Nachmittags putzten die Kollegen Tacker und ich gemeinsam den Möbelrücklauf aus einer hippen Veranstaltung. Wir hörten Charlotte Roches Feuchtgebiete, schmunzelten, manche lachten Beifall. Das Hörbuch ist sehr unterhaltsam. Die einfache, direkte Sprache macht einen übermütig. Wohl deshalb und weil ich es immer tue, fing ich an Texte zu denken. Hätte ich verflixt die Hände frei gehabt, ich hätte sie auch getippt.
Es roch nach Furz. Das veranlasste mich zu einer Kette von Gedanken, die darin gipfelten, dass alle in dem Raum so lange schuldig sind, den Furz gelassen zu haben, bis einer endlich die Schuld auf sich nimmt. Mehr noch, jeder von uns verdächtigte den Anderen und jeder, außer dem Furzenden war sich selbst sicher: ich war es nicht. War es der dort am Fenster? Schräger Blick zum Kollegen. Unschuldig putzte er die Loungemöbel. Oder jener da drüben? Er ist eben an mir vorbei gelaufen. Heimlich könnte er im Vorbeigehen der Flatulenz gefrönt haben.
Mit einem Mal wurde mir bewusst, was Schuld ist: eine unliebsame Sache ist passiert, für die keiner offen die Verantwortung übernimmt, aber alle sind verdächtig.
Der Erlöser ist derjenige, der sich zu der Schuld bekennt. Für den Moment überlegte ich, den Erlöser zu spielen und zu sagen, ich habe gefurzt. Der Erlöser ist derjenige, der die Gesamtschuld aufnimmt, die im Raum schwebt und die dazu führt, dass man automatisch denkt, die anderen denken, ich war es. Ich bin überzeugt, dass in verfurzten Räumen viele unschuldige Menschen denken, hoffentlich denken die Anderen nicht, ich war es.
Das Furz-Gleichnis ist natürlich nur ein Platzhalter für alles Mögliche. So könnte zum Beispiel auch etwas gestohlen worden sein in einem abgekapselten System, in dem eine gewisse Anzahl von Menschen, die täglich miteinander zu tun haben, sich deshalb gegenseitig verdächtigen oder – noch schlimmer – Angst haben, die Anderen verdächtigen einen. Jene Kuliszene fällt mir dazu ein. Beim diesjährigen Jazzfestival hatte der Leiter seinen 50-Euro Kuli für ein paar Minuten im Backstageraum liegen lassen. dann war er weg. Schuld quoll aus allen Ecken. Der Täter wurde nie gefasst. Die Verdachte bestehen bis heute.
ist „verdachte“ echt der plural?
ich sah im sommer mal einige autos mit offen stehenden kofferdings- und fragte mich, ob es dafür einen plural gibt- kofferräume hört sich komisch an.
verdachte auch!?
aber schön gefurzt und gegleichnisst…
Aber für Verdacht muss es doch einen Plural geben, so wie es ihn auch für Verdächtigung gibt, oder?
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