Der Mensch unter mir

Nettes Spiel entdeckt im Funforum von tutorials. de

Dort heißt es „Der Typ unter mir“ – ich habe das eingemenscht.

„ich wollt hier mal ein kleines Spielchen anfangen, bei dem man einfach mal etwas über den Typen, der unter einem was postet schreiben soll. Ich fang mal an“

Okay, ich fang‘ dann auch mal an:

Der Mensch unter mir liest gerade dieses Weblog.

Könnte das Hohelied der Servertollpatschigkeit singen. Gut, dass mir dieser Fauxpas, der mich fast einen Tag Arbeit gekostet hat, nicht da draußen im Netz passiert ist.

Man lernt an seinen Fehlern. Ich kapiere den Apache und Mysql und PHP nun ein bisschen besser (und habe ein niegelnagelneues LAMP auf dem Rechner).

Derweil hat der Habicht 2 Hühner gerissen. Ich habe in der Galerie den Schriftzug SEX auf den Boden geschmiert. Es hat geregnet. Ist der Mai kühl und nass, füllt’s dem Homepagebauer Scheun‘ und Fass.

Abends fuhren die Arbeiter der benachbarten Baustelle LKW um LKW hinüber zu nachbars Acker. Den Abraum der Straßenbaustelle, guten Lehm, auf diese Weise zu entsorgen, spart ihnen Geld und dem Nachbarn vereinfacht es die Durchfahrt zwischen seinen Feldern, die hüben und drüben neben einer Erosionsrinne liegen.

Einen Geburtstag vergessen. Vielen Leuten kurzangebunden oder übermüdet begegnet.

Die Bude sieht erschöpft aus. Ich auch. Die 30 Stunden harte körperliche Arbeit vom letzten Wochenende haben mich den Montag und den Dienstag gekostet.

Gefühle

Gefühle, denke ich so für mich hin, während ich den Wagen durch die Feierabendstadt steuere, sind doch das Beste, was es gibt auf der Welt. Die guten Gefühle durchwirken das Sein, die schlechten sind wie ein bohrender Finger in der Leistengegend: Geh‘ weg da, hör‘ endlich auf. Trotzdem sind sie da und haben ihre Berechtigung.

Diesertage war ich ziemlcih überrascht, dass sich zwischen all den Gefühlen, die man alltäglich durchlebt, ein neues Gefühl eingeschlichen hat. Etwas nie Dagewesenes: das Gefühl der totalen Erschöpfung.

Ich wartete vor einer Ampel, umringt von Feierabendautos voller müder Menschen. Meine Augen drohten zuzufallen. Trotzdem war ich angespannt. Im Radio spielten sie feinen Reggae, was mich an die Iles des Saintes in der Karibik denken ließ. Lang lang ist’s her. Seltsam, wie real längst Vergangenes wird, wenn man die richtige Musik dazu hört. So lebten auch die seltsamen Gefühle, die ich damals hatte wieder auf. Reggae, der sich anfühlt wie eine halbvolle Flasche Rum in der Hand und diese tropische Hitze. Die Nacht ist kaum eine Erleichterung. Und die Moustiques – beaucoup plus, das heißt zu Viele davon – stechen dich zusammen ohne Gnade. Irgendwo wummert die Disse voller Nachtschwärmer und du hast dich auf den nahegelegenen Friedhof zurückgezogen, lehnst am Grabstein eines Jean Baptiste sowieso, Nachfahre von Sklaven, gestorben 1916. Der Mond scheint und du stellst fest, du bist nicht der einzig Lebendige auf dem Friedhof. Überall hinter den Grabsteinen stöhnen Pärchen, geradezu obszön und die Nutten flitzen umher auf der Suche nach besoffenen Touristen, so wie ich. Ein Blowjob 300 Franc. Der Rum sitzt mir in den Gliedern. Raubt mir die Sinne. Vielleicht träume ich all das nur? Ein Blick in den längst abgelaufenen Reisepass verrät, ich war tatsächlich da.

Was hat das alles mit Gefühlen zu tun?

Nun, sie sind immer da, man schwimmt in ihnen wie die Fliege in der Suppe und sie werden von den abstrusesten Begebenheiten ausgelöst. Musik zum Beispiel oder Geruch oder einfach nur eine Stimmung.

Die Ampel springt auf Grün. Ich lege den ersten Gang ein, brause mit 60 Sachen durch die Innenstadt. Am Himmel stehen haushohe Wolken. Ich hoffe auf Regen und ein neues Lied im Radio, denn ich hab sie satt, die Karibik, so satt. Neues Lied, neues Gefühl, denke ich. Da spielen sie New Orders Blue Monday und verkünden, die Band habe sich aufgelöst.

