Die tausend Spatenstiche von Sars-Cov-2 | #zwand20

Draufsicht auf ein Meer kleiner lila blühender Frühlingspflanzen

Während der gestrigen, täglichen Blogarbeit wurde mir plötzlich klar, wie sehr in meinem Kunstkonzept alles miteinander verzahnt ist.

„Gerade merke ich, welchen Flickenteppich ich in den letzten zwanzig Jahren als Konzeptkünstler vorbereitet habe“, schrieb ich auf Twitter (nur echt mit Tippfehler).

https://twitter.com/irgendlink/status/1240545329935781889?s=20

Ich betreibe ungefähr zehn eigene Webseiten, drei davon sehr intensiv, darunter dieses Blog, meine Schaltzentrale seit zwanzig Jahren, den Shop als geschäftliches Backend und Werksverzeichnis für Bildprodukte und mein verrücktes kleines Steckenpferd, den fiktiven Künstler Heiko Moorlander. Er hat alles, was ich nicht habe, Ruhm, Geld, Groupies; er wird hofiert von Kunstsammlern weltweit, gehassliebt von korrupten Staatschefs, die seine Kunst sammeln, um ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen … ich sehe gerade, ich komme ins Schwätzen. Heiko Moorlander findest Du im Erdversteck.

Zurück zum Flickenteppich: Wie durch ein Zufall war das gestrige, tägliche Shop-Motiv im Irgendlink-Shop eine schwarz-weiß Retro-iPhoneografie der Kirche von Marainviller, jenem kleinen Ort nahe Lunéville bei Nancy in Frankreich, den ich bei der virtuellen Reise nach Andorra als mutmaßlichen Übernachtungsort festgeschrieben hatte. Als ich die Shopbilder im Februar auswählte und ins Backend des Shops lud, konnte ich diesen Zufall nicht ahnen. Es ist geradezu unheimlich.

Heute werde ich erstmals Handschuhe brauchen, zum Fahren. Und lange Unterhosen. Leichter Nachtfrost. Bordthermometer zeigt 0,5 Grad Celsius. Auf den stinkenden Socken, die ich vor’s Zelt gelegt habe, um die Wildschweine abzuschrecken, liegt Raureif.

Geschrieben am 23. April 2010, wild zeltend in der Gemeinde Attigny an der oberen Saône, nicht sehr weit von deren Quelle entfernt. Ich erinnere mich, es war schön dort, eine sehr landwirtschaftliche, grüne, frühlingsfrüh keimende Gegend, kaum Straßenlärm, kaum Lichtschmutz in der Nacht. Das ewig gleiche Bimmeln französischer Kirchturmuhren, stets zwei mal hintereinander im Abstand von etwa fünf Minuten  einer Minute, taktete die Nacht. An der Lautstärke und mittels Peilungen auf einer Landkarte, könnte man den eigenen Standort genau bestimmen, Dorf ‚A‘ auf 348 Grad, Dorf ‚B‘ auf 50 Grad und Dorf ‚C‘ auf 269 Grad. Im Schnittpunkt liegt das Zeltchen irgendwo auf feuchtfrüher Wiese. Kühe dampfen stoßweise aus den Nüstern. Ihr scharrendes Grasen.

Schlaflos im Zelt. 0:45 Uhr. Mittwoch, 18. 4. 2000. Dieses Montigny! So still. Das ist paradox, dass ich hier nicht schlafen kann. Hier hört man wirklich überhaupt nicht das Übliche: Hintergrundrauschen der Straße, Menschenstimmen, Technomusik aus nahenden Autos […] hab noch den Ein-Uhr-Glockenschlag gehört. Zur vollen Stunde schlägt die Uhr immer zwei Mal. […] Ein harter Fahrtag heute (eigentlich gestern). Statistik 115,67 km. Durchschnitt 18,0 […]

Im Verlauf des ziemlich langen, handschriftlichen Tagebucheintrags komme ich aufs Kunststraßenkonzept zu sprechen und mache mir meine nächtlich fröstelnden Gedanken über das unbequeme Zeltlager. Alles ist Konzept. Alles ist Weg. Nichts ist ohne das Davor und ohne das Jetzt gibt es kein Danach.

Eine burgundische Dorfkirche.
Ormoy liegt auf halber Strecke der dritten Etappenziele 2000 (Montigny) und 2010 (Attigny). Attigny und Montigny sind Luftlinie etwa 30 Kilometer voneinander entfernt.

