Stefan Münz‘ – im Beitrag untendrunter – verlinkter Artikel, hat mich auf eine Spur geführt, die derzeitigen Probleme mit der Kunst zu analysieren. In einigen, auf privat geschalteten Beiträgen in den letzten Tagen – sie werden nicht öffentlich angezeigt, spielen zum Verständnis keine Rolle, balancieren hart an der Larmoyanz-Klippe – habe ich folgendes Problem umrissen:
In der irgendlinkschen Datenbank liegen zigtausende Bilder, die bei ihrer Entstehung dazu vorgesehen waren, zu großen 1×1 Meter Bildtafeln montiert zu werden wie zum Beispiel meine Hausnummern-Serie.
Ich drohe an der Masse der Daten zu scheitern. Das neue Verboten-Blatt kostet unglaublich viel Zeit, so dass ich kaum Lust habe, aus der Sammlung von Verboten-Schildern ein großes Ganzes zu montieren. Ich liege wehrlos auf dem Opferstock der Datenflut.
In Stefan Münz‘ Beitrag wird der Unterschied zwischen Blog und Wiki angerissen. Blog ist chronologisch. Der neueste Beitrag steht immer oben. Es gibt, abgesehen von einigen Kategorien (wie etwa hier im Blog dem Zettelkasten) wenig Sortierungskriterien. Wiki hingegen ist themenbezogen. Alle Beiträge werden getaggt und in Rubriken sortiert.
Ähnliche Muster erkenne ich in der Bilderdatenbank: Kreuz und quer verteilt liegen die Einzelfotos, welche alleine gezeigt meist wertlos sind. Erst wenn man sie zu Themen fasst und nebeneinander zeigt, entsteht eine eigenwillige Brillianz. Es ist wie Puzzle. Ein Stück ansich macht keinen Sinn. Erst wenn man die richtigen Elemente miteinander verbindet, entsteht ein Bild.
Seit 15 Jahren in der Chronologie-Falle gefangen, kein roter Faden zu erkennen. Alle Fotos enthalten Aufnahmedatum und neuerdings auch Geodaten. In den drei Hauptdisziplinen, Fotokunst, Schreibkunst und Lebenskunst stehe ich vor dem gleichen Problem: die Essenz dessen, an was man arbeitet, wird gestört durch das Hintergrundrauschen unnützer oder am falschen Platz sitzender Daten. Buchschreiben und Bildtafeln arrangieren und Lebensweg haben also eines gemeinsam: Das Rohmaterial ist da, aber es muss sortiert werden.
Kann es klappen, das eigene Leben zu taggen, Brotkrümel zu streuen, das Gewirre aus Spuren, denen man einst folgte, mit einer neuen, geradlinigeren, eindeutigen Spur zu überlagern? Ich glaube, darin liegt die große Herausforderung.
Noch vor fünf Jahren war ich überzeugt, dass ich Wege, die ich selbst beschritten habe, mühelos wieder beschreiten könnte. Heute weiß ich, ich habe mich auf meiner eigenen Landkarte verirrt. Natürlich wäre es möglich, den zurück gelegten Weg in umgekehrter Richtung zu verfolgen. Die Zeit umzukehren. Sehr aufwändig. „Was du brauchst, Mann,“ murmele ich vor mich hin, „ist eine Autobahn durch dein bisher gelebtes Leben.“ Mit Ausfahrten und Rastplätzen (entsprechend deinen Hauptthemen in der Kunst und beim Schreiben).
Zusammenfassend kann man sagen: die chronologische Methode ist bei Weitem leichter, als die thematische Methode. Chronologisch heißt spazieren gehen, nicht stehen bleiben, die Flüchtigkeit des Moments skizzieren. Die thematische Methode hingegen erfordert Disziplin, Stillstand, Besinnung, Fleiß und jede Menge Geduld. Womit ich wieder bei der Jeden-Tag-ein-bisschen-Methode gelandet wäre. Jeden Tag ein Bild auf einer Bildtafel gesetzt, und in zwei Monaten ist das Gesamtwerk fertig. Jeden Tag nur eine Seite schreiben, und in einem Jahr ist das Buch fertig. Jeden Tag nur 100 km radeln, und in drei Wochen ist man in Sizilien.
(Anmerkung zur Hausnummern-Serie: diese Art Bildtafel lässt sich natürlich einfach montieren, da es sich um stinknormale 10×15 cm Fotos handelt, welche man binnen einer Stunde mit dem Bildprogramm setzen kann. Bei der Verboten-Serie liegen komplizierte Bildbearbeitungen vor, so dass es vorkommt, dass man für ein Einzelbild schon eine halbe Stunde benötigt, um es zu verwenden. Die Hausnummern-Serie besteht mittlerweile aus vier Bildtafeln und reicht von Eins bis 221.)