Hüpfend auf dem Gymnastikball, das füttere die Bandscheibe, hat mir Trainer D. erklärt. Also habe ich den Ball vor den Computer gerollt, mich draufgesetzt – ich hocke an Rechner 2, dem niegelnagelneuen Medienrechner, welcher vor Musik platzt, habe ein paar Schallplatten programmiert, hoppele im Takt, schließlich ist es für einen guten Zweck. Mein ohnehin bizarres Künstlerleben hat sich in den letzten Wochen hochgradig bizarrisiert: Nach 13 Jahren arbeite ich in konkreter Situation – zudem in einer sehr coolen Firma. So dass ich kaum noch Lust habe auf das oft brotlose Künstlergeplänkel. Erstmals ist mein Kopf leer, sodass ich mich den stupiden Dingen des Lebens nach Herzenslust widmen darf.
Problem: ich weiß nun nicht mehr, wie ich dieses Weblog aufzäume. Der Gewinn an materieller Sicherheit bringt augenblicklich einen Verlust an Tiefe mit sich. Es ist, als ob man sein Lebtag in den Tiefen eines grauen Ozeans geschwommen ist und dabei erkannt hat, dass es keine Grenze gibt außer der Wasseroberfläche. Mein Ozean der Kreativtät und des künstlerischen Freischaffens hat, im Gegensatz zu herkömmlichen atlantischen oder pazifischen Ozeanen keinen Grund. Getreu dem Motto des großen Jack Kerouac gilt für den Kreativozean: „Schlage so tief wie du willst“. Es wird nie enden, es sei denn, du kehrst an die Oberfläche zurück (die Oberfläche ist der einzige Ausweg). Überleben in der rauhen See des Materialismus. Habe ich etwas verloren durch den Sinneswandel? Habe ich aufgegeben? Bin ich der Seelenverkäufer der Kunst, der Fliegende Holländer der Kreativität, ein einsamer Frachter auf hoher See, nie ein Hafen in Sicht, an dem man die Ladung löschen könnte?
Neulich dachte ich: das Weblog (welches Teil des Künstlerdaseins ist) macht keinen Sinn. Lösche es. Ein Gedanke, den ich letztmals vor ein paar Jahren hatte. Zweifel schwimmen immer mit. Egal, was man tut im Leben.
Die neue Firma ist ein ungewöhnliches Unternehmen. Werben in den Stellenazeigen die üppigen modernen High-End Unternehmen mit Schlagworten wie Gute Auffstiegschancen, so ist es bei uns genau umgekehrt: alle sind auf ähnlichem Niveau und werden danach bezahlt, worauf sie Lust haben (freie Zeiteinteilung, aufgabenzentriertes Management). Alle stehen auf gleicher Höhe und es gibt kein Gerangel um Posten an der immer enger werdenden Spitze der Pyramide. Die Pyramide gibt es nicht.
Zunächst dachte ich, das ist doch totaler Quatsch. Aber dann kam mir der Gedanke, dass genau in der pyramidonalen Struktur moderner Unternehmen der Keim des Unglücks gärt. Ihr müsst nur einmal in ein solches Unternehmen hineinschnuppern und werdet schnell feststellen: die Mauern aus Eis, die sich kreuz und quer durch die Büros ziehen, die Angst, der Neid, die Missgunst – einfach abscheulich. Ich könnte in solchen Strukturen nicht arbeiten. Das ist der Schlüssel zu meiner ungewöhnlichen Person. Ich bin nicht geschaffen für die Leistungsgesellschaft. Nicht etwa, weil ich nicht leistungsbereit wäre, sondern weil mir das Wort Intrige fremd ist, und Neid, oh Schande; Unterwerfung und Unterjochung, welch Grauß. Deshalb – es dämmert mir, bin ich so desperat, so aussätzig – an allgemeinen Umständen gemessen so abgrundtief minderwertig und nicht zu gebrauchen ;-). Lieber würde ich verhungern, als in einem Büro mit Wänden aus Eis zu arbeiten.
Man könnte sagen, ich bin zu stolz, zu hochnäsig, zu wenig demütig, zu inkooperativ, viel zu gut für diese Welt.
Dennoch ein Teil davon, tue ich mein Bestes, sie zu verändern. Verändern ist das Schwerste, was ein Mensch tun muss. Er muss es tun, oder er wird krank. Ein schweres Schicksal hat der Glücksuchende. Aber es gibt Hoffnung. Um es mit den Worten von Freund T. zu sagen: „Jedes System hat seine Lücke. Finde sie. Nutze sie, erfreue dich an den verblüffenden Ergebnissen, die du erzielst – die Lücke im System passt immer. Genau wie ein guter Wanderschuh.“
Brich endlich auf.