Dazu verdammt, die dritte Reise nach Andorra wegen der Pandemie auf dem heimischen Bürostuhl auszusitzen, mische ich die Gegenwart und die beiden Vergangenheiten 2010 und 2000. Was ich im obigen Tweet schrieb, das Projekt „#zwand20 hätte nicht produktiver scheitern können“, ist Programm. Es sprießen die Ideen. Ich absolviere meinen Alltag, weiß mich glücklich zu schätzen als freilaufender Künstler auf einem Hof weit außerhalb der Stadt. Ich kann in den Garten gehen und auf einem Stuhl sitzend dem Lauf der Sonne folgen. Atmen, denken, schreiben, versuchen, die wirklich erheblichen Sorgen und Ängste, die auf mich eindreschen ein bisschen zu dimmen. Der verpassten, physischen Reise nach Andorra, weine ich keine Träne nach. Ehrlich. Ich hatte mich im Vorfeld ohnehin gefragt, welchen Sinn es denn hätte. Ich meine, ich verdiene seit dreißig Jahren kein Geld mit Kunst (zumindest nicht so viel, dass ich den Felgaufschwung zur Mittelschicht wagen könnte), führe stattdessen ein komisches Leben wie nicht von dieser Welt, wie behördlich keinesfalls vorgesehen und folge meinen für die kapitalistische Verwertungskette völlig nutzlosen Künstlermorgenblütenträumchen … mittags ergreift mich eine unglaubliche Nervosität. Weder denken, noch schlafen, noch sitzen und starren ist angenehm. Das Herz rast. Ich bin schlapp. Ich muss etwas tun, überlege, das Radel zu satteln und eine Runde zu drehen, kann mich nicht überwinden, greife den Spaten und beackere den Garten. Die Anbaufläche will ich ein bisschen vergrößern und ich steche das sture Gras ab, das seit 2015, seit mein Vater den Garten großflächig mit Pferdemist düngte, wuchert ohne Gnade. Im Mist waren die Samen des robusten Grüns enthalten und sie gingen auf und sie wuchsen und das Gras ging nieder, nur um im nächsten Frühling noch stärker wiederzukehren und wir gaben einen Teil der Gartenfläche auf, überließen das Land dem Gras. Faszinierend, wie alles wächst und vergeht und wächst und vergeht. In spatenbreiten Stichen hole ich unser Land zurück, höre plötzlich ein Brummen. Hinter mir ist ein großes Areal mit lila blühenden Pflänzchen, das ich im Begriff bin, umzugraben. Ich beobachte die Hummeln, wie sie fleißig sammeln und fressen und es bricht mir fast das Herz und ich halte ein und umspate die lila Wiese und konzentriere mich auf das Gras, das sicher auch für jemanden oder etwas einen Nutzen hat und Nahrung ist, aber nun geht es ja um uns hier, mich, meine Familie, die vielen Freundinnen und Freunde. Wer weiß, wie sich die Seuche entwickelt. Mehr Lebensmittel sind besser als weniger und das selbst gesäte Zeug, da weiß man was man hat. Im schweren Boden winden sich Würmer und Kerbentiere. Wie ich deren Welt nun durcheinander bringe! Ach wenn das Virus doch ein Herz hätte und sich auch darüber Gedanken machen könnte, wie es die Welt der Menschen gerade durcheinander bringt.

Und noch abstrusere Gedanken kommen mir: Der Spaten ist vielleicht 30 Zentimeter lang. Stich um Stich reiße ich die Erde auf, wie oft? Tausend mal? Ich zähle nicht. Tausend Spatenstiche mal 0,3 Meter ist gleich 300 Meter. Wenn ich alle Spatenstiche senkrecht übereinander rechne, würde ich mich dreihundert Meter in den Pfälzer Lehm eingraben, bis weit unter die Brunnensohle des Trinkwasserbrunnens hier auf dem einsamen Gehöft. Ich spiele mit Gedanken, während ich geradezu mantrisch spate.  Ich sollte diese Spatenstich-Vertikalität einmal vormerken für ein weiteres Projekt, eine weitere, noch zu befüllende Webseite, bauesoterik.de (da gibt es nichts zu sehen). Die Bauesoterik behandelt Phänomene und Verrücktheiten vertikaler, horizontaler und zirkulativer Natur. Mir schwebt ein Buch vor im Stil von Flann O’Brians ‚Der dritte Polizist‘.

Nachdem ich den Garten durchwühlt habe und zufrieden auf die schön geebnete, bepflanzbare Fläche blicke, ist die Unruhe etwas gewichen. Die Gedankenmühle läuft trocken. Die Sorgen immer noch unterschwellig, insbesondere zum Freund Journalist F., den ich tagsüber mehrfach versucht hatte zu erreichen. Donnerstags wird er gegen 11 Uhr abgeholt zur Dialyse und wenn er in der Dialyse liegt, geht er eigentlich immer ans Telefon. Horrorvorstellungen ergießen sich in mein Hirn. Was, wenn er daheim zusammengebrochen ist? Was, wenn der Taxidienst, vor verschlossener Tür stehend, dachte, juhu, frei, ist sowieso mühsam, den Kerl mit dem ultraschweren Rollstuhl immer rein und raus zu wuchten?

