Überflüssigkeitsbeweis nach Irgendlink

Nächster Zettel: „Überflüssigkeitsbeweis nach Irgendlink“ steht darauf.

MannMannMann, was hab ich mir dabei wohl gedacht? Ich sollte die Zettel dringend vernichten, denn wenn sie in die falschen Hände kommen, bin ich geliefert, dann heißt es ab in die Klapse … ahahaha.

Was meint Überflüssigkeitsbeweis? Wie ich mich kenne, habe ich bestimmt über Existenzielles nachgedacht, Leben und Tod auf der scharfen Schneide der Unterhaltung. Vielleicht habe ich gefernseht, Werbefernsehen und während ich mich mit dem konsumatorischen Zeugs sedierte, erbrachte eine noch wache Region in meinem Hirn den Überflüssigkeitsbeweis von mir, von allen, von allem. Danach ging die Welt in die Brüche, niemand wollte mehr SchnickSchnack kaufen, die Wirtschaft schrumpfte wie ein Roter Zwerg, um sich schließlich aufzublähen und in tausend Teile zu zerspringen.

Ein Indiz, woher der Überflüssigkeitsbeweis-Zettel kommt: ich habe es auf einen Notizzettel geschrieben, wie ich ihn im Amt ohne Wiederkehr verwendet habe. Zeitanker und Ort. Perfekte Identifikation. Es muss nachmittags gewesen sein am Monatsanfang und ich stellte erschreckt fest, dass ich sämtliche Arbeit des Monats schon erledigt habe.Das issen Überflüssigkeitsbeweis, nicht wahr. Wenn der Werktätige zu Monatsbeginn feststellt, dass alles, was getan werden musste, schon getan ist. Dann, meine Lieben, ist er tatsächlich überflüssig.

Nicht überflüssig bin ich jedoch hier, schreibend im kalten Winter am PC. Denn ich könnte noch hunderte solcher Zettel abarbeiten, „… dass wir zu Monstern werden, nachdem wir einst Engel waren …“ liegt direkt obenauf, aber, ach nee, dass passt nicht hierher das Puzzle, aber vielleicht wisst ja Ihr etwas mit dem folgenden Fetzen anzufangen: „… wenn Auswegslosigkeit den Ausweg versperrt.“ Darunter habe ich noch das Wörtchen „sinngemäß“ geschrieben.

Neuschwanstein der Literatur

Auf ein Fenster mehr oder weniger kommt es nun auch nicht an, rufe Firefox und logge mich ins Blog ein. Seit Tagen sortiere ich: Gedanken, Zettel, Menschenleben, Adressen. Multiple Daten, die in die verschiedensten Dateien geschrieben werden.

Ich werde das Gefühl nicht los, alle Worte sind längst da, ich habe sie hundertmal benutzt, aber sie sind noch nicht richtig konfiguriert. Jeder Zettel, der hier neben mir liegt, ist Teil eines größeren Ganzen, das ich, nur ich fügen kann. Ich tüftele am Schloss Neuschwanstein der Literatur, zehntausend Teile, kein Ende. Dieses elende Gefissel in den Bäumen hinter der Burg macht mich verrückt.

„Nichts ist schön“, steht auf einem der Zettel, „und es muss auch nichts schön sein. Die Welt darf hässlich sein und das Leben unangenehm.“

Gehört dieser Spruch hierher? In meiner Verwirrung habe ich eine einfache Text-Datei angelegt, in die ich die kürzeren Notizen abtippe, so hat es mich Sofasophia gelehrt. Die längeren handschriftlichen Notizen lege ich in meiner Verzweiflung ungelesen in einen Karton. Nein, ich werfe sie nicht weg. Wenn in meinem Neuschwanstein nur ein Teil fehlt, ist das Bild kaputt.

Weiter steht auf dem Nichts-ist-schön-Zettel, dass ich es am 30. November letztes Jahr gebloggt habe. Gehört das Stück also tatsächlich hierher? Warum habe ich den Zettel nicht weggeworfen, nachdem ich ihn hier gepostet habe? Schicksal? Sollte ich ihn zeitversetzt wieder finden und erneut abschreiben, ihn an einer anderen Stelle im Bild nochmal verwenden?

Manchmal kommt mir das Geschreibe vor, als wäre es tatsächlich ein großes Puzzle, an dem ich jahrelang arbeite – auch die Zeilen, die ich hier im Blog hinterlasse, gehören irgendwie dazu. Manchmal wenigstens.

