Herr Irgendlink ist zu einem abscheulichen Monster mutiert. Die Mutation ist so weit fortgeschritten, dass er nicht mehr vom Ich spricht. Drei Leben hat er in eines gepackt. Ein gelungenes .tgz-Archiv (Windows-User würden es als .zip-Datei bezeichnen) mit hoher Kompression.
So nudeln die Tage. Herbst senkt sich über das Land. In der dreiviertel Stunde, die Herr Irgendlink täglich hinüber radelt zu seiner Arbeitsstätte, fühlt er sich wie im Urlaub. Seine Augen kratzen am Horizont und schummeln dem Geist ein fremdes Bild; Geschmack von Ferne auf Grund multipler Erinnerungen an Früheres, denn der Horizont – wenn man ihn genau betrachtet und alles vergisst, was man weiß – ist ein Vorhang vor dem Fremden. Gut und gerne wäre es möglich, dass hinter Dingen, von denen man glaubtzuwissen, nicht das liegt, was man denkt, dass es dort liegt. Somit erhebt sich das Dörfchen K. in den Status einer fremden, geheimnisvollen Gemeinde, verschlafen irgendwo in einem nordischen Fjord. Man schmeckt die See und ein eiskalter Wind aus Nordwest suggeriert Arktis oder noch ein wenig mehr. Ach, das Dörfchen K.! Dort kehrt Herr Irgendlink allmorgendlich ein und kauft der dicken Bäckerin vier Brötchen ab und manchmal auch ein paar Pralinen, die er dem Kollegen T. auf die Arbeit mitbringt. Die Dinge gaukeln wie im Hamsterrad und so Vieles wiederholt sich im tägIichen Rund. Es wäre da zum Beispiel der kleine schwarze Hund zu nennen, ein fieser Schnapper, der das letzte Haus in der Lieselottenstraße, mitten auf Herrn Irgendlinks Arbeitsweg, bewacht: täglich das unisone Spiel wie er Herrn Irgendlink anbellt und sogleich sich die Vorhänge hinter dem Fenster bewegen, Herrchen kurz nach dem Rechten schaut und sich vermutlich wundert: „Schon wieder dieser werktätige Penner, die Uhr könnte man nach dem stellen.“ Aber der Hund kapiert das natürlich nicht.
Ignorierend die fetten Nebel in den Tälern der Saarpfalz strampelt Herr Irgendlink alltäglich seines Weges und der Computer in der Fahrradpacktasche und die schwere neue Kamera und all die Klamotten, die er mitschleppt, fühlen sich an, als sei er schon seit Wochen unterwegs. In der Tat hat Herr Irgendlink in den letzten Wochen, pendelnd per Rad zur Arbeit, gut 2000 km zurück gelegt. Deshalb ist er nur noch Haut und Muskeln und seine Umgebung sorgt sich um ihn.
„Musst doch was essen, Junge“, bemuttert man ihn.
Dann lächelt Herr Irgendlink und antwortet: „Gewicht schwankt. Das ist ganz natürlich.“
Was die Orientierung betrifft, ist Herrn Irgendlink klar geworden, dass es sie gar nicht gibt. Denn alles beruht auf Annahmen und willkürlichen, bzw. mehr oder weniger gewachsenen Vereinbarungen. So könnte man natürlich behaupten: der Mann fährt nach Westen. Aber bitteschön, er kann doch nur nach Westen fahren, weil irgendwann jemand den Westen erfunden hat. Gäbe es keinen Westen, so müsste es heißen, der Mann kommt aus Osten. Aber auch hier ist das Dilemma vorprogrammiert: Hätte man vergessen den Osten zu definieren, woher käme dann der Mann und wohin führe er?
Oder die Minute, sechzigstel Untertan der Stunde (hier beißt sich Chronos mit Kairos; mit Kairos hat Herr Irgendlink durchweg gute Erfahrung gemacht, Chronos hingegen ist leidig), gewiss ließe die Minute sich mathematisch begründen und aus der Konstante Pi herleiten. Es führt zu weit, sich weiter darüber auszulassen. Nicht jetzt, nicht in Phase 3, Orientierungslosigkeit.
gut, dass es sie nicht gibt. das weiß ich jetzt und brauch mir darüber schonmal keine gedanken zu machen.