Wenn man in der Suchmaske der SBB, der Schweizer Bahn, nach einer Verbindung von Linescio im Tessin nach Brugg im Aargau sucht, wird man schnell fündig. Mit dem Bus geht es hinunter ins kaum fünf Kilometer entfernte Cevio im Vallemaggia, weiter nach Locarno und von dort per Bahn via Bellinzona, Arth Goldau und Zürich nach Brugg. Fünf Mal umsteigen in gut fünf Stunden. Man könnte die Tickets online buchen, per Kreditkarte bezahlen und den Busfahrer den erzeugten QR-Code vom Smartphone scannen lassen.
Das grüne Stück Wildnis jenseits des Friedhofs von Linescio sieht nicht danach aus, als ob man dort überhaupt Handyemfang hätte, geschweige denn komplizierte Tickettransaktionen zu unternehmen. Nur die nicht gedeckte Kreditkarte hält uns davon ab. Schlapp hängt das kilometerlange Stahlseil der Lastseilbahn nach Morella. Strahlender Himmel. Die Kirchturmuhr schlägt Elf. Wir lungern spiel-mir-das-Lied-vom-Tod-esque herum. SoSo die Mütze ins Gesicht gezogen vor dem Leichenkapellchen. Ich inspiziere das Dorf. Der Bus sechsunddreißig Minuten entfernt. Eine Bremse sticht mich ins Knie. Mit dem Handrücken wische ich sie weg, zertrete das torkelnde Tier. Luftmundharmonika spielend, jammernd, schwitzend, ungeschlacht aussehend. Wie ein Panther streife ich die enge Dorfstraße auf und ab. Ein Handwerker macht Pause. Der Postbote leert den Kasten, erbietet den Gruß. Dann der Bus. SoSo kauft die Tickets bis Brugg. Ich hätte nicht geglaubt, dass man in einem Provinzbus eine derartige Verbindung buchen kann. Aber in der Schweiz ist scheinbar alles und jeder immer und überall ans Internet angeschlossen. Die große Rutsche zurück nach Hause kann beginnen. Souverän steuert der Kondukteur den vierzig Personen Bus durch die Haarnadelkurven hinunter ins Tal. Dieses Mal ist die Fahrt noch spektakulärer, als auf dem Weg herauf, weil das Fahrzeug in den Wendepunkten mit der Schnauze press am Abgrund steht. Zerbrechlich wirken die rostigen Geländer, an denen ich mich garantiert nicht festhalten würde mit dem schweren Wanderrucksack auf dem Rücken. Locarno. Ein Trinkwasserbrunnen direkt auf dem Bahnsteig. Zwei drei Schlucke. Bellinzona, fünf Minuten Umsteigezeit und ein knallgelb lasierter Bauzaun, den ich schon in dem Artikel Mehr Astloch gezeigt habe. Den Gotthard von unten betrachten zehn, zwanzig oder dreißig Kilometer weit. Regnerisch ist es im Norden. Die berühmte Kirche von Wassen. Auf dem Wanderweg, der mitten durchs Dorf führt, hatten wir sie gar nicht gesehen. Wie lang ist das jetzt her? Eine Woche? Die Kehrtunnel um Wassen ermöglichen multiple Blicke auf die Kirche. Spiralförmig führen sie spieleisenbahnartig immer wieder in den Berg, rein und raus und wenn der Zug lang genug wäre, könnte man vom letzten Wagen hinunter schauen zum Tunnelausgang, wo die Lokomotive herauskommt. Charles Bukowsky kommt mir in den Sinn. Seine humorig derbe Geschichte, in der er philosophiert, dass, wenn er nur gelenkig genug wäre, er sich selbst einen blasen könnte. Ob der Zugschaffner manchmal auch solche Dinge denkt? Ich meine, das Ende des Zugs im Tunnel verschwinden zu sehen, wenn er vorne rauskommt. Zürich. Kopfbahnhof. Unvorstellbar viele Gleise nebeneinander. Wir landen im falschen Zug, würden durchrauschen bis Genf. Nur die frühzeitige Ansage im Abteil rettet uns. Schnell raus. Von Gleis Vierzehn nach Gleis Achtzehn. Gemächlich. Dann Brugg. Der Grüezigraben, der mitten durch die Unterführung führt, die das Dorf Windisch mit der Stadt Brugg verbindet. SoSos Wohnung. Dunkel, kühl, trocken, sauber, keine Stechmücken. Ausbreitversuch zweier Wanderrucksäcke. Es gibt selbstgemachte Pizza.
Bushaltestelle Linescio Paese
Kirche in Wassen beim zweiten Vorbeifahren, wenn man mit dem Zug von Süden passiert.