Erkenntnisreiches Basislager, dieses Häuschen im Tessin. In der Nacht schlief ich wie ein Stein – so dass morgens um zehn all die queren Gedanken um den bevorstehenden Camino Frances wie weggeblasen sind. Ich habe es auch langsam satt, mich mit den technischen Hürden, die es mit dem Live-Bloggen aus ausländischem Handynetz auf sich hat, herum zu ärgern. Die Technik ist einfach noch nicht weit genug. Es gibt keine einzige ausfallsichere und bezahlbare BlogApp für das iPhone (wie das nicht übermittelte Bild aus dem gestrigen Beitrag beweist). Die Akkuprobleme unterwegs schränken einen unnötig ein.
Wie ich die brilliante Morgensonne genieße wird mir klar, dass ich mich nun wieder auf mein bloggolerisches Kerngeschäft konzentrieren muss: das verfassen kurzer, gut gewürzter Texte.
Just, als wir zu einer Wanderung aufbrechen wollen, fährt ein Auto am Häuschen vor, junges Paar steigt aus, um das offenbar zum Verkauf stehende Objekt zu besichtigen. Was mir gar nicht recht ist, da ich gerade den Rucksack komplett ausgeräumt und den teils kostbaren Inhalt auf dem Fußboden ausgebreitet habe – eigentlich wie zu Hause, bevor ich vorgestern alles darin verstaute. Entsprechend unhöflich bin ich zu den Eindringlingen. Sie entschuldigt sich dreißig mal und er traut sich kaum an mir Kotzbrocken vorbei. Sofasophia, höflich zwischen allen Stühlen. Bis sie wieder gehen. So weit so gut. Wäre da nicht mein elendes Gutmenschengewissen, das mir bei der Wanderung suggeriert, „den Beiden haste jetzt gründlich den Tag versaut umd Sofasophia“, sag ich, „dir hab ich doch auch die Laune verdorben, oder?“ – „Aber nein“, versichert sie, „vielleicht aber verdirbst du DIR jetzt den Tag, weil du den ganzen Spaziergang über die Sache grübelst?“ – „Hum, stimmt,“ gebe ich zu, „aber viellicht ist es ja so, dass DIE UNS den Tag verdorben haben, weil sie ums dazubringen, umser Gewissen anzukurbeln?“ „Du meinst sie DICH DEIN Gewiseen, denn MEINS ist rein“, stichelt Sofasophia. So steigen wir den Berg hinauf über eine Kuhweide, plötzlich rufend „Achdung Dung!“ wegen der vielen Kuhfladen und „Scheiße – zu spät.“ lachen wie ein Echo.
Der Tag vergeht in grotesken Dialogen, alle paar Meter halten wir inne, knipsen nach Herzenslust die milde Landschaft bis zum Kirchlein St. Carlo di Negrentino, welches mit seinen über 1000-jährigen Fresken das bedeutendste Kunstdenkmal des Bleniotals ist. Direkt neben dem Gotteshaus liegt ein Geocache. Wir picknicken auf einer Wiese, sehen kurze Zeit später ein Paar, das den beiden Eindringlingen vom Morgen ähnelt und Sofasophia frotzelt mich: „da kannste dich jetzt entschuldigen bei denen, dassde ihnen den Tag, achwas, das ganze Leben versaut hast.“ Wie herrlich einfach sich doch aus Mücken Elefanten machen lassen.
Weiter weiter weiter. Irgendwie ist das ganze Leben eine Wanderung, hinter jeder Ecke neue Erkenntnisse. Am Abend stehen gut 10 km auf dem GPS. Sowie die Ungewissheit, ob ich die Caminowanderung in zwei Wochen überhaupt beginnen soll.
Wohl dem, der so viel liebe Weisheit neben sich weiss.
Ja, dass das Häuschen zum Verkauf steht, haben wir auch gehört. Ist aber nicht Euer Problem. Also: Einfach „Neustart“ drücken oder allenfalls „Reset“. Wünsche also ganz bewusst schöne Ferien!
Lieber Herr Thinkabout, einfach wunderbar hier. Nochmals danke für den Tipp. Wir denken oft an euch.