Ist Randy wirklich der Held für den ich ihn halte?

Der erste Radeltag. Der Körper hinkt. Das Leben ist nur noch ein Hauch.

Das Thermometer auf der Südterrasse zeigte 32 Grad bei voller Sonneneinstrahlung. Theoretisch wäre es möglich gewesen, nackt in der Hängematte zu liegen und sich einen Sonnenbrand zu holen. Auf die Südterrasse bin ich so stolz. Gute Freunde nennen sie die „Toskana“. (Fehlen nur noch die Pädagogen ahaha mein Gott, das hätte gerade noch gefehlt!).

Fahrrad gesattelt, runter in die Stadt, einen Geocache drüben auf der anderen Seite gesucht und mich bis ins Klosterstädtchen Hornbach durchgemogelt. Das ging ganz schön in die Knochen, weil die Gegend hier so bergig ist. Der Geocache lag neben einem alten Westwallbunker. Etwas, was für diese Gegend kennzeichnend ist. Mitten im Wald findet man baufällige Betonbauten und Panzersperren.

Das Licht war brilliant. So radelte ich zwischen Ackerfurchen und Haselnusssträuchern hinüber zum Unfallort von Randy. Randy ist ein Straßenopfer. Keine Ahnung wie es geschehen ist, aber seine Gedenkstätte ist bestens gepflegt. Immer wenn ich daran vorbei fahre, beneide ich ihn ein bisschen, weil seiner nach all den Jahren noch immer gedacht wird. Wegen des seltsamen Namens dichte ich ihm an, er war Amerikaner. Jemand muss ihn sehr lieb gehabt haben.

Der Straßengraben lag voller Weinflaschen, Wodkaflaschen. Neben der Ausfallstraße nach Frankreich gab es so eine Art Beckerbierzeile: zig leere Bierdosen wie man sie im Nachbarland pfandfrei kaufen kann. Ich musste an den 1. April 2005 denken, als ich mit Kokolores die Annweiler Straße entlang spazierte und wir uns wunderten, wieviele Schnapsflaschen im Straßengraben liegen. Hier muss ein Säufer wohnen, oder ein frustrierter Mensch sagte ich. Ich glaube, Kokolores sagte, Säufer sind immer frustriert. Wir passierten das Haus Nummer 1. Später saßen wir im Kofferraum ihres Autos und schwätzten dies und das. Das war unser erster Tag in der realen Welt.

Seltsam, wie die Blitze der Erinnerung manchmal zucken. Ich keuchte die Kreisstraße Soundsoviel hinüber ins Klosterstädchen, schon reichlich unterzuckert, da brauste ein komischer roter Schlitten an mir vorbei, ging quietschenden Reifens in eine S-Kurve. Schwanz, dachte ich, ja, genau, Mann, dein Auto ist der Schwanz, den du nicht hast.

Ob Randy auf solch fahrlässige Weise zu Tode kam? Ist er womöglich gar nicht der unschuldige Held für den ich ihn halte, sondern nur ein Opel-Corsa Proll, tiefergelegt, unachtsam an mächtigem Baum?

Und wird trotzdem vermisst.

Später, beim Anstieg zum einsamen Gehöft, war ich froh, dass am unteren Punkt der steilsten Straße der Stadt eine Tankstelle ist. Ich kaufte Schokoriegel, lümmelte neben dem Mülleimer, aß, trank Wasser und stellte mir vor, unterwegs zu sein, niemanden zu kennen, die Stadt bedrohlich zu empfinden, aber das wollte nicht so ganz gelingen.

Erst als der Mond aufging und die Luft eigenartig friedlich roch, kam ein bisschen Reisefeeling auf.

Aber da war ich schon fast wieder zu Hause.

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