Bitte helfen Sie, …

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Spaß in der Landeshauptstadt: QQlka posiert vor dem (noch leeren) Koffer eines Künstlers bitte helfen sie, ich bin reich, ich brauche das Geld.

Dokument unserer Zeit.

kuehlwetterstr

Kürzlich in Düsseldorf: Kühlwetterstraße; sicher eine Dokument unserer Jahreszeit. Verloren lustlos spazierte ich durch die Stadt und hatte die Vision, ich erstelle eines jener Portraits auf Basis der Straßennamen. Nicht jetzt, aber bald.

Wendekreis des Rasierapparats

Rotzeglotzen. Abgehalfterte Omega-Promis geben sich die Ehre bei Tisch.

In der Werbepause merke ich, dass bald Weihnachten ist. Man wirbt für Pralinen, Parfüm, Sinnloses und Rasierapparate. Vorbei die goldene Zeit, in der fast nur für Autos geworben wurde. Wir leben Rasierapparate – ahahaha.

Vorhersehbare kleine Werbewelt. Alle Jahre wieder. „Wendekreis des Rasierapparats“ schießt es mir in den Sinn, als ein 24 Zoll großer utopischer Rasierapparat mit zehntausend scharfen Klingen gezeigt wird. Für nur 79,90 Euro. Das ist nicht zu viel. Hey, aber das Wort Wendekreis des Rasierapparats in frecher Anlehnung an die beiden Miller-Romane, Wendekreis des Krebs und Wendekreis des Steinbocks, gefällt mir.

So suhlt man sich in Worten.

Heute in der Landeshauptstadt Bilder für Ausstellung abgeliefert und eine Ausstellung zum Thema Geld besucht. Ein Kunstwerk zeigte einen leeren Koffer auf der Straße mit einem Zettel „Ich bin reich, ich brauche das Geld“. Witzig. Wir werfen alle unser Geld rein viele bunte Scheine und setzen uns neben den Koffer wie Bettler, fotografieren uns gegenseitig mit unseren 3000 Euro teuren Kameras.

Was bisher geschah …

„Als junger amerikanischer Drehbuchautor wüsste ich gewiss um die Magnifikanz des Cliffhangers am Ende jeder Episode und würde die Technik bewusst einsetzen, um den Zuschauern den Mund wässrig zu machen nach einer Fortsetzung.“ denke ich, es ist 11 Uhr früh am Abgrund einer hochgradig durchwirkten Woche, der jeglicher Anspruch auf ’normales Leben‘ abhanden gekommen ist.

„Nicht schlimm“, denke ich in Düsseldorf, die Uhr einer Kirche schlägt sieben, es ist gestern, Kollege T. hat sich in ein cooles altes Schwimmbad verabschiedet, welches bestimmt schon im 19. Jahrhundert erbaut wurde, mitten in der Stadt. Ich, Badehose vergessen, laufe ziellos durch die Stadt und überquere einen dunklen hundert Meter breiten Graben, in dem Eisenbahnen saußen. Das Tal der Düssel. Es gibt offenbar wirklich einen Fluss namens Düssel. Tse. „Hier müsstste jetzt paar Fotos schießen, die Straßen und sonstige Abstraktionen der Stadt einfangen“, denke ich und in meinem Schädel wächst die Vision des reisenden Fotografen, der wie eine Viehherde durchs Land zieht und die seltsamen Weiden seiner Gegenwart abgrast nach neuen Motiven, nach einer neuen Bildsprache.

„Die Lohntackerei hat mich hierhin verschlagen, verflixt nochmal,“ denke ich in einem Hotelbett liegend mittwochsabends am Rande des Ruhrpotts. Die Glotze dudelt, Kollege T. neben mir halbtot von einem 18-Stunden Arbeitstag. Bettwäsche riecht nach Rauch. Normale Menschen würden sich in diesem Zimmer keine fünf Minuten aufhalten, wir aber: wie sündhaft teuer es doch ist und wir sind müde, sediert vom hektischen Tag. Am nächsten Morgen wird es ein schäbiges Frühstücksbuffet geben mit Eiern, die man hundert Stunden lang gekocht hat.

„Schwarzer Marmor strahlt eine besondere Würde aus,“ denke ich flachsend mit mir selbst, ich weiß nicht mehr wann. Dazu passend hat man die Lohntacker engagiert, eine gemütliche, schneeweiße Lounge aufzustellen, quelle Contraste. Für Achtzig Gäste ist bestens gesorgt, es gibt: Videos, DJ, Licht, man serviert Krabbenspieße.

Einsames Gehöft, jetzt. Tippe dies Zeilen. Der Ofen gurgelt. 9 Grad Celsius in der Künstlerbude. Genauso warm wie draußen. Sonne embeddet in Dunst.

Endzeitgeschwafel

Pure Psychologie. Alles?

Die Gesundheitstermine ab 40 sind lästig; dennoch lege ich eine gewisse Disziplin an den Tag, spätestens seit dem letzten Sommer, in dem ich mit so einer Art Sterbebett Bekanntschaft gemacht habe, mit dem letzten Hemd, das in der Tat keine Taschen hat, mit einem Abschluss im Geiste, einer Demut, die zu erlernen es Jahrzehnte dauert.

