Abstraktes Autoparken in Lugano

Im Spiegel des Schlafzimmers sieht man den Monte Soundso, eine beigefarbene Matte über silbergrauem Wäldchen, die dreieckig in den Himmel ragt. Wie ein Gemälde von Paul Klee, kaum zehn Kilometer entfernt. Unterm Monte Soundso, dessen Name mir gerade nicht einfällt, liegt das Dorf Bré. Auf der anderen Seite befinden sich der Monte Bré, Lugano, der Lago di Lugano, ein Berg, der aussieht, wie der Zuckerhut von Rio und dessen Name mir gerade auch nicht einfällt. Viele andere Berge. Im Süden ebbt das Gebirge, Chiasso und Mailand erahnbar unter Hochnebelfetzen. Wir haben die im etwa 30 Grad Winkel den Berg hinaufächzende Drahtseilbahn zum Bré genommen. Die schrägen Kabinen regen mein bauesoterisches Bewusstsein an. Der Mensch und seine Bewegungsmöglichkeiten, seine Chancen, seine Einschränkungen, Blind- und Taubheiten. Die Unerreichbarkeiten im Leben und wie sie dennoch erschlossen werden können. So muss sich ein Wissenschaftler fühlen, der mit der Pipette Säure auf Lackmus träufelt.
Vom Bré aus hat man eine wesentlich bessere Sicht auf die Matte in unserem Schlafzimmerspiegel zehn Kilometer entfernt. Und Lugano. Das, was sich mir im Landkartendenken immer als Kleinstadt offenbarte, sieht von Oben riesig aus. Ein Talkessel voller Häuser wälzt sich Richtung See. Parken in Lugano ist ebenso kompliziert, wie in Bern, wie in fast allen großen Städten der Schweiz. Das unbezahlte Ding sucht man vergebens. Die meisten Parkplätze sind zudem auf zwei Stunden beschränkt. Viel zu kurz für den Ausflug zum Bré.
In diesem Artikel hatte ich schon einige Möglichkeiten des abstrakten Autoparkens in der Schweiz erörtert. Nun kommt noch folgende Idee hinzu: Mit einem Eimer Farbe und Pinsel tarnst du dein Auto als Parkbank und stellst es unauffällig im Park ab.
Täuschend: im Bild rechts unser Auto, links die echte Bank.

Als Parkbank getarntes Auto in Lugano
Auf dem Monte Bré: Blick nach Süden über den Lago di Lugano.

Lago di Lugano gesehen vom Monte Bré
Das Dorf Bré oberhalb von Lugano.

Kirche in Bré oberhalb Lugano

Der Weg könnte eventuell das Ziel sein.

Guten Morgen. Schon spät.

Gestern, spätabends habe ich so etwas Ähnliches wie den 2400 Meter hohen Pyrenäenpass der Computerei erreicht: ein selbst zusammen gebasteltes Betriebssystem zum Laufen gebracht und mich obendrein mit dem Netz verbunden. Der Browser, den ich dazu verwendete heißt Lynx, ein reiner Textbrowser, welcher seltsamer Weise auch gut benutzbar ist, um Gestaltungsfehler in High-Tech-Design-Webseiten aufzudecken: Wenn Du mit Lynx nicht schnell und einfach den Inhalt der Seite lesen kannst, dann taugt die Seite entweder nichts oder sie hat keinen Inhalt. Beides macht keinen Sinn.

Man möchte vielleicht glauben, dass das Erklimmen von hohen Bergen mit vollbepacktem Fahrrad eine elende Schufterei ist, was ja auch stimmt. Nur eben. Es geht ja nicht um die Schufterei, sondern um das Zurücklegen des Weges im Einklang mit der Natur und sich selbst. Die schönste Alpenstraße, die ich per Fahrrad erkundete war der San Bernardino-Pass, von Süden kommend. Eine ruhige, pittoreske Strecke. Eine der großen Schweizer Fernradstrecken führt über den San Bernardino bis ins Tal des Hinterrheins. Somit ist die Strecke in zweierlei Hinsicht von hoher philosophischer Bedeutung: Erstens: Der Weg, du und die Natur in konspirativer Auseinandersetzung. Zweitens: Das Ziel ist eine Quelle, besser gesagt, eine der beiden Quellen des größten westeuropäischen Flusses.

Während ich so am Computersystem schufte, breite ich Bücher und Kritzelzettel aus, schalte vom einen aufs andere Betriebssystem, telefoniere mit Fachleuten, trinke Kaffee. Man könnte sagen, die Informationen häufen sich unter mir wie der Abraum kilometerlanger Gletscher. Nach und nach entsteht so ein Thron, auf dessen Spitze ein kenntnisreicher Mensch sitzt. Stets schuftend, schwitzend, lernenden, niemals aufhörend.

Eine interessante Eigenschaft von Bergen ist die Möglichkeit, seine Sichtweise zu verändern, indem man sie erklimmt. man erweitert buchstäblich seinen Horizont. Deshalb sind Berge in meiner bescheidenen Halbphilosophie so wichtig