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Surfen auf einer stets brechenden Welle aus Bimmelbahnen
„Reisen unter Realbedingungen“, so lautete meine Mission für die Radtour durchs Elsass in die Schweiz in der vorletzten Woche. Ich berichtete über die Reise teils „in echt“, also unterwegs schreibend (einige Artikel zuvor), teils im Nachhinein und nun noch in diesem Artikel, ein Nachzügler-Bericht vom allerletzten Reisetag auf dem Rückweg. Noch etwa 70 Kilometer bis nach Hause. Regen und Sturm sind angesagt. Ich habe ein wunderbares Zeltplätzchen nahe der französischen Grenze im Pfälzer Wald gefunden. Eine Wiese direkt neben dem Radweg. Eine Sitzbankgarnitur mit Tisch. Moosweicher Untergrund. Abends das Zelt trocken aufgebaut. Direkt daneben murmelt ein Bach. Die Straße nahe Hirschthal ist weit weg. Kaum Verkehr. Das Scheinwerferlicht dringt nicht…
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Von schwarzen Rittern, weißen Schwänen und schnurstracksen fünfzig Kilometern
Das Kap hat längst einen riesigen Raum eingenommen. Ständig muss ich ans Radfahren denken. An hügelige Landschaften zwischen Seen und Schären, durchwirkt von Mückenschwärmen. An Zeltplätze auf vollgesogenem, nassem Moos. An Mittsommer feiernde Menschen, die keine Nacht kennen. An ewiges Licht und Zeitgefühlsverlust. Die Taubheit der Sekunden, Minuten und Stunden kriecht langsam im streng getakteten Körper, der unterm Joch von Öffnungs-, Abfahrts-, Arbeits- und Sonstwelchenzeiten gar nicht mehr weiß wie das geht; die vollständige Losgelöstheit von von außen aufdiktierten Lebens- und Bemessenstakten. Eigentlich ein schöner Anblick wie das Zelt so da steht direkt am Kanalradweg im Abzweig des Rhein-Rhone-Kanals zum Colmarer Stichkanal. Ein Reiseradler fährt vorbei. Es ist noch früh.…
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Kunstmaschine
In dem „Knie“, das der Rhein-Rhone-Kanal mit dem nördlichen Colmar-Stichkanal bildet befindet sich ein frisch geeggtes Feld, gewiss mehrere Hektar groß, so viel ist in der Abenddämmerung zu erkennen. Es reicht von den die Kanäle säumenden Heckengebieten bis zu anderen Heckengebieten, durchzogen von kleinen Inseln aus Hecken, aber im Grunde ist es ein gut bearbeitbarer Acker, den man getrost mit einem GPS gesteuerten Gefährt bearbeiten könnte. Auf den Zentimeter präzise ließe sich die Saat ausbringen; vermutlich könnte man die kleinen wilden Inseln aus unwüstigen Hecken per App einprogrammieren, seine Hängematte zwischen zwei Robinien aufzäumen und gemütlich darin baumeln, während der Traktor stur seine Arbeit verrichtet. Von Süden steht ein strammer…
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Von Dreischichtbetrieb und langen geraden Radwegen – #mdrzl 2023/2 und 3
Die Straßburger Magnolienblüte kommt mir als erstes in den Sinn, wenn ich über Tag zwei und drei meiner Reise durchs Elsass in den Aargau nachdenke. Riesige Bäume mit großen weißen Blütenblättern in feinen Vorgärten und jede Menge Menschen mit allmöglichen Fotoausrüstungen, meist sind es Männer, die vor den Bäumen stehen und die Blüten ins richtige Licht rücken. Schneeweiß bis rosa.Der zweite Tourtag beginnt mit einer Panne, bzw. einer zwar vernachlässigbaren, aber nervenden Radelklapperei. Ich kann so nicht fahren. Der Schuldige, das hintere Schutzblech ist schnell ausgemacht und so sattele ich wenige zig Meter nah dem Aufbrechen am Rhein-Marne-Kanal wieder ab und versuche, herauszufinden, warum das Ding rattert, biege und schraube…
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Die Fluchtgeschwindigkeit des Radreisenden #mdrzl
Das Handy ist aufgewärmt. Ich auch. Ich hatte es bei Sonnenaufgang aus der Seitentasche des Zelts genommen und in den Schlafsack gelegt. Was gäbe ich jetzt um einen Kaffee. Sooo müde. Der Körper will nicht auf Touren kommen. Aber nein, der Herr musste ja das „Besteck“ daheim lassen, sprich den Trangiakocher und die zwar schäbige, aber gutmütige Brühe, die ein löslicher Kaffee im Zelt abgibt.Das Zelt steht in unmittelbarer Nähe der Gedenkstätte für ein Zugunglück vor vielen Jahren nahe Straßburg, genauer gesagt bei Vendenheim neben einer Art Gleisdreieck. Durchwirkt von Straßen und Gleisen. Abends donnern noch einige Züge vorbei. Nachts zum Glük nicht. Unheimlich sind die nicht beleuchteten Güterzüge, die…