Alles wurde wieder gut.

Aber hin und wieder verschlägt es einen in Arztpraxen, deren Böden seltsamerweise gruselig aussehen, Linoleum oder PVC, Hygiene überall – soll das Muster der Böden in Arztpraxen die Patienten etwa an das marode Aussehen ihrer Organe erinnern?

Mitgenommen starrte ich auf den Boden, hinüber zur Wand, Blick schweift vom mitgebrachten Buch über laut hustende Menschen, ein röchelndes Kind, eine stark geschminkte 50-jährige zum Plakat für Grippeimpfungswerbung zurück ins Buch, so kriechen die Sekunden und vereinen sich zu Minuten.

Bis eine Arzthelferin durch die geschlossene Tür des Behandlungszimmers laut nach der Kollegin ruft, diese den Ruf aber nicht hört, die Arzthelferin schließlich die Tür aufreißt, an mir und anderen Patienten vorbei rennt, ein paar Seiten des Buchs vom Luftzug nach rechts geschleudert – im Behandlungszimmer röchelt ein Mann unter den Nachwirkungen eines Allergietests, man redet ihm gut zu, bleiben sie bei uns, doch er sackt weg – mehrere Arzthelferinnen den Flur zurück rennen, die Seiten im Buch nach Links geschleudert werden, sie die Beine des Patienten auf den Tisch legen und ihn zu dritt halten, eine ruft: „Ruf die Frau Doktor“, Wind im Flur Buchseiten hin, her, Seite 334 „Er beschäftigte sich eine ganze Weile mit dem Inhalt des Computers.“ Alle Wartenden schauen entsetzt und bangen mit dem Team und mit dem Dahingesackten. Die Doktorin kommt schnell aber ohne zu rennen.

Buchseiten her, Seite 308 „Sie trat einen Schritt in den Flur ohne zu zögern.“ Schlagartig geht es dem Dahingesackten besser.

Nichteinmal muss sie ihn wiederbeleben, wie alle vermutet haben, er überlebt ganz von alleine.

Sogar kann er aufstehen, um sich hinüber zur Liege zu begeben.

Von zwei Arzthelferinnen gestützt, langsam an mir vorbei, Buchseiten stehen still: „Er notierte sich die Uhrzeit. Es war 16:18 Uhr.“

Der wird wieder, denke ich und klappe das Buch zu.

Die Psychologie entscheidet über Leben und Tod. Ich starre zum Boden, erfreue mich am ruhigen Muster, welches gewiss ein äußerer Spiegel der Verdorbenheit unser aller Organe ist, schaue zur Wand, zu den anderen Wartenden. Sie husten und atmen dennoch.

Auf.

Blick auf meinen Pullover. Die Vorderseite spannt auf dem Bauch. Erstmals fällt mir der Spruch auf diesem Cinque-Pullover auf: „Imagine How Much Fun It Must Be To Work At …“ steht in kleinen Buchstaben unauffällig unter dem Motiv, welches einen Stern zeigt.

Was soll das heißen? frage ich mich. Dass es Spaß macht in einer Tackerwerkstatt zu arbeiten? „Denk mal wieviel Spaß es macht, zu tackern …“ Zu einfach. Dass es Spaß macht, an einem selbst erdachten Projekt, nenns dein Leben, zu arbeiten? Oder möge, wie der Ire sagt, der Weg mit dir wachsen?

Liegt mir der Owner schon seit Tagen in den Ohren, ich soll mal wieder was schreiben. Saftige Tackerstory zum Beispiel; sag ich dies ist die Zeit der Bilder und nicht der Worte oder denke es zumindest oder vermute, es gesagt zu haben. Momentan ausgeslastet durch Kunst. Was niemand weiß: dass ich mir das gesamte Wochenende und die Nächte um die Ohren schlage, um die neuen seriellen Fotos zu kreieren. An einer Bildtafel arbeite ich sechs bis acht Stunden. Es ist nicht damit getan, die Bilder einfach zu mischen und per Bildbearbeitung auf ein Blatt zu setzen – Musiker nehmen ja auch nicht einfach Noten und schreiben sie wahllos in Reihe, wie auch Schriftsteller und Schriftstellerinnen nicht wahllos Buchstaben kombinieren können.

In allem was ich tue liegt die Erkenntnis, dass das Einfache zwar immer über das Komplizierte triumphieren wird, dass aber das Komplizierte im Einfachen dem Gesamtwerk eine gewisse Würze gibt. Dies unterscheidet Kunst und Handwerk.

Ein schräger Blick durchs Westfenster haftet an gelbblättrigen Bäumen, wie sie sich langsam aus der Dämmerung schälen und mit jeder Minute mehr Farbe gewinnen. Es geht gegen Acht, wenige Minuten Zeit ein paar Zeilen zu hacken.

Der Zeit der Bilder wird die Zeit der Worte folgen; nach den Worten kann nichts mehr folgen?