Gefühle, denke ich so für mich hin, während ich den Wagen durch die Feierabendstadt steuere, sind doch das Beste, was es gibt auf der Welt. Die guten Gefühle durchwirken das Sein, die schlechten sind wie ein bohrender Finger in der Leistengegend: Geh‘ weg da, hör‘ endlich auf. Trotzdem sind sie da und haben ihre Berechtigung.
Diesertage war ich ziemlcih überrascht, dass sich zwischen all den Gefühlen, die man alltäglich durchlebt, ein neues Gefühl eingeschlichen hat. Etwas nie Dagewesenes: das Gefühl der totalen Erschöpfung.
Ich wartete vor einer Ampel, umringt von Feierabendautos voller müder Menschen. Meine Augen drohten zuzufallen. Trotzdem war ich angespannt. Im Radio spielten sie feinen Reggae, was mich an die Iles des Saintes in der Karibik denken ließ. Lang lang ist’s her. Seltsam, wie real längst Vergangenes wird, wenn man die richtige Musik dazu hört. So lebten auch die seltsamen Gefühle, die ich damals hatte wieder auf. Reggae, der sich anfühlt wie eine halbvolle Flasche Rum in der Hand und diese tropische Hitze. Die Nacht ist kaum eine Erleichterung. Und die Moustiques – beaucoup plus, das heißt zu Viele davon – stechen dich zusammen ohne Gnade. Irgendwo wummert die Disse voller Nachtschwärmer und du hast dich auf den nahegelegenen Friedhof zurückgezogen, lehnst am Grabstein eines Jean Baptiste sowieso, Nachfahre von Sklaven, gestorben 1916. Der Mond scheint und du stellst fest, du bist nicht der einzig Lebendige auf dem Friedhof. Überall hinter den Grabsteinen stöhnen Pärchen, geradezu obszön und die Nutten flitzen umher auf der Suche nach besoffenen Touristen, so wie ich. Ein Blowjob 300 Franc. Der Rum sitzt mir in den Gliedern. Raubt mir die Sinne. Vielleicht träume ich all das nur? Ein Blick in den längst abgelaufenen Reisepass verrät, ich war tatsächlich da.
Was hat das alles mit Gefühlen zu tun?
Nun, sie sind immer da, man schwimmt in ihnen wie die Fliege in der Suppe und sie werden von den abstrusesten Begebenheiten ausgelöst. Musik zum Beispiel oder Geruch oder einfach nur eine Stimmung.
Die Ampel springt auf Grün. Ich lege den ersten Gang ein, brause mit 60 Sachen durch die Innenstadt. Am Himmel stehen haushohe Wolken. Ich hoffe auf Regen und ein neues Lied im Radio, denn ich hab sie satt, die Karibik, so satt. Neues Lied, neues Gefühl, denke ich. Da spielen sie New Orders Blue Monday und verkünden, die Band habe sich aufgelöst.
Weiterweiterweiter, rausrausraus, hinauf zum einsamen Gehöft. Ich bin etwas konfus, denke: du solltest das alles aufschreiben und dem Ding den Titel Gefühle geben. Weiß nicht, ob es was nützt, aber nu isses da und so soll es auch stehen bleiben.
Kann ich sehr gut nachempfinden…
Stimmt! Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Da werden Operationen vorgeschoben, dabei sind das Radprofis.
ja, diese gefühle immer. beherrschen uns, treiben uns an und machen uns „müde“