Ich sattele das Radel und fahre zum nahen Klinikum. Viele Joggerinnen und Jogger, Radlerinnen und Radler. Elender Begegnungsverkehr, trotz großzügigen Abstands. Ich frage mich, ob es die Anderen genauso machen wie ich, kurz vor der Begegnung noch einmal tief Luft holen, Luft anhalten, möglichst den Gegenüber auf der Luvseite, der Wind zugewandten Seite passieren. Es ist windstill. Apnoeradeln.

Das Großklinikum, ist abgeriegelt. An allen Zufahrtsstraßen sitzen Pförtner, die nach einem Passierschein fragen. Längst hat sich in meinem Hirn das Gespinst ausgebreitet, Journalist F. liegt tot in seiner Wohnung. Der Pförtner sagt, er habe keinen Kontakt, um in der Dialyse anzurufen, um nachzuforschen, ob ein Herr F. heute da war und er erinnert sich auch nur an einen Dialysepatienten, der heute mit Taxi gebracht wurde, ein Kerl mit blauem Holzfällerhemd und Bürstenschnitt. Ne. Das isser nicht. Schließlich winkt er mich durch, ich könne in der Zentrale mal fragen, ob der Herr F. heute da war. Puh. Pochenden Herzens weiter, im Kopf schon die Treppe zur Information hochhechtend, aber so weit kommt es gar nicht, denn unten vor dem Dialysegebäude erkenne ich schemenhaft eine Gestalt im Rollstuhl sitzend, eine Zigarette rauchend, könnte Freund F. sein. Ich kneife die Augen zusammen. Sehkraft im Alter ist ja doch ein kleines Problem und dann erkenne ich ihn. Frisch dialysiert, auf das Taxi wartend.

Es geht ihm besser, sagt er. Nur die Psyche. Das Alleinesein, mache ihm zu schaffen. So verspreche ich ihm, dass ich ihn besuchen würde am heutigen Freitag. Ich weiß nicht, ob ich mich das traue. Das Virus hat eine unheimliche Macht über unsere Psychen erlangt. Niemand weiß, was richtig ist, was falsch, was echt ist oder nur ein Hirngespinst. Niemand weiß, ob er infiziert ist oder nicht, ob ihm der Tod droht oder nicht. Die tausend Spatenstiche von Sars-Cov-2 wühlen im dichten Lehm des Gesellschaftsgefüges.

Das einzig erfreuliche an dieser Situation, für mich persönlich, ist der kleine Arschtritt ins eigene Hirn, der es zu Höchstleistungen auflaufen lässt und Texte wie diese ermöglicht. Erstmals seit dreißig Jahren schreiben, habe ich ein tiefes Gefühl, ein Schriftsteller zu sein. Glaube ich daran, etwas Bedeutungsvolles hervorbringen zu können. Ideen gibt es zur Nöche. Der Kern ist sicher diese direkte, ungefilterte, ungehobelte Art, live, von unterwegs zu bloggen. Ich hoffe, ich halte es durch.

My Home is where my Bürostuhl rolls.

Der Marker in der Karte des Projekts Zweibrücken-Andorra befindet sich Heute im Hochsicherheitsbereich des Uniklinikums.

Journalist F. berichtet hier -> auf seiner Facebookseite.

Das eigentliche Ziel allen Vorankommens ist Stillstand, vielleicht | #zwand20

Ein ausgebrannter, rostroter Mähdrescher steht auf einem geschotterten Platz vor einem grünen Feld.

Campingplatz Bayon an der Mosel […]  (unterwegs) kein einziger Laden, keine Bäckerei, nur Landwirtsdörfer. Musste deshalb einen Umweg über Lunéville (bei Nancy) machen, um endlich einkaufen zu können. Im Intermarché vor den Toren der Stadt ist meine Laune etwas besser geworden.

Das ‚Phänomen‘, das ich im gestrigen Blogbeitrag zu erklären versuchte, scheint mich auch schon im Jahr 2000 betroffen zu haben. Der unbändige Drang einzukaufen, der Wille zum Ladenbetreten. Am 18. April 2000 notierte ich weiters:

Gelüste: entwickele ich extrem nach Nahrungsmitteln, ganz bestimmten Nahrungsmitteln, Markