Ich sollte vorweg nehmen, dass, wenn ich dieser Tage einen Feierabend hätte, ich geschäftig mein Fahrrad packen würde, Karten wälzen und mich auf eine fünfwöchige Fahrradtour nach Süden, vielleicht nach Santiago de Compostella einstimmen würde. In der Tat zwitschern draußen die Vögel, dass es nur so eine Lust ist und der Frühling frohlockt mit oppulenten Düften, mit milden Lüften. Reines Entzücken zu beobachten, wie die Fossitien blühen, zunächst auf der Südseite des einsamen Gehöfts, nun auch auf der kühlen Nordseite.
„Das Pilgern, mein Lieber“, höhnte Kollege T., letzte Woche, „kannste erstmal vergessen.“ Um unser aller Hintern zu retten (denn irgendwie hängen wir doch, T. hin, Kollege Sch. her und Owner uns ich und noch einige Leute in der Tackerwerkstatt am selben Seil), um also die Firma voran zu bringen und in eine höhere Liga aufzusteigen, schuften alle wie bekloppt. Erstaunlicher Weise ist die Laune extrem gut (wenn im Amt ohne Wiederkehr ein solcher Ausnahmezustand eingetreten wäre, hätten sich binnen eines Tages fast alle Mitarbeiter krank gemeldet).
Wie auch immer. Freitags steige ich hinab in die dunkle, kühle Werkstatt und was seh ich schon am Eingang: ein Pappschild, auf das jemand einen gelben Pfeil gemalt hat. Genau wie auf dem Camino. Der gelbe Pfeil, weiß man in Nordspanien, weist dem bußfertigen Mann (und natürlich auch der Frau) den steinigen Weg nach Santiago. Ich folge also dem Pfeil in der Werkstatt vorbei am Pallettenstapel, der Loungemöbelrekonstruktionsabteilung; sogar unter dem Hochregal hindurch weißt ein Pappschild im Zick-Zack-Kurs durch das Möbellager, so dass ich ganz kribbelig werde – so muss sich ein Pilger fühlen, der 700 km von den Pyrenäen bis nach Compostella gewandert ist. Irgendwann treffe ich an meinem Arbeitsplatz ein, daneben die hart schuftenden Kollegen, breit grinsend: „Willkommen, Pilger der Herzen“, rufen sie im Chor. Auf dem Tisch unter dem Tacker das finale Pappschild, auf dem unverkennbar in Kollege T.s Handschrift gekritzelt steht „Santiago (und ein Herzchen).“
Ich hoffe, man erteilt mir Absolution – Verzeihung Tacksolution.
diese ambivalenz mal wieder: wir alle gönnen dir diese reise von HERZEN … doch dich ziehenlassen, na ja, das ist nicht so einfach …
so! das musste einfach mal gesagt sein :-)
ach, und noch was: genialer wortwitz mal wieder. deine tackerspeak müsste echt patentiert werden!