfsradspuren, die es manchmal neben den Pflasterstrecken gibt, dreißig cm breite Splitwege, auf denen man rüttelfrei radeln kann. Warum immer das volle Program nach DIN soundsoviel – der Reisende ist froh um jeden noch so billigen Behelf).

Über 1200 Kilometer stehen am Ende Deutschlands im Überseehafen Rostock auf dem Tacho. Zieht man die 180 Kilometer Zweibrücken-Mainz ab, sind das nur 70 Kilometer mehr, als bei der Reise 1995, die in Mainz startete. Ein guter Preis für Autofreiheit und Ruhe.

Schweden nun. Ich muss das Land erst lernen. Und das Radwegenetz. Getreu dem Motto, dass hinter jedem System eine Logik steckt, hat auch das schwedische Radwegenetz eine Logik: der allesübergreifende Sverige Leden (hier als PDF betrachtbar), der sich von Nord nach Süd durchs Land zieht wie eine Wirbelsäule mit unregelmäßig östlich und westlich herausstehenden Rippen, ist das Hauptwegenetz. Seine Schilder sind grün. Spärlich aber unübersehbar und sinnvoll angebracht stehen sie an allen relevanten Abzweigungen. Wo kein Schild, da geradeaus, lautet die Regel. Der Sverige Leden war bis zur Eröffnung der North Sea Cycle Route im Jahr 2001 der längste beschilderte Radweg der Welt (zur NSCR siehe hier im Blog unter Projekte verlinkt).

Regionale und kommunale Radwege ergänzen das Steckennetz. So folgen wir etwa gestern einer Radroute der Gemeinde Kristianstad auf einem alten Bahndamm stets nördlich fünfzehn zwanzig Kilometer weit und gehen ab Arkelstorp auf die Skåne Spåret der Region Schonen. Die Schilder der Skåne Spåret sind zwar nahezu verblasst. Aber aus Mangel an Verirrungsmöglichkeiten, ist das kein Problem.

In Trelleborg hatte man mir in der Touristeninformation eine Karte Schonens in die Hand gedrückt, die unser Navigationskonzept abrundet.

Last but not least sind auf dem Smartphone die Open Cycle Maps der Region gespeichert. In der App GPS Kit kann ich so immer nachschauen, wo ich gerade stehe und wo die Radwege verlaufen.

Die schwedischen Radwege verlaufen selten solo autofrei. Meist auf kaum befahrenen Straßen. Und wenn es mal mehr Verkehr gibt, gibts einen extra Radweg neben der Straße.

Soviel an dieser Stelle einmal ganz nüchtern die Radwegesituation von einem, der auszog, das Radwegen zu lernen.

Tag 20 | dies und das …

Zur heutigen Ungefährstrecke Irgendlinks und Rays klicke man → genau hier.

Was die beiden erlebt haben? Dem Sverigeleden 39 sind sie bis Önnestad gefolgt, von dort der Radroute Kristianstad-Immeln …

Die Zelte haben sie heute an einem rauschenden Bächlein aufgebaut, in dem sich gut baden lässt. Und dessen Wasser als Pastawasser dient. Und als Teatime-Zubehör. :-)

Heute vier Panos der letzten Tage, die mir Irgendlink am Nachmittag gemailt hat.

Pano1 Elbe
Elbe
Havelberg
Havelberg
Bützow
Bützow
die Brücke
die Brücke

Das Selfie hier habe ich mir erbettelt – als Momentaufnahme … um ihm die Hitze zu glauben, die auch in Schweden regiere.

