Selbstüberschätzung

Uralte Bilder. Ein ganzer Ordner voll, die ich durchblättere beim Aufräumen der Künstlerbude. Der Ofen lodert. Frisst alles, was ich ihm übergebe. Ich durchforste die Jahre 1994 bis jetzt und entdecke in den Archiven Unglaubliches: das sollst du einmal für gut, für ausstellenswert befunden haben? Der Spruch: „Wenn ich mich 1994 nicht selbst überschätzt hätte, wäre ich heute nicht dort wo ich bin.“ kommt mir in den Sinn. Vieles, was ich vor 15 oder 20 Jahren für gut und ausstellenswert befunden habe, würde ich heute nicht mehr zeigen. Was bedeutet das? War ich ein schlechter Künstler? Oder habe ich mich einfach nur entwickelt?

Die Beweise sind leider vorhin verbrannt :-). Wenn ich mich just dieser Tage nicht maßlos selbst überschätzen würde, würde vermutlich die Livereise Ums Meer ab April nie stattfinden. Wenn ich im Winter 2010 nicht „so unglaublich überheblich“ :-) gewesen wäre, wäre das Buch Jakobsweg 2.0 nie entstanden.

Nie hätte ich auch nur einen Stein losgetreten, auch nur einen Fehltritt begangen, auch nur einmal mich selbst bloß gestellt, verhonepipelt, verhaspelt, verheddert, gescheitert, am Ende-gewesen-seind, zu Nichte, ganz Unten, verloren! Wäre mein Leben dadurch glücklicher? Anders?

Selbstüberschätzung ist ein Preis, den es sich lohnt zu zahlen. So klammere ich mich an eine Hoffnung, dass alles, was ich in diesem Künstlerbudenofen verbrannt habe, nicht umsonst gewesen sein wird.

3 Antworten auf „Selbstüberschätzung“

  1. Ähnlich geht es mir, wenn Zeichnungen in den Ofen fliegen. Selbstkritik gepaart mit der Hoffnung, dass man sich weiterentwickelt hat und besseres machen wird. Manchmal fürchte ich auch, dass das Bild, was ich auf einer übermalten Leinwand bearbeite, kein Stück besser ist als das darunterliegende.

    1. Blinkyblanky, ich frage mich, ob man auf diese Art, sich durch die eigene „Kunsthistorik“ zu rackern, nicht auch ganz nah am Puls der Gegenwart ist. Also auf Du und Du mit dem eigenen Ich im „jetzigen“ Moment.

  2. Ja, das kenne ich auch. Besonders was Bilder betrifft. Aber auch Texte, da liest du etwas, dass du vor Jahren geschrieben und genial gefunden hast. So genial, dass du es gar nicht schnell genug in die Welt schreien konntest und heute denkst du: Himmel, was für ein krudes Zeug. Aber du hast recht, letztendlich bringen diese Erzeugnisse uns dahin wo wir heute sind.
    Alles Liebe Karin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert