Heute war Packtag. Oder soll ich besser sagen, Packstunde? Denn viel länger hat es nicht gedauert, alle Reiseutensilien auf einen Haufen im Atelier zu werfen. Jetzt sind es nur noch zehn Tage bis ich mich auf den Weg zum Nordkap mache.
Obwohl sich mein „Reisehaufen“ innerhalb so kurzer Zeit gefüllt hat, ist das Packen eine grausige Angelegenheit. 1995 war das viel einfacher. Es war haptischer, primitiver, ich möchte fast sagen animalischer: Klamotten, Zelt, Schlafsack, Kocher, Fotoapparate, Notizbuch, Kuli, Filme. Mehr nicht.
Heute kommt noch ein ganzer Rattenschwanz an technischem und virtuellem Material dazu. Um immer online zu sein, sorge ich für Redundanz. Statt einem Ladekabel braucht es zwei. Statt einem Ladegerät dito. Mag sein, dass das die Hosenträger und Gürtel des digitalen Zeitalters sind? Solarzelle. Ersatzakkus, Kameraladegerät, Laderegler für den Fahrraddynamo, ein winziger Adapter von USB-A auf USB-B, eine Büroklammer, um das Simkartenfach des Telefons zu öffnen … was für eine elende Materialschlacht.
Ich erinnere mich, dass ich auf der Nordseerunde in Schottland, als mir der Strom fürs iPhone ausging sogar so eine Art Scottie-ische technische Trickserei durchgeführt habe – Startrek-Fans wissen, wovon ich rede: Scottie war der Chefingenieur des Raumschiffs Enterprise, der in Notsituationen immer aus irgendwelchen Teilen irgendeine Notlösung zurecht friemelte und das Schiff rettet. Was war ich stolz, als mir die Idee kam, den Kameraakku der Nikon über den Gleichrichter am Fahrraddynamo in einen iPhone-tauglichen Akku umzufüllen und so meinen morgendlichen Blogbeitrag zu übermitteln, obwohl scheinbar alle Energiereserven aufgebraucht waren.
Das Problem wird sich auf der kommenden Reise #AnsKap hoffentlich nicht einstellen. Eine achtzig Zentimeter lange Solarzelle mit 14 Watt leistet seit einigen Tagen ihren Dienst im Hause Irgendlink. Auch bei bedecktem Himmel liefert sie Strom. Zudem gibt es einen verbesserten Gleichrichter, der das gesamte Volumen des Fahrraddynamos ausschöpft und der ungefähr eine iPhoneladung pro 70 Kilometer liefert.
Außerdem ist da ja noch Herrn Irgendlinks Gespür für Steckdosen. Ich kann die mittlerweile riechen. In leerstehenden Festzelten, vor Kirchen, an Laternenpfählen, in Häfen, wo auch immer.
Das Komplizierteste am Packen 2015 ist jedoch nicht das Material, sondern die virtuelle Ausrüstung: Software, die mir das Fotografieren erleichtert, die mich mit dem Server verbindet, mit den sozialen Medien und die dazugehörigen Passworte und Logins. Sogar ein Programm zum Webserveradministrieren ist im Gepäck, das ich hoffentlich nie brauchen werde.
Mir raucht der Schädel. Ich muss verrückt sein. Ebenso besessen wie fasziniert fiebere ich dem Projekt entgegen. Ich wünschte, es wäre schon Montag in acht Tagen. Ich auf dem Radel in der Gegend um Waldmoor auf dem Saarlandradweg hinauf zum Höcherberg, rüber zur Nahe, runter nach Bingen, ein kurzes Stück den Rhein entlang, stets den Flüssen folgend …
PS: übervorsichtigen Menschen sagt man hier in der Pfalz scherzhaft nach, sie tragen Gürtel und Hosenträger.
In der Rubrik Ans Kap werden alle Artikel der Reise zusammengefasst.
Eine Kurzfassung, die wöchentlich montags erscheint, findet ihr in dieser Rubrik, die ich eigens für diejenigen, die nicht täglich lesen mögen, schreiben werde.
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