Ich sah den Busen – oder wars etwa die Liebe?

Vor sieben Jahren, als ich in meine Geburtsstadt zurück gekehrt bin, wusste ich nicht, warum eigentlich. Vermutlich war es eine Flucht vor der Frau, die ich liebte – sie mich aber abgeschrieben hatte. Schade, dass das so oft im Leben so läuft. Insgeheim träumt doch jeder Mensch von der ewigen Liebe, vom ersten Augenblick an durch die schwappenden Höhen und Tiefen der Innigkeit.

Den Wenigsten ist das vergönnt. Manche lieben nie. Manche lieben immer und werden unweigerlich hie und da enttäuscht. Die Liebe zu finden oder wahlweise sie zu verweigern ist vielleicht das, was uns Menschen antreibt. Schreibe dies mit meinen männlichen Ideen, unwissend, wie es vielleicht in Frauen vorgeht. Vielleicht sind sich die Geschlechter ähnlich? Unser Weg ist gepflastert von den grünen Steinen des Schmerzes und den gelben Kacheln der Freude, hie und da ein roter Stein der Lust, wieder ein paar Schritte weiter die schneeweißen Fließen der Vernunft.

Als ich zurückkehrte in diese Stadt war ich entwurzelt, mehr noch, mir wurde bewusst, dass ich von Kindsbeinen an entwurzelt war. Ein Desperate Artist in einer unheimlichen, kaum fassbaren Welt. Niemand kann das GANZE verstehen, also studierte ich BWL, weil es so fern der Kunst schien, so durch und durch kalkulierbar – ich war der FDP-Abgeordnete der zeitgenössischen Kunst. Mit Wirtschaft, kalkulierte ich blauäugig, kommst du überall hin, kannst alles erreichen, Macht, Aufmerksamkeit, Ruhm, Ehre – schnickschnack. Ein kaltes, herzloses Metier, in dem ich mich eins ums andere in die eine oder andere Komilitonin verliebte. Zeitverträge zwischen Menschen ohne Herz.

Damals wurde mir auch der Panzer bewusst, den einjeder für sich baut – nuja, vielleicht baut man den Panzer, der einem vor allem schützen soll gar nicht freiwillig. Vielleicht entsteht er im Laufe der Zeit, ähnlich wie Sinterplatten in Tropfsteinhöhlen. Wir Menschen sind langsam wirkendes Gift, dazu bestimmt, das Gefühl, welches von Natur aus in uns wohnt, zu töten.

Vor einigen Wochen sah ich den Busen zwischen schwarzen Spitzen, was mich entzückte und für ein zwei Stunden das Gefühl von Verliebtheit aufkommen ließ, aber als ich mir kurze Zeit später die Augen rieb wie nach einem Traum, war mir klar, wie sehr wir beide in einem statischen Konstrukt aus Kalkül festhingen – für eine Sexbeziehung hätte es vielleicht gereicht. Auf den schneeweißen Fließen der Vernunft lebt sichs kalt und steril.

Das alltägliche Markttreiben mittelalter Menschen.

Nu hockst du schon sieben Jahre hier auf dem einsamen Gehöft und weißt noch immer nicht, warum, dachte ich. Manchmal drängt sich mir das Gefühl auf, ich folge einer höheren Bestimmung, bin dazu auserkoren, Konflikte zu glätten und die Menschen miteinander zu versöhnen. Das Vernunftmodul im Hirn schaltet aber ruckzuck auf roten Alarm und meldet, das bist nicht du, du tust so etwas nur, weil du es von Klein an so gewöhnt bist, weil irgendwann ein Riss in deinem Harmoniegefüge entstanden ist, den du seither nie wieder gesehen hast, aber überall, wo du ähnliche Risse findest, schließt du sie nach Kräften. Es ist als wandelst du über einen frühzeitlichen Erdball, damals, als es noch gar kein Leben auf der Erde gab, brodelnd heißer Planet, wasserloses Land, Giftgas in der Atmosphäre, stets mannigfache Risse unter deinen Füßen, welche es zu schließen gilt.

Heute war ein guter Tag. Vom Balkon dem kalten Ostwind entgegen pinkelnd, starrte ich den Sternschnuppen entgegen, wünschte mir dies und das und es war plötzlich klar, dass es mit den Wünschen gar nichts werden muss, weil ja sowieso alles vorhanden ist. Man weiß es nur nicht zu würdigen.

Zurück zur Liebe: sie ist immer da. Verborgen unter den Sinterplatten des gelebten Lebens pocht sie mit jedem Jahr zwar weniger deutlich. Wie ein Herz, das langsam seinen Dienst versagt. Oder wie ein Freund, der sich redend verabschiedet und der mit jedem Meter leiser wird. Aber sie ist da. Und wer daran glaubt, der kann den Panzer durchdringen.

3 Antworten auf „Ich sah den Busen – oder wars etwa die Liebe?“

  1. Hallo,
    da kann ich nur Herman van Veen zitieren:
    ..“hörst Du denn nicht den Trommler, der beharrlich in Dir schlägt, der Dich trotz aller Gegenwehr auch durch Feindeslager trägt, hör auf ihn er sagt Dir was, wenn er sich nicht mehr regt, ist das ein Zeichen dafür dass sich gar nichts mehr bewegt.“
    –Und man muss nur genau hinhören und die Balance zwischen Geist (im Sinne des engl. Spirit) und Verstand zu finden wissen.
    Oder wie Leo Buscaglia sagte „Leben-Lieben-Lernen, Brücken bauen, nicht Barrieren“.

    Liebe Grüße
    Beate

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