Weiterweiterweiter, rausrausraus, hinauf zum einsamen Gehöft. Ich bin etwas konfus, denke: du solltest das alles aufschreiben und dem Ding den Titel Gefühle geben. Weiß nicht, ob es was nützt, aber nu isses da und so soll es auch stehen bleiben.

Zweibrücker Trichter – Final

Begab sich, dass ich aus purer Gutmütigkeit und weil es auf dem Weg lag, für Künstler Sch. den Zweibrücker Trichter zur Ausstellung brachte. Da hatte ich aber die Rechnung ohne den Künstler gemacht. Er drückte mir eine Bohrmaschine in die Hand und 50 kg Quarzsand: „Da! Bohr‘ ein Loch und füll‘ das ein.“ Ich glaube, er sagte .Bitte. Zumindest lächelte er treu.

Bohr ich also Loch in die 25.000 Euro Skulptur, stecke den Trichter rein, Sand rinnt wie Zeit, aber langsam.

Während der Sand rinnt – und das dauerte gut und gerne eine dreiviertel Stunde – habe ich Zeit, über Zeit nachzudenken und über Sand und wie alles rinnt und vergeht im Leben. Die Sonne brennt. Die verrostete Skulptur fühlt sich warm an wie Körper. Langsam rieselt der Sand, ein akustisches Erlebnis, wenn man genau hinhört. Gebückt stehe ich über dem Stahlkollos. Mein Kreuz schmerzt. In der Ausstellungshalle schwitzen die Kollegen und arrangieren Bronzen zu harmonischen Ensembles. Ich verfluche diese Nichtstuer, weil sie nicht wie ich mitansehen müssen wie die Zeit rinnt.

Oder der Quarzsand. Einige Kilo gehen daneben, füllen meine Schuhe, setzen sich ins Gewebe der schmutzigen Jeans. Die Uhr schlägt Zwölf, Viertelnach, Halbeins, fertig. Ich ziehe den Zweibrücker Trichter aus dem Loch.

Um eine Erfahrung reicher. Was für eine Erfahrung? Gibst Du den Finger, nimmt man die Hand. Gibst du die Hand, kost’s den Arm. Gib mir ’ne Stunde und ich stehl‘ dir den Tag. Gib mir nen Tag und ’ne Woche und pack‘ noch ein paar Monate drauf, dann nehm ich dein Leben?

Künstler Sch. sagte: „Danke! Danke, Mann.“ Und ich weiß, es war nur ein Tausch.

Schrödingers Zecke

Freitag Kulturmarathon. Drei Ausstellungen eröffneten zeitgleich in der Stadt. 6×6 Foto, Irgendwas und noch irgendwas Anderes. Das erste Irgendwas und das 6×6-Event habe ich zusammen mit Journalist F. besucht. Während man die althergebrachte Fotografie und den Verzicht auf Datenrückwände hochleben ließ, raunte mir Journalist F. zu: „Du hast einen Termin.“

„Wassen für Termin?“

„Ausstellungsbesprechung im Klosterstädtchen, Malerei und Foto. Samstag 14 Uhr“

Auch das noch. Die Kunst quillt aus allen Poren.

Bei der Redakteuerin vor einigen Monaten in Ungnade gefallen, weil ich grundlegend unerreichbar war, hat sie mich Schläfer nun reaktiviert und ich darf wieder für die Zeitung schreiben.

„Ich muss wohl noch einmal ganz Unten anfangen? Als Putzlappen?“

Journalist F lächelte.

Das Zweite Fotoevent bescherte einfache, aber perfekt ausgeleuchtete Portraitaufnahmen. Nackte Frauen. Nackte Frauen mit Piercings. Nackte Frauen mit Unterhosen, nackte Frauen mit Tatoos, nackte Frauen mit Tattoos von nackten Frauen sowie nackte Frauen mit Strapsen. Viel zu abgeschmackt, als dass es das Auge erfreuen könnte.

Wir rauchten eine Kippe und beschlossen zu grillen und zu chillen.

Journalist F. rauschte später mit mehreren Kilo Grillfleisch und Katzenfutter an.

Katzter soll schließlich auch nicht leben wie ein Hund.

Mit imaginären Teufelshörnchen auf der Stirn öffnete Journalist F. eine Dose Sheba.

„Deine Katze wird nie wieder etwas Anderes fressen wollen,“ höhnte er.

„Verdammt.“

(Dafür werde ich ihm an seiner Geburtstagsparty Klarsichtfolie über die Toilette spannen …)

„Wie heißt die Katze denn nun?“

„Katzter?“ wog ich ab. „Manchmal auch Minka oder Mauntzie, nicht Muschi, sonst verwechselt man sie noch mit der Frau des Ministerpräsidenten. Die Hauptstadtethnologin hat sie kürzlich Schrödinger genannt.“

„Dann ist die Zecke unter dem Kinn wohl Schrödingers Zecke.“