Tag 117 – die Strecke

Belgien durchradelt Irgendlink im Nu. Bei Schönstwetter und Bestlaune bekomme ich von unterwegs ein paar SMSen, die von Milchautomaten und Fahrten durchs Inland erzählen.

Nun hat er sich hinter einem schönen Misthaufen, abseits von Zeltburgen, sein Zelt aufgebaut und kocht sich etwas feines. Bereits ist er fast in Frankreich, dem letzten Land. Dem Land, wo alles anfing.

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Zwanzigtausend Meilen ums Meer

Die Kunstmaschine läuft auf vollen Touren. So muss es sich angefühlt haben, als Kapitän Nemo zu seiner letzten Fahrt angetreten ist. Zwanzigtausend Meilen ums Meer. Ich durchradele Urlaubsholland wie im Flug. Auf schmalen Wegen durch Dünen, über Deiche, an kleinen Hotels vorbei und an riesigen Campingplätzen. Drei-Insel-Reiten. Schon kurz nach dem Start auf dem Wildzeltplatz östlich von Hoek van Holland erreiche ich Maasdijk. Maasdeichingen, wie ich es nenne. Eine schöne Grachtenstadt. Eine Autofähre quert den Fluss. Der Versuch, dem Fährmann meinen verschmutzten, nass gewordenen Fünfziger unterzujubeln, scheitert. Ich gebe ihm mein letztes Kleingeld. Nun kann ich noch nicht einmal mehr Spaghetti kaufen, um den Sonntag zu überstehen. Es sei denn, ich ziehe frisches, sauberes Geld an einem Bankautomaten. Die Niederlande sind definitiv zum schönsten Abschnitt der Nordseestrecke gekürt. Vielleicht nur eine Gefühlsduselei gegenwärtigen Seins. Letztlich hatte jedes der zehn Länder, die ich bereist habe, seine Schönheiten und Abgründe, seine Stärken und Schwächen. Norwegen war vierzehn Tage Früh- bis Hochsommer in der spektakulärsten Landschaft. Dünendänemark so beautiful, Schwedens exorbitante Schärenküste und der ganz spezielle Charme. Das raue Schottland, Salz und Kälte im Gesicht, die pure Adelung für den Europenner und die Eleganz der Engländer, ihre Pubs, die schrullig feine Art, mit der sie einem begegnen. Deichdeutschland und Eidersted, mein Heimatland im harschen Takt des Alltagslebens. Belgiens liebenswertkreativer Süden im schrillen Kontrast zu Geld-Luxemburg, et la France, oh lala.

Die Nordseerunde zu radeln kann einen glatt zum Europapatrioten werden lassen. Dringend empfohlen allen Skeptikern, Neidern und Miesepetern. Wie im Kleinen, so müssen wir auch im Großen Toleranz lernen, Arroganz abbauen, Fremdenhass, der aus dem Mangel an beidem entsteht in die untersten Schubladen unserer Abgründe unseres Empfindens verbannen. Die Nordseerunde zu erradeln hat mich auch gelehrt, den Kontinent besser zu verstehen. Ich selbstgebastelter kleiner Europapatriot, ich.

Genug gelobhudelt. Die Radwege quellen über von Radlern. Das schöne Wetter presst Sonntagstouristen aus den Poren des Alltags, die Schar der Lemminge zieht zum Strand. In Abständen von wenigen Kilometern gibt es an der Küste Südhollands riesige Fahrradparkplätze, meist hölzerne Reihen von Geländern, an denen Tausende Räder angelehnt stehen. Mit Kind und Kegel, mit Schwimmreifen um den Bauch, Handtüchern über der Schulter, barfuß oder in Badelatschen auf den Pedalen zieht man zum Strand. Bunt trikotierte Rennradler flitzen zwischen dem langsamen Strom hindurch, ich irgendwie mittendrin, schneller, als die Strandtouristen, langsamer, als die Rennradler. Ein Kind namens Noah zieht fröhlich eine zwei Meter lange Fahne schwenkend, den gesamten Radweg blockierend dahin und ich Eindringling versaue versehentlich seinen Tag, denn sein Über-Ich von Papa schreit laut von hinten, Noah, gleich zerbrech ich das Ding, wenn du nicht aufhörst, und er gibt dem armen Bub einen krassen Dämpfer und mir kilometerweit zu denken, wie die Geschichte Noah wohl weitergeht, so im Leben, denn es dürfte klar sein, dass der Bub seine gesamte Kindheit und Jugend mit dem Papa zurechtkommen muss. Mehr noch, mit der Wahl des Namens, der für viele Eltern eine Verwirklichung ihrer eigenen kleinen Welt ist, waren die Eltern ziemlich tollpatschig. Noah ist eigentlich ein schöner Name, aber in Deutschland, mein Gott, liegt der Hänselname Arschie Noah doch geradezu auf der Hand.

