Ein Tag wie Genf verlassen.

Ich versuche, regelmäßiger Sport zu treiben. Also ‚rauf auf’s Rad, runter nach Homburg. Dummerweise hatte ich den Nieselregen nicht bedacht, aber nun war der stählerne Hengst gesattelt, und, hey, in ’ner Stunde biste zurück und kannst trockene Klamotten anziehen.

Dichtes Gewölk, die Scheibenwischer der Autos liefen Intervall. Das ist der sogenannte Radlerregen. Regen, bei dem man nicht vollkommen durchnässt, der einen aber auch nicht trocken lässt. Regen, in dem man stundenlang radeln kann, ohne sich unwohl zu fühlen.

Ich musste an Genf denken. Ich kenne Genf im Winter. Eine graue Suppe wie heute hängt über der Stadt und die Thermometer an der Ausfallstraße zum Flughafen zeigen 3 Grad. Auf glänzendem Asphalt strebt man der französischen Grenze entgegen. Die Gegend westlich des Lac Leman ist hügelig. Wenn kein Nebel herrscht, kann man im Süden die Alpen sehen und im Nordosten das Juragebirge. Im Winter dort zu Radeln heißt, sich Alpen und Jura in der Phantasie zu malen, meinetwegen nach einer der Postkarten, die man zuvor geschrieben hat und auf denen Berge und blauer Himmel und Kühe zu sehen sind. Es heißt auch, im dichten Stadtverkehr zu fahren bis fast zur Grenze, stets hoffend, die Sonne bricht irgendwann durch, denn Genf, das ist doch das Tor nach Süden, oder?

Weit gefehlt. Die Rhone schlängelt sich durch ein kaum durchschaubares Tal, so dass man über Stock und Stein und steile Straßen irgendwie Richtung Lyon finden muss.

Eine Gegend nicht unähnlich meiner Heimat, der Saarpfalz.

Wohl deshalb schwelgte ich in Erinnerung. Die Stimmung und die Atmosphäre stimmten überein mit „Genf verlassen.“

Vielleicht war es dieses esoterische Gefühl, eins zu sein mit dem Universum, welches die Erinnerung so lebendig machte. Nicht mehr trennen zu vermögen, ob man Regen ist, Wolken, Lunge, Luft, Wiese, Landstraße oder Radler.

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