Hygiene, jawohl, Hygiene, das wäre mal ein Vorname, Hügiene mit fettem Ü und einem schönen, langgezogenen I wie in Gesine. Man könnte diesen Namen als Zweitnamen einsetzen wie zum Beispiel Maria: Rainer Hygiene Rilke, Hygiene Theresia, Klaus Hygiene Brandauer, Hygiene Magdalena, Hygienekäfer, ich hatte eine Hygieneerscheinung usw.
Spaß bei Seite, bzw. ein bisschen Galgenhumor. Die Pandemie macht mir im Vorfeld der Reise zu schaffen. Noch vor anderthalb Wochen schien die Welt halbwegs in Ordnung. Damals, als ich eigentlich hätte starten wollen, wäre das Wetter denn nicht so schlecht gewesen und, naja, hätte ich das Fahrradersatzteil rechtzeitig gekriegt. Vermeintlich Schuldige am Ausgang der Dinge und an den Zuständen wie sie herrschen sind immer schnell gefunden. Im Falle der geplanten Radelreise: Nein, das Wetter war nicht schuld! Und nein, das Ersatzteil hätte ich auch schneller haben können, wenn ich es nicht beim Fahrradhändler meines Vertrauens bestellt hätte.
Das alles ändert aber nichts am derzeitigen Zustand. Ich habe ohnehin richtig und vernünftig gehandelt. Ein ehernes Gesetz beim Start einer Radelreise lautet: Fahr nicht los, wenn es dauerregnet. Und es regnete ja dauer.
Dienstag soll der Frühling ausbrechen. Ideale Bedingungen für das Reiseprojekt. Momentan habe ich mir folgendes überlegt: Bis Dijon in Burgund sind es etwa fünf Tage zu radeln und ich bewege mich nicht sehr weit weg von daheim. Könnte notfalls, wenn die Gegend wegen Eindämmungsmaßnahmen gegen die Pandemie unbereisbar wird, mich per Radel in die Schweiz oder zu Freunden ins Jura durchschlagen oder einen TER-Zug zurück nach Saargemünd (quasi bis fast vor die Haustür hier in der Pfalz) nehmen. Wenn der Zugverkehr noch aufrecht ist.
Vorgestern kaufte ich im Nachbarstädtchen ein Brot – mit solchen Kleinigkeiten fängt es an, sich in die Nachdenklichkeitsspirale zu begeben. Die Bäckerin in der winzigen Dorfbäckerei neben dem Stadttor packte den Laib mit bloßen Händen, tütete ihn ein und überreichte ihn mir strahlend. Woraufhin ich mir die Bretzel zum Direktverzehr kurzerhand verkniff. Das Brot, ich zahlte mit Münzgeld, sagte ich mir, kannst du ja eine Weile liegen lassen, bis allenfalls darauf klebende Viren vergehen. Ich habe einmal gehört, dass die Viren nach acht bis zehn Stunden nichts mehr anrichten. Ich weiß nicht, ob das stimmt, nichts Genaues weiß ich nicht. So klemmte ich das Brot auf den Gepäckträger, fuhr nach Hause und ließ es über Nacht im Atelier zum Dekontaminieren. Ich Genie.
So weit so gut. Unterwegs herrschen aber andere Bedingungen. Wenn ich unterwegs Brot kaufe oder eine in Frankreich so oft angepriesene leckere Pizza oder Eclaire oder sonst irgendwo etwas einkaufe, kann ich nicht erst alles auf dem Gepäckträger zwölf Stunden dekontaminieren. Zudem ist Hände waschen auf Radelreisen nicht so einfach wie daheim, wo man immer fließendes Wasser hat. Wie reist man im Falle einer Pandemie? Packtaschen voller Mehl und Couscous und sich permanent selbst versorgen, möglichst niemandem begegnen, immer wildzelten, sich in frühlinghaft frischen Flüssen baden? Klingt gar nicht so unmöglich, diese Vorstellung.
Oder ganz normal reisen wie immer, auf Teufel komm raus?
Oder nicht reisen?
Oder statt nach Andorra zu radeln so lange rund ums Saarland fahren, bis der Spuk vorbei ist (irre Idee, zwar nicht ernst gemeint, aber als Kunstprojekt verlockend). Ich sollte erwähnen, dass der große Saarlandradweg, der ziemlich genau an der Grenze des meistverglichenen Bundeslandes der Welt führt, nur 350 Kilometer lang ist und fast direkt vor meiner Haustüre beginnt. Im Herbst 2018 bin ich die Strecke in fünf Tagen geradelt. Man begegnet auf dem großen Saarlandradweg kaum Menschen :-).
Dieses Gedankensammelsurium klingt vielleicht merkwürdig. Aber ich versuche mir vorzustellen, wie sich das Ganze entwickelt und nehme als Blaupause Zustände wie sie momentan in Italien herrschen … vielleicht doch besser abwarten?
Wäre das Wetter bloß nicht so verlockend und das Reiseradel hufscharrend im Atelier.
Hier habe ich das Projekt Zweibrücken-Andorra einmal auf einer Karte skizziert.
Mitreisewillige und Bloglesende können hier iDogma-Karten bestellen. Manche werden sich an die Reisen zum Nordkap und nach Gibraltar erinnern, auf denen ich etliche dieser kleinen Mailart-Kunstwerke kreierte. Hier zum Beispiel die iDogma-Karten des Projekts #AnsKap.