Brillianter Tag, Sonne, Wind, klare Luft – die Südterrasse ist einfach traumhaft. Mein erster genehmigter Urlaubstag seit etwa einem Jahr. Was für eine Ironie. Nun, da die Firma Insolvenz anmeldet, habe ich endlich frei. Ich habe geschrieben: egal wie die Sache ausgeht, du kannst nur gewinnen. Ich mag Spiele, die man nur gewinnen kann. Es ist so, als würde man in der spanischen Extremadura vor einer Weggabelung stehen und nicht lange rätseln müssen, welchen Weg man einschlägt, weil beide richtig sind. Im konkreten Fall diktiert allerdings das Leben. Die Ereignisse am letzten Montag gäben eine klasse Blogstory. Das Leben als Beobachter ist unemotional. Es ist wie Filme schauen oder wie einen Roman lesen.
Gestern beballerte mich das Arbeitsamt mit einem Ordner Papier, so dass es nur eine Konsequenz gibt: ich werde freischaffender Künstler (offizieller Lebensstatus).
In der letzten Woche habe ich die freischaffenden Fäden wieder aufgenommen, insbesondere mich in Apache-Kunde (Apache ist der verbreitetste Webserver) geübt, den heimischen Server auf den neuesten Stand gebracht, Drupal 6.10 installiert, Oscommerce und Gallery2 vorbereitet. So mehre ich mein Webwissen. Darin liegt die Zukunft: lerne den Apache zu beherrschen und tauche ein in die Weihen des CMS.
Konzeptkünstler R. las mir kürzlich die Leviten: „Wie kannst du nur behaupten, der gutbürgerliche Mensch, ausgestattet mit allem, was man landläufig für wichtig hält, Frau, Kind, Haus, Schulden, sei nicht fähig zur Freiheit?“ (hochnäsig schrieb ich das in diesem Blogbeitrag, Absatz 9) „Das ist unreif und gemein, was du da sagst. Freiheit ist kein absoluter Begriff, den man an Äußerlichkeiten festmacht. Freiheit ist ein geistiges Gut, eine Einstellung, die nichts mit der individuellen, materiellen Aura zu tun hat, die einjeden von uns umgibt. Mein lieber Irgend, du musst noch viel lernen.“
Seine Worte haben mich nachdenklich gemacht. Ich glaube, er hat recht. Freiheit ist reine Kopfsache. Bereinige die Dinge im Geiste und du bist automatisch frei. Selbst ein Gefängnisinsasse hat theoretisch die Chance, sich frei zu fühlen.
„Vielleicht hast du recht mein lieber R.“, erwiderte ich, „wenn ich meine nähere Zukunft beleuchte und die Möglichkeiten aufzeichne, wird mir das umso klarer. Rein äußerlich mag ich frei wirken, aber wenn ich nur daran denke, ich habe etwa die Möglichkeit, ein Jahr zu verschwinden, mich auf den Straßen Europas, Asiens, weltweit, zu amüsieren und Abenteuer zu erleben; ich könnte schon im April aufbrechen. Würde ich es tun? Es gibt nichts, was mich hält und es gibt nichts, was mich woanders hinzieht. Ich bin nicht frei. Jeder Bankangestellte könnte freier sein als ich.“ „Scheiß Patt-Situation“, grinste R.
Diese Gedanken führen zu nichts. Ich will sie nur einmal anreißen, um vielleicht später darauf zurück zu kommen.
Die 11 Möglichkeiten des Herrn Irgendlink
- Auf die Kündigung warten
- Verreisen ans Meer
- Verreisen in die Berge
- andere Arbeit suchen
- Folge dem Fluss
- selbständig arbeiten als Künstler
- Atme tief und ruhig
- ein Buch schreiben
- Mach‘ irgendwas im Internet, was cooles und unterhaltsames
- Verharren
- trotzdem tackern (hierfür gibt es tatsächlich eine Option)
Zwölftens: suche in den unergründlichen Tiefen des Unbestimmten und sei erstaunt, was dabei heraus kommt.
Für die nächste Woche ist mein Weg vorgezeichnet. Das Kulturamt im Nachbarstädtchen S. hat mich engagiert, beim internationalen Jazzfestival zu arbeiten. Die Künstlerbetreuung in S. ist schon seit Jahren meine schwere Bürde. Wer möchte, kann mit dem Begriff „jazz“ einmal dieses Blog durchsuchen, um etwa so bahnbrechende Satiren wie „Der Spirit des Jazz“ aufzustöbern.
meine empfehlung: mal das neueste buch von andreas altmann zu lesen. man meint, DU hättest es geschrieben….
gruß
Du könntest auch alle 11 Möglichkeiten ausprobieren?
Bis Du merkst, welche die richtige, für Dich passende ist.
Dauert es wirklich über 7 Stunden, bis ich über rss Bescheid über einen neuen Eintrag bekomme? Da staune ich nun sehr;-)