Diese Kneipe weit draußen, fast schon zu Hause auf dem einsamen Gehöft – musste ich auch unbedingt noch vorbei stolpern? Okay die Kneipe lag auf dem Weg. Dinge auf dem Weg sind meist verheerend. Sie sind wie vor Unwetter vermummte Menschen, denen man beim Spazieren im Wald begegnet und denen man aus purer Höflichkeit einen Gruß bietet. Daraus entwickeln sich manchmal bizarre Gespräche, die weit mehr über das unbekannte Gegenüber verraten, als man es sonst nur bei guten Freunden nach langen Jahren erfährt.
Halloween. War eigentlich mit merkwürdigen Damen verabredet, aber irgendwas lief schief, so dass ich alleine vor meinem Bankautomaten stand, SMS-end, Geld ziehend, nicht wissend, was in der Nacht noch zu tun wäre. Nur noch ein letztes Bier in der Kneipe oben auf dem Berg, knapp 2 km vom einsamen Gehöft entfernt. Die Kneipe war proppenvoll mit schwarz gekleideten Typen, wuchtigen Damen, die sich die Wimpern bis zum Ohr geschminkt hatten. Dunkle Musik per DJ. Kaum ein Platz am Tresen. Stimmung düster, aber ganz nach meinem Geschmack (düstres Cure oder noch düstrere Joy Division wäre ein Kindergarten dagegen gewesen – da war mehr, da war das dunkle, verruchte, Unbekannte).
Paar Leute die ich kannte, die mich zu Tisch baten, direkt neben einem Tisch mit Ladies. Konnte ich nicht verstehen, warum die Ladies so alleine an ihrem Tisch saßen. Ich saß Rücken an Rücken mit einer bis zum Ohr Geschminkten, überlegte ein Gespräch. Etwas Zufälliges, wie „Oh, ich hab dich angerempelt, tut mir Leid, tolle Stimmung, bist du öfter hier?“ Was Männern in solchen Situationen eben so durch den Kopf geht. Ich formulierte die Standards, aber die Frau gab sich schweigsam. Harter Brocken. Also weiter Musik lauschen. Der DJ leistete ganze Arbeit, verwandelte den Tanzraum trotz depressivsten Gothic-Klängen in einen Schmelztigel der Wollust. Eine knallrot gekleidete Krankenschwester – Latex war im Spiel – tanzte exzessiv. Alle starrten hin. Auch die Ladies. Sind sie lesbisch? Ein Punker rempelte sich bis ganz nach vorne, rotzte wüst aus dem Nasenloch, das gefällt, das hat Stil, das passt. Die Typen, die ich kannte, gierten in den Raum. Gierten hinüber zu dem Tisch mit den Ladies, direkt hinter meinem Rücken. Ich war in einer beschissenen Position, aber was solls. Den Ladies-Tisch taufte ich auf den Namen Ficktisch. Man beschönigt in solchen Zuständen gerne die Dinge. Einer der Typen bei uns am Tisch wagte sich, die Ladies anzusprechen, scheiterte in klagvoller Stille. Das tat weh. Anyway. Viel Bier floss und die seltsamsten Menschen stolperten herein, weiß nicht, ob sie halloweenverkleidet waren oder immer so rumlaufen. Beim Bierholen blieb ich bei einer Korsettträgerin hängen. Mageres Vieh. Sie schlürfte Sekt. Eins, zwei, drei vier und noch viel mehr. Ihr Tatto auf der Schulter, chinesischer Drache, standard, bannte meinen Blick. Gut so. Muss ich nicht in den Tiefen des Ausschnitts wühlen. Sowas ist ja immer peinlich. Weiß nicht, wieso es so enden musste.
Vielleicht ist unser kleines feines Menschenleben einfach nur von ganz profanenen Parametern bestimmt: der Weg nach Hause führt vorbei an den Verlockungen der Hölle, korsettiert oder nicht, aber irgendwo, kleiner Mensch, bleibst du immer hängen auf deinem ziellosen Weg durch die Nacht … oder?