The Importance of beeing Plow – Die Wichtigkeit vom sein Schneepflug

Ganz in der Nähe des Streusalzdepots im Nachbarstädtchen S. wohnt mein Freund Journalist F. Durch sein Wohnzimmerfenster kann man sich ein exaktes Bild der Wetterverhältnisse in den nächsten Stunden machen, denn die Frequenz, mit der Streufahrzeuge mit ihren bunten Blinkelämpchen in die Nacht hinaus fahren ist ein untrügliches Maß für die Schlimme der bevorstehenden Katastrophe.

Sag ich schmunzelnd zum Journalisten F.: „Die Verantwortlichen in den Wetteraffenredaktionen haben ihre Wetteräffchen bestimmt aus der freien Mitarbeiterschar von Deutschlands meistweggeworfener Tageszeitung, du weißt, das schwarzrote Blatt mit den vier großen Buchstaben, rekrutiert; jawoll, die Wetteraffen wurden samt und sonders von diesem blöden bildungsunwürdigen Reißerblatt abgeworben und nun machen sie uns allen Angst. Tief Daisy, pah.“

Ich ziehe den Vorhang zurück und starre in den pechschwarzen Himmel, ein paar Flusen rieseln. Die Straße ist grau und kalt, mit 80 Sachen rasen Kleinwagen durch den großen Verkehrskreisel in die Stadt. „Da, schon wieder ein Streufahrzeug. Da rollt was auf uns zu.“, scherze ich, „ich hab die Ratschläge von den Wetterlaffen befolgt, habe eine Kiste Bier gehamstert ahaha.“

„Dir wird das Lachen schon noch vergehen,“ sagt Journalist F. und zeigt auf ein Streufahrzeug, das ein anderes Streufahrzeug abschleppt, „da siehst du, wie schlimm das alles wird, wenn schon die Streufahrzeuge nicht mehr vorwärts kommen.“ Wir lachen – noch – verlieren uns in diversen Gesprächen um Dies und Das und Jene und Andere … bis … nach einer Weile: „Es ist so still“, sage ich, „mhmm,“ räuspert sich Journalsit F., „verdammt still.“ „Gerdezu unaussprechlich still, fast so wie in dem Film The Fog, Nebel des Grauens.“ „Fällt dir was auf?“ fragt Journalist F. „Kennst du die Geschichte vom Indianer und vom Bleichgesicht?“, lenke ich ab, „die geht so: Der Indianer beobachtet das Bleichgesicht beim Holzhacken und sagt, ‚der Winter wird lang und hart.‘ Das Bleichgesicht nimmt sich diesen Rat zu Herzen und hackt unermüdlich weiter. Der Indianer schaut ihm weiterhin zu und sagt nach einer Weile, ‚der Winter wird unglaublich lang und unvorstellbar hart, der schlimmste Winter, den es je gegeben hat‘, woraufhin das Bleichgesicht sich ordentlich rein kniet und weiter Holz macht, bis der ganze Schuppen voll ist und die Wiese davor auch …“

„Jetzt weiß ich, was nicht stimmt“, unterbricht Journalist F. meine Fabel, „merkst du das auch?“

„Was denn? I ch höre gar nichts.“ Die spätabendliche Stimmung vermitttelt mir ein Gefühl wie der Hitchcock-Klassiker die Vögel in der Szene kurz bevor das Haus angegriffen wird. Irgendwas stimmt tatsächlich nicht. Aber was?!!!

Nach einer schier unendlichen Weile des Schweigens, platzt Journalist F. endlich heraus: „Es fahren gar keine Streufahrzeuge mehr.“

Tatsächlich.

„Die Schneekatastophe wird exorbitant.“ flüstere ich.

Dekadendenke

WiedaDa- ouh shallala. Aber erst in Bern, wo mich Stimmen über die Schreibtischkante erreichen: „Hast Du gebloggt?“ – „Nöö – vielleicht – weiß nicht. Mal nachschauen.“

Wie oft geschiehts, dass man die Dinge nur denkt, anstatt sie zu tun; denken, zu sagen: „Hey, haste gut gemacht, bisten toller Mensch“, aber man sagt es nicht – diese Verwirrung, eine Erscheinung des Alters?

Und diese Erscheinungen des Alters, waren sie nicht schon immer, jedes Jahr ein bisschen intensiver? Hast du nicht 1990 gedacht, 2000 zu erreichen sei utopisch, vorher stirbst du an einem Unfall. Und 2000 glaubtest du, 2010 stehen sie vielleicht an deinem Grab und denken, was wohl aus ihm geworden wäre, aber nein, halthalthalt nein! Und nun grübelst du an 2020. Soll das denn ewig so weiter gehen?

Wir wollen es hoffen, denn es gibt viel zu tun.