So trudele ich weiter durch Insel- und Strandholland, passiere kilometerlange Flutsperrwerke, in denen das Wasser mit jeder Tide kontrolliert ins Landesinnere rauscht und wieder hinaus zieht. Vertreibe mir die Zeit mit Statistik: Wie viele Liter Milch hast du eigentlich auf der Reise getrunken? 120 – bei durchschnittlich einem Liter pro Tag. Wie viele Meter Bart musstest du rasieren, wie viele Kilometer Haar kämmen? Sicher einen Artikel wert.

Die etwa fünfhundert Autos dort vorne am Strand. Wieviele Menschen spucken sie aus? Zweitausend? Jeder vierte hat nen Hund, so wie dieser Golden Retriever, der neben dem Radweg in den Sand defäkiert. Alle fünfhundert Hunde in meiner Statistik müssen AA und es gibt, im Gegensatz zur Schweiz hier keine Pflicht zur Kotaufnahme. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man bei einem willkürlichen Schläfchen an der sofalehnenähnlichen Dünung neben dem Radweg in einem Hundehaufen schläft? Ich sollte Lotto spielen. Einer gleichschnellen Familie folge ich für etliche Kilometer. Sie klingeln sämtliche Urlauber für mich vom Weg. Erreiche die Insel Zeeland gegen Abend und peile Breskens an, welches via Middelsburg und Vlissingen per Fähre erreicht wird. Kurbele mächtig rein. Das imaginäre Fähren-Abfahrtsdilemma. Zu oft habe ich auf der Nordseerunde Fähren verpasst und musste deswegen zig Kilometer weite Umwege machen, oder unfreiwillig warten bis zum nächsten Tag. Meine imaginäre Fähre nach Breskens, die letzte an diesem Samstag, fährt um 19 Uhr. Natürlich könnte ich im Netz nachschauen, aber wenn sie dann tatsächlich um 19 Uhr fährt, oder gar um halb, setzt mich das nur unnötig unter Druck. Erstmals knacke ich die Hunderttageskilometermarke. Die Kunstmaschine läuft wirklich super. Es gelingen mir sogar brillante Hipstamaticaufnahmen. Die Kräfte, die in einem stecken sind um einiges größer als man selbst glaubt. Ich kann noch zulegen, wenn ich möchte.

