Zwiefaltendorf. Kanueinsatzstelle und Fischweiher. Kurz danach ein Anstieg, den man nur noch schiebend bewältigen kann. Oben angekommen in Datthausen haben die Anwohner gleich mehrere Sitzgelegenheiten inklusive Sonnenschutz eingerichtet. Auf den Tischchen liegen Tafeln mit der Aufschrift: War das Schieben dir ein Graus, ruh dich hier ein bisschen aus. Trinkwassernbrünnlein gibt es auch.
Außerhalb Datthausen überholt mich ein braungebrannter, hagerer Typ: ein Tscheche auf Rückpilgerschaft aus Santiago. Auf dem GPS zeigt er mir stolz die geradelten Kilometer, 7100 über Österreich, die Schweiz, Frankreich, Spanien bis Valenzia und dann quer rüber nach Santiago bis ans Ende der Welt (Finisterre). Seit zweieihalb Monaten ist er unterwegs. Auf seiner Fronttasche prangt groß die Jakobsmuschel mit dem Schriftzug Ultreia e Susseia (weiß gerade nicht, wie man das schreibt). Hin und Rückpilgerung, ganz wie im Mittelalter, als es noch keine Flugverbindungen gab. Ein bisschen muss ich schmunzeln, dass vielleicht in Tausenden Jahren, wenn das Memory of Mankind-Archiv gefunden wird, die Entdecker gar nicht so viel anfangen können mit unserem Zeitkonstrukt. Dass die Erfindung des Buchdrucks und die Erfindung des Internets für sie aus so weiter Ferne aussehen muss, wie durch ein Teleobjektiv und sich die Distanzen verkürzen, so dass Buchdruck und Internet beinahe gleichzeitig erfunden wurden und Monsieur Irgendlink eigentlich ein Zeitgenosse Goethes gewesen sein wird?
Bei dem Gedanken an Santiago fällt mir meine Ankunft in der Kathedrale zur Abendmesse ein, als der Pater die eigentroffenen Pilger des Tages begrüßte, nicht namentlich, sondern per Nation: ein Schweizer, der In Roncesvalles gestartet ist, ein Deutscher aus Pamplona, vier Spanier aus Leon, ein Tscheche aus … Der Donauradweg hat ein ähnliches Feeling, wie der Camino Frances in Nordspanien, zumindest was die touristische Infrastruktur betrifft. Überall Gasthäuser, Herbergen, Campingplätze, perfekte Beschilderung, hunderte Kilometer liegt das graue Band, das niemals endet wohlformatiert vor dir.
Zwei Franzosen, die in Dijon gestartet sind, fühle ich mich in die Kathedrale von Santiago zurück versetzt, zwei Belgier aus in der Nähe von Brüssel, ein seltsamer Junge mit Schirmmütze, eine Dreiergruppe unbekannter Herkunft, eine Frau mit einem unheimlich knarzenden Radel. Das belgische Paar will bis ans Schwarze Meer radeln. Von Brüssel sind sie über Aachen und Köln bis zum Rhein geradelt, runter zum Rheinfall bei Schaffhausen, per Zug nach Sigmaringen und nun folgen sie der Danube, wie die Donau vermutlich auf französisch, wie auch auf englisch heißt. Der Tag ist wieder sehr heiß. Aber es weht ein guter Wind und mit nassem T-Shirt und Kopfhaube ist es erträglich. Das Fon macht ein bisschen Sorge. Das Ladekabel hat einen Wackelkontakt und es lässt sich nur sehr schwer Energie von den Zusatzakkus hineinpressen. Vielleicht kann ich in Ehingen einen Ersatz finden?