Selfie vor Kirch Fjälkestad
Selfie vor Kirche Fjälkestad

Gedanken zu Prozessualer Kunst – reblogged

Lieben Dank an Freund Emil für seinen heutnächtlichen Blogartikel

Fernwehleidig hinterherträumend dazugesellen #ansKap,

aus dem ich nachfolgend zitieren darf:

Ein Kunstwerk

Ein Kunstwerk, das ist etwas Fertiges. Ein Photo. Ein Buch. Ein Gedicht. Ein Film. Ein Gemälde, ein Kupferstich, eine Skulptur, eine Plastik. Ah ja. Und wie ist es bei einer Komposition, einem Drama? Die brauchen doch auch die gegenwärtige, im Moment stattfindende Aktivität von Schauspielerinnen und Musikern, Sängerinnen und Tänzern. Erst im Prozeß der Darstellung/Darbietung des “Kunstwerkes” wird das Kunstwerk daraus. Ist es bei dieser Reise nicht ähnlich: Betrachten wir da nicht ein Kunstwerk, das gerade aufgeführt, dargeboten, gespielt, gelebt und Er-lebt wird? Er-lebt wie Erschaffen? Erfahren? Und das alles im wahrsten Wortsinne!?

Das Kunstwerk ist nicht das hinterher erhältliche e-Book, es sind nicht die iDogma-Karten, die Fotos. Nein. Das Kunstwerk ist, was gerade in diesem Moment geschieht. Wie bei einem absolut geilen, frenetisch extatisch erlebten Live-Konzert meiner Lieblingsband. Die CD, die ich mir dort nach dem Konzert kaufe, dient nur dazu, mein Kunsterleben erinnerbarer zu machen. Und jeder Moment Kunst, den der Künstler schafft, kostet ihn Anstrengung, im Zweifelsfalle Geld (für die SIM-Karte des Telefones und die entprechenden Gebühren) oder Zeit oder eben, wie er im von mir erwähnten Artikel schreibt, auf dieser Reise eben Kilometer. Der schriftstellernde Appspressionist und Radfahrer als darstellendern Künstler …

Und glaubt mir bitte: Auch andere Kunst erfordert Schweiß und Blut und kostet. Mag sein, daß dann solche wie ich, die sich aus prinzipiellen, persönlichen Gründen bezahltem Kunstschaffen verweigern (naja, wahrscheinlich wird jedes Prinzip irgendwann zumindest einmal gebrochen), die Achtung vor der Leistung einer Künstlerin/eines Künstlers “versauen”, so wie andere Billigheimer woanders die Preise “versauen”. Mit dem (Selbt-)Vorwurf muß ich leben; aber ich muß nicht von meiner Kunst leben. Ich würde das aber ganz sicher gern tun, wenn es möglich wäre; allein daran fehlt mir echt der Glaube, und der Selbstwert und die Zuversicht und der Wille dazu fehlen mir im Moment auch.

Aber der/die da, der/die jetzt in Schweden irgendwo in seinem Zelt/ihren Zelten liegen und tief und fest schläft/schlafen, der ist/die sind dort nicht (nur) zu seinem/ihrem Vegnügen unterwegs. Sondern nimmt/nehmen den ganzen Weg auf sich zu meinem, zu unserem Vergnügen, die wir uns an diesem Prozessualen Kunstwerk in all seiner Vergänglichkeit und Konservierbarkeit erfreuen, es ohne Anstrengung genießen können.

(Quelle: Der Emil)

Zum Originalartikel, der noch mehr  über Irgendlinks Projekt verrät, gehts hier → lang.
Herzlichen Dank, Emil!

Tag 19 | Vinslöv

Ich war noch unterwegs, bei einer Freundin, als ich Irgendlinks Nachricht las. Aus Vinslöv.

Warum bloß kommt mir dieser Ortsname so bekannt vor? Ein Name, der nach frühem Regen und später Sonne roch, mich an Spiegelpfützen erinnert und mich an damals, denken lässt, als es hier im Süden den ganzen Sommer regnete und wir in Schonen bestes Radelwetter hatten (zum Erinnerungslink).

Aber wir sind ja heute, hier und jetzt und nicht damals, vor vier Jahren. Heute sind Irgendlink und Ray in Vinslöv eingetroffen, vertrauensvoll dem Sverigeleden folgend.

Die ungefähre heutige Radelstrecke gibt es hier → klicken.