In Middelburg ist der Radweg gesperrt. Dumpfes Technogewummere, Hunderte streben auf eine Unterführung zu. Menschenstau. Ich muss an die Loveparade in Duisburg denken. Ähnliche Situation. Mit einem unguten Gefühl folge ich einem Jungen, der wie ich, den Radweg ins sieben Kilometer entfernte Vlissingen nehmen wollte. Der ist von hier. Der kennt die Schleichwege. Mit fünfundzwanzig Sachen raus aus Middleburg. 18:41. Das wird knapp. Punkt 19 Uhr bin ich beim Fährhafen. Der Eingang zum Schiff liegt in der Schalterhalle des Bahnhofs. Dort gibt es auch das Ticket zu kaufen. 18:55 hatte das Schiff abgelegt. Aber nicht das letzte. Stündlich fahren die Schnellboote hin und her. Am Schalter mit Durchgangssperren wie in einer U-Bahn, aber groß genug für bepackte Fahrräder, kaufe ich ein Ticket für 3,80. Froh, dass ich den schmutzigen Fünfziger zuvor in einem Lebensmittelladen losgeworden bin. Stunde warten. Das Ding ist gut frequentiert. Hunderteinundachtzig Passagiere passen auf den Katamaran. Auf der anderen Seite des Ufers hat man im brillant klaren Abendlich eine wunderbare Aussicht auf Vlissingens Skyline, Leuchtturm, Strand, Schattenwürfe, langsam pumpt der Strom der Tagestouristen aus den kleinen Wegen an der Küste. Die Lagerplatzsuche erweist sich als äußerst knifflig. Mein Dilemma: auf einen Riesencamping will ich nicht, zu tief sitzt das Trauma der Terrorkids, die in Schleswig Holstein bis 2 Uhr nachts Fußball auf der Zeltplatzwiese spielten. Südlich von Breskens gibt es multiple Campingplatzmöglichkeiten. Allesamt riesige Gebilde voller Wohnwägen und dauerhaft installierter Wohncontainer. Rainer, mit dem ich über den Oeverdeich geradelt bin, hatte mir schon davon erzählt. Wenn ich hier wild zelte, werde ich wegen des offenen Landes unbedingt gesehen, kann mich aber nicht rausreden, dass kein Camping da war. Schweren Herzens stoppe ich gegen 21 Uhr bei einem der Riesenplätze, frage nach der Rezeption und man sagt mir, dass es für alle Plätze eine einzige Rezeption gibt, zweimal links, dort wo der Pub ist. Igitt. Kilometerweit an Campings vorbei. Mäßiger Lärm. Ab und zu Stampfmusik, ab und zu Fußball, Gemurmel, Grillgeruch. Als ich den Campingstrich hinter mir gelassen habe und mich ins Innenland bewege, finde ich – die Vorsehung will es so – einen schönen Minicamping auf einer Farm Beer Ostije heißt er. Die Besitzer sind nicht da. Zwei Frauen im Wohnwagen gegenüber gebe ich meinen Zusatzakku zu laden über Nacht. Die Kunstmaschine rattert noch immer. Mit all den Verwaltungsarbeiten zur Aufrechterhaltung der Tourenarbeit. Verzicht auf Abendessen. Ein Starkbier und Honigkekse tuns auch. Ungeduscht.

Gut erholt am nächsten Morgen treffe ich die Besitzerin des Platzes (eine der beiden Akkulade-Nachbarinnen hatte sie als etwas seltsam, als streng, beschrieben – kann ich nicht bestätigen). Die Frau ist fröhlich-freundlich und erlässt mir die Campinggebühr. Wieder einmal fange ich über den Umweg des Erlebens der Meinungsbildung durch andere, wie wichtig es ist, möglichst keine Meinung zu verbreiten. Diese Zeilen, ach was, das gesamte Blog hätte somit nie geschrieben werden dürfen . Es sei denn, man nimmt es als grobe Skizze der subjektiven Realität eines Einzelnen unter Einzelnen.

Und so sei es.

Tag 116 – die Strecke

Bin auf der Fähre nach Breskens. War ein ganz schöner Speedtag heute!, schreibt Irgendlink um acht Uhr.

Später muss er lange ein geeignetes Nachtlager suchen. Erst kurz vor der belgischen Grenze wird er fündg. Im Minicamp Beer Ostije.

>>> Wildzeltplatz nach Hoek van Holland – Minicamp Beer: zum Kartenausschnitt der heutigen Strecke: bitte hier klicken!

Und ewig rottert der Damm

Der Campingplatz in den Kenneter Dünen erweist sich als ganz passabel, obschon Herr Oberpienzchen natürlich einiges auszusetzen hat. Die SoSo sagt es am Telefon treffend: Das, was für Dich ein guter Platz ist, das ist für andere völlig unpassend. Und umgekehrt. Es ist den lieben Bloglesenden somit dringend angeraten, meinen zweifelhaften Empfehlungen und Schmähungen nicht Folge zu leisten. Nur selten sprechen die Fakten in diesem Blog, meist sind es höchst subjektive Empfindungen, Launen eines dahintrudelnden Web-Vagabunden, die ein verzerrtes Bild der Welt zeigen. Was nicht negativ sein muss. Alle Bilder sind verzerrt. Sobald ein Mensch den Mund aufmacht, gibt er Unverständliches aus, das von anderen Menschen verstanden wird. Wie paradox das ist. Und doch wie wahr.

Der Wind ist abgeflaut. Sonne dringt durch. Mit 17 Grad relativ kühl – aber für den Langstreckenradler, der bei Temperaturen um den Gefrierpunkt durch England und Schottland bis ins hochsommerliche Norwegen geradelt ist, hinüber ins schlechtradwegige Schweden, durchs vom Regen umzauste Dänemark und das ewig über den miesen Sommer stöhnende Deutschland, ist 17 Grad allererste Sahne.

Die Kunstmaschine rattert. Seit ich weiß, dass ich die Ums Meer-Strecke auf der bedeutendsten Messe für Mobilkunst in Los Angeles zeigen kann, bastele ich an einer filmischen Umsetzung auf dem iPad. Überlege, wie ich in der kurzen Zeit bis 10. August, die Sache noch hinbiegen kann. Per Mail lote ich die Finanzierungsmöglichkeiten aus. Das duale Problem. Keine Zeit, kein Geld. Während sich hinter einer Wand aus Knochen in den grauen Zellen des Künstlers der Film von selbst bastelt. Wie ein Bildhauer meißele ich, rein gedanklich, an einem digitalen Monument. Die Streckenfotos werden in einer Zeitraffertechnik gezeigt, unterbrochen von fünf längeren Sequenzen (den Newslettern folgend, die während der Reise verschickt wurden – in diesen Sequenzen gibt es die Infos über das Projekt mit Karteneinblendung und ein bisschen Text. Vorspann, Abspann und im Kern eine Würdigung der SponsorInnen und Spendenden. I-Tüpfelchen wäre eine akustische Untermalung mit im Kanon gelesenen Passagen aus dem Liveblog – eine Sache, die ich in Sunderland oder in dem kleinen Museum südlich von Stavanger gesehen habe. In vielen Spuren übereinander gelegt, hat ein Künstler eine Textlesung. So dass man eigentlich nichts mehr verstehn konnte in dem Stimmengewirr. Aber die reine Akustik war brillant.

So vor mich hindenkend, merke ich gar nicht, dass ich die holländische Küste entlang rase durch wunderbare Dünenlandschaft auf den traumhaftesten Radwegen des Universums. Sand, Sand, Sand und ein weicher, geradezu eleganter Tourismus. Überall hört man Deutsch. Kaum zu glauben, in einem fremden Land zu sein. Es ist erschreckend, mit welcher Selbstverständlichkeit die Urlauber hier einfach so darauf losreden. Aber vielleicht ist das nur eine meiner unverständlichen trüben Empfehlungen – ja, ganz bestimmt. Zu Hause reagiere ich ja auch nicht gereizt, wenn jemand mich in breitem US-Englisch anspricht, sondern ich antworte sofort auf Oxfordisch.

In den Badeorten an der holländischen Nordseeküste herrscht, synchron zum Wetter, beste Stimmung. Dass hier viel Geld ausgeschüttet wird, sieht man alleine schon an der üppigen Ausstattung mit Skulpturen, meist Bronce, oft auch Beton, selten Holz. Kupferoxidgrün und wohlgeformt.

In einem Café in Katwijk kann ich das Fon laden, Bilder durchs Wifi an die Homebase schicken. Und einen schnell gehackten Blogbericht schreiben. Weiter, weiter, weiter durch die Dünen. Alle Länder, die ich bisher bereist habe auf der Runde um die Nordsee, haben ihren ganz persönlichen Stil und ihren Reiz. Aber wenn Ihr fragt, wo es radlerisch am schönsten ist: Niederlande, dicht gefolgt von Dänemark. Landschaft, Leute und Radwegenetz sind in den beiden Ländern einfach perfekt.

Auf dem zweispurigen Dünenradweg um Den Haag herrscht reger Betrieb. Zig Rennradler in Trikots jagen dahin, ganz normale Tagestourer runden das Bild ab, barfüßige Mädchen in Neoprenanzügen mit einem Surfbrett unterm Arm kurbeln zum Strand. Ein Marathonläufer ohne Haare und Augenbrauen sprintet mit knapp zwanzig Stundenkilometern – für eine Weile überholen wir uns gegenseitig, da ich Fotostops einlege, und es entsteht ein zerhacktes Gespräch während der Überholphasen. Woher, wohin, und Den Haag sei eine wunderbare Stadt, man merke nicht, dass es eine Großstadt ist, nur fünf Minuten muss er noch joggen und er ist mitten in der Stadt, wo er ein Appartement besitzt.

Später blockiert ein Hund namens Siggi den Radweg. So dass ich bremsen muss und anhalte. Putziges Tier. Armes Tier. Das Herrchen ist erbost und zerrt den Pudelmischling am Halsband in die Höhe, lässt ihn eine Weile auf den Hinterpfoten stehen, zischt leise ermahnende Worte in seine schlappen Ohren. Hundchen japst. Ein Fall für die schnelle Tierschutzeinsatztruppe.

