Hausaufgaben gar nicht erst auflaufen lassen, denke ich frühmorgend um sechs, blinzelnd erkenne ich verschwommen die runde Sau die niemals endet – Tse. Ein Genre, das ich unterwegs fotografierte, sind Uhren. Angestachelt durch meine Tour 2000, bei der ich mehr oder weniger zufällig einige Kirchturmuhren geknipst hatte, habe ich bei der 2010er Auflage von Zweibrücken Andorra bewusst alle möglichen Uhren mitgehen lassen. Die Uhr der Kathedrale von Autun zum Beispiel oder das kleine Wunderwerk von Saint Jacques in Luneville. Und noch so einige.
Die runde Sau, die niemals endet hängt heutzutage ja überall, bleckt einem auf dem Monitor entgegen, im Handydisplay. Zeit Zeit Zeit. Diese drei Worte sind fast so magisch wie die Worte Geld Geld Geld!
So gegen 9 stelle ich fest, dass ich es nicht mehr schaffe, um 9 auf der Arbeit zu sein. Im Schädel manifestiert sich der Rohstoff für zig Loungemöbelstücke, der in der Werkstatt auf mich wartet und ein geheimnisvoller Algorithmus rechnet ungefähr 25 Arbeitsstunden aus. Tickitick Tickitick Tickitick Tick Tick. Und Tack Tack Tack Tack Tack. Unruhig umrunde ich den Küchentisch, versuche die Gedanken zu sortieren. Nene 9 Uhr kannste vergessen, denke ich um 5 nach 9, das schaffste nie. Um viertel nach gehts los, verspreche ich mir, ich muss nur noch n Paar butterbrote schmieren. Da kommen mir auch schon so viele Gedanken quer, die ich allesamt aufschreiben muss und so viele Dinge, die ich allesamt noch tun muss bis viertel nach 9, bis ich endlich zur Arbeit fahren kann.
Verflixte Zeit. Unfassbares Wesen. Tickitick Tickitick Tickitick Tick Tick. Wer hat dich gemacht? Irgendwann damals – von der Reise vor zwei Wochen rede ich schon längst von „Damals“, irgendwann damals kurbelte ich im ruhigen Takt einen der vielen Berge hinauf, weiß nicht mehr wo, ist auch egal, ich schwitzte und fürchtete mich vor dem Ankommen am Gipfel, weil ich alle meine Kleider durchschwitzt hatte und, es war ja damals nicht so arg warm, ich würde unweigerlich frieren, wenn ich den Berg wieder runter müsste. So beschäftigte sich mein Hirn wie ein verängstigtes Wiesel mit der Zukunft. Der unweigerlich nahenden Passhöhe. Anstatt sich auf das Jetzt zu konzentrieren. Das ist doch ganz normal, werden jetzt viele LeserInnen sagen, man lebt nunmal eingekeilt zwischen Vergangenheit und Zukunft in einem ganz engen Zeitfenster. Hm. Eigentlich gibt es ja gar keine Gegenwart. Denn wenn es sie gäbe, stünden alle Uhren still?
So gegen viertel nach 9 verlege ich den Zeitpunkt, an dem ich zur Arbeit fahre auf Halbzehn, fabuliere schon an einer Ausrede für den Owner, ein böser, großer Mann habe vor dem Hof auf mich gewartet und mir mit geballter Faust, gebrochen deutsch sprechend befohlen: „Du jetzz nicht zur Arbeit fahre.“
Das könnte mir die nötige Luft verschaffen, meine Hausaufgaben von gestern zu machen und den Artikel über Michel P. zu schreiben (ja, Sofasophia, es ist der Radelnde Musiker, der mir vor 10 Jahren den Rigole de la Plaine gezeigt hat). Außerdem könnte ich noch aufschreiben, was ich überhaupt mit der Rubrik Hausaufgaben anstellen will, dass es so der Gedanke ist, alle Gedanken, die man im Laufe des Tages hat, per Telefon im Blog zu skizzieren und dann abends, genau wie in der Schule damals, den Stoff zu vertiefen. All das könnte ich dann aufschreiben, dachte ich so gegen Halb zehn und verlegte den Zeitpunkt meiner Abreise zur Arbeit auf viertel vor zehn.
Dann kam mir aber dieser gedankengang zum Thema Zeit zwischen die klebrigen zehntausend Finger der Erkenntnis, die manchmal mein Hirn kitzeln. Von Zeit gibt es gar nicht bis hin zu Zeit ist überall in uns und um uns hin zu den vielen Kirchturmuhren, die ich weiland auf der Zweibrücken-Andorra Reise 2010 fotografiert hatte wollte ich einen Artikel schustern. Vergiss doch die Hausaufgaben. Haste früher ja auch nie gemacht.
Okay, lieber Owner. Jetzt fahre ich aber mal los. Der böse kräftige Kerl mit den fettigen Haaren und der dunklen, bedrohlichen Stimme hat die Hofeinfahrt wieder frei gemacht.
Tippfehler lass ich erstmal drin in dem schnell geschusterten Artikel.
Am liebsten ist mir, wenn ich es für ein paar Tage schaffe, die runde Sau los zu werden.