Und hier wieder ein paar Tagestweets von @irgendlink:

Die Opportunitätskosten der Kunst #AnsKap

Noch ist unklar, ob ich diesen Artikel mit den Nacktschnecken aufziehe, oder lieber mit den Gedanken eines, der mitten auf einer schwedischen Landstraße steht und mit dem iPhone drei Bilder in Richtung seines Reiseziels macht und eines zurück. Atmosphäre versus verschwurbelte Konzeptkunst-Denke. Körperliches versus unsichtbare Vorgänge und Denkstrukturen.

Das Leben als reisender Künstler und Schriftsteller ist kompliziert.

Nun ist Freund Ray für vierzehn Tage mit im Künstlerboot, was auch eine gewisse Änderung im Tagesrhythmus bedeutet. Zum Positiven hin. Aus dem Selbstausbeuterischen anarchischen Drauflos der letzten Wochen formt sich ein lieblicher Tagesablauf mit Breakfast und Lunchtime – Ray ist Schotte – und genau wie auf der Nordseerunde 2012, klingelt sein Armbanduhrwecker immer noch um sieben Uhr abends, um auf die Lagerplatzsuche aufmerksam zu machen.

Das Orchestrale am Menschsein, schießt es mir in den Sinn, als ich ein typisches Kunststraßenbild-Quadrupel knipse bei Kilometer 1300 plus X. Ray radelt langsam weiter, verschwindet am Horizont, geht seinen eigenen Rhythmus, während ich den meinen, selbst auferlegten, gehe. Das Land ist schön, Gerstenfelder und Rapsfelder wechseln sich ab. Dazwischen hat in impressionistischer Manier eine unbekannte Kraft einsame Gehöfte getupft mit roten Scheunen und schneeweiß glänzenden Metalldächern.

Erst nach etwa einem Kilometer hole ich Ray wieder ein, der im Schatten eines Baumes wartet.

   
     

Typisches Kunststraßen-Quadrupel: drei Vorblicke (1 Normalbild, 1 sw Hipstamatic und 1 Color Hipstamatic), sowie das Bild in die andere Richtung. Zurück.

Ein Kilometer Reisestrecke sind die Opportunitätskosten für mein Kunstkonzept. Alle zehn Kilometer radele ich einen Kilometer weniger, als jemand, der nicht Kunststraßen fotografiert.

Jeder Blogartikel kostet mich 20 Kilometer, die ich nicht radeln kann derweil. Ungefähr. Jede iDogmakarte kostet vielleicht fünf bis zehn Kilometer.

Manchmal kostet mich die Produktion meiner Kunst und Literatur auch das Abendessen.

Eigentlich ein gutes Bild, um zu verdeutlichen, wie wir ‚Taugenichtse‘ der feinen Künste, die wir alltäglich scheinbar ein feines, freies Leben jenseits der Knochenmühle führen, ticken.

Unsere Ideen und Bilder strahlen wir hinaus in die Welt. Jeder darf sie haben, darf sie nutzen, sich daran erfreuen oder auch mal darüber aufregen, sich inspirieren lassen. Kostenlos.

Dennoch stehen wir Künstlerwesen stets ein bisschen so da, als würden wir uns das Leben auf Kosten Anderer leicht machen. Verdammt, es ist ja auch frei und leicht, aber das Auf-Kosten-Anderer kann so nicht stehen bleiben.

Kunst ist oft eine nicht wahrgenommene Arbeit. Genau wie Luft eine nicht wahrgenommene Ressource ist.

Und Schnecken? Hunderte braune eklige nackte Viecher kriechen am Abend aus der Wiese. Als lebten sie in einer unterirdischen Gegenwelt, kriechen am Zelt hinauf, an den Wasserflaschen, am (ausen) Kocher und in die Schuhe. Hinterlassen Kackspuren, Schleim. Der Lagerplatz auf einer abgegrasten Weide unweit von Eslöv ist dennoch viele Sterne wert. Five Stars sagt Ray.

Mhmm, four because of the trains nearby.

Alle halbe Stunde donnern Güterzüge etwa hundert Meter jenseits an uns vorbei. Das gibt Punktabzug.

Und wenn ich es mir nun recht überlege, ich hätte diesen Artikel auch mit den Güterzügen beginnen können.