Aber ich bin nur ein dahin gondelnder Web-Vagabund, der das alles beobachtet und aufschreibt. Tse. Die Welt so bunt. Der Mensch so vielfältig. Das Miteinander und das Ohneeinander so zwiespältig. Den Haag geht fast nahtlos in Hoek van Holland über. Der England-Hafen. Von hier aus ist vor zwei Wochen Ray zurück auf die Insel gefahren. Die Maas mündet hunderte Meter breit in dem Nieuwe Kanal in die Nordsee. Hochseetaugliche Wasserstraße. Containerschiffe. Am Südufer glänzen in der Abendsonne unzählige Bassins, weiße, runde Dinger, in denen sich vermutlich Öl befindet. Dazwischen Windräder. Dank Abendlicht wundervoll anzuschauen. Ich versuche, mir die Szene bei Mieswetter vorzustellen. Die Industrie südlich und westlich von Hoek muss dann bedrohlich, kalt wirken. Auf einer schnurgeraden Straße jenseits des Deichs höre ich in rhythmischen Abständen das Kreischen von Motorrädern. Das niederländsiche Männlein bei seiner Freitagsabendbalz. Beschleunigungsrennen. Wieder einmal bin ich fasziniert bis angewidert von dem Gebaren aufmerksamkeitsbedürftiger Männer mit latentem Minderwertigkeitskomplex. Jedes Land, das ich bereist habe, hat eine eigene Männleinkultur.

Von Hoek van Holland führt eine Fähre auf die Südseite der Maas – gerade zu Feierabend erreiche ich den Anleger. Die Fährfrau erklärt mir den Weg zur Schleuse, der als Alternativroute dient. So passiere ich die Innenstadt in Flussnähe, ein Stadtfest, das nicht so recht in Gang kommen will. Schon nach 20 Uhr und vor der Rockbühne steht eine Handvoll Menschen, Bierbecher in den Händen, mit den Köpfen wippend. Die Hälfte von ihnen ist Staff oder Sicherheitspersonal. Aber die Band rockt gut ab und ich bleibe eine Weile stehen, das Radel zwischen den Beinen, mir vorstellend, auch mal wieder dazu gehören zu wollen und ein ganz normales Alltagsleben zu führen mit Feierabend und Wochenende und nichts tun, und einfach nur Spaß haben. Bis mich das so sentimental macht, dass ich weiter radele durch die traurige, abgesperrte Volksfeststraße, in der es aussieht wie in einer Geisterstadt, so leer.

Ein paar Kilometer östlich finde ich zwischen einem Gerstenfeld und einem Wäldchen ganz nahe bei der Maas einen prima Lagerplatz. Die Bahnlinie tickert im Halbstundentakt und das Brummen der Dampfer am Fluss, der daraus folgende Wellenschlag am betonbewehrten Ufer, ein Mofa ab und zu auf dem Radweg jenseits des Wäldchens und ewig rottert der Damm.

(sanft redigiert und gepostet von Sofasophia)

Tag 115 – die Strecke

Um Viertel vor neun erreicht mich eine Nachricht von Irgendlink: Bin in Hoek van Holland, will noch ca. fünfzehn Kilometer radeln, auf die andere Seite des Nieuwe Waterweges. Ziemlich industriell hier. Ob es mit Camping klappt, wird sich zeigen. Ich hoffe, die nehmen meinen durchnässten und verfärbten Fünfziger.

Ob da Daumendrücken hilft? Ich hoffe es. Die Banken sind natürlich längst geschlossen.

Am Maasufer zwischen einem Gerstefeld und einem Wäldchen hab ich mein Zelt aufgebaut. Windstill und Vogelzwitschern, schreibt Irgendlink um zehn Uhr. Gut. Zeit für Feierabend, denke ich, gemütlich auf dem Sofa sitzend. Windstill klingt doch gut und die Wetterprognosen sehen auch prächtig aus. Richtiges Radelwetter bis Boulogne-sur-Mer. Perfekt für einen Tourabschluss.

>>> Kennemer Duincamping de Lakens – Wildzeltplatz nach Hoek van Holland: zum Kartenausschnitt der heutigen Strecke: bitte hier klicken!