Konzeptkünstler R. ist wieder da. Ein unbekanntes Wohnmobil mit Münchner Nummer stand im Hof, als ich nach Hause kam. Auf den Seiten prangte in roten Buchstaben der Schriftzug R. – Räte für den Mittelstand.
Der Künstler hatte es sich in meiner Bude bequem gemacht. Durch die Katzentür hatte er sich eingeschlichen und sogar den Ofen angezündet. „Wie kannst du bei der Kälte existieren?“ fragte er, ohne auch nur Hallo zu sagen. Perplex umarmte ich ihn: „Ich dachte, du wärst tot. Dort ist es noch viel kälter“.
Wie lange haben wir uns nicht gesehen? Drei Jahre? Viel Wasser floss durch viele Bäche.
Konzeptkünstler R. ist sicher der merkwürdigste meiner Freunde. Deshalb fällt es mir auch nicht schwer, seinen Wandel vom dreitagebärtigen Penner, der am Rhein alle 50 km einen Steinstapel aufgestellt hat zum Unternehmensberater – das muss man sich mal auf der Zunge vergehen lassen – zu verstehen.
Tatsächlich ist das Wohnmobil, nigelnagelneu, das nun draußen im Hof steht, seine Einsatzentrale, sein Arbeitsplatz. In Kurzer Rede erfuhr ich, dass er sich vor zwei Jahren offiziell selbständig gemacht hat und eine mobile Unternehmensberatung gründete. Seither durchquert er mit dem fahrbaren Büro die Republik und alle Staaten der EU, in denen romanische Sprachen gesprochen werden und berät kleine bis mittlere Unternehmen.
„Räte für den Mittelstand. Tse. Das klingt ja geradezu kommunistisch.“
„Dem Mittelstand kann ein bisschen Kommunismus nicht schaden“, sagte R. „Der Mittlestand ist in zehn Jahren tot, wenn er nicht andere Wege geht. Der Mitterlstand hat sich bisher immer nach Oben orientiert. Nun ist es an der Zeit, dass er sich nach Unten orientiert und ganz neue Strukturen schaffte. Ich helfe ihm dabei.“
„Davon lebst du?“ fragte ich.
„Nicht davon“, antwortete er, „ich lebe. Ist einfach, nicht wahr?“ Der Konzeptkünster Mr. UnternehmensberaterSir grinste breit.
Wir tranken ein paar Bier und ich zeigte ihm, was sich in den letzten Jahren auf dem einsamen Gehöft alles verändert hat: das neue Atelier, ein paar Pimp My Wohnung Finessen, sowie diverse Neuigkeiten. Wie das eben so ist, wenn man sich so lange Zeit nicht gesehen hat. Ein gemütlicher Abend voller gepackter Information.
Die wichtigste, die auch mich betrifft war wohl: Du musst versagen! Jawohl.
„Du musst dich versagen in dieser leistungsorientierten Welt“, erklärte R., „denn wenn du es nicht tust, schinden sie dich, nutzen dich aus, vernichten dich am Ende“. Ich dachte an die Niere von Freund F. Du musst versagen, ehe es die Niere tut. Vielleicht hat Monsieur Allwissend Konzeptkünstler R. recht: wenn du in dieser Gesellschaft rennst und rennst und rennst, um vor deinen Mitmenschen am Ziel zu sein, tust du genau das, was die da Oben wollen: du opferst dich auf einem schäbigen Altar – wofür- für nichts und auf der Strecke bleibt das Lebensglück.
Jawohl. Wir müssen einfach nur versagen, uns zurück nehmen, nein sagen, enthaltsam sein was Leistung betrifft, denn honoriert wird ja der ganze, von Menschen für Menschen erfundene Wirtschaftsquatsch nur, wenn man bereit ist, anständig in die Tasche der Allgemeinheit zu greifen.
Also lautet die Devise für die Zukunft: Langsam ist besser als Schnell. Was ich nicht mache, machen die Kollegen. Was die Kollegen nicht machen, bleibt liegen.
Und alles, was liegen bleibt ist so natürlich, so gut, es ist Sediment in einer verrückten Zeit. Forscher werden es in Hunderttausend Jahren finden und Rätsel darüber raten.
AMEN!
Ich versage JEDEN Tag!..und es kann auch Spass machen in Armut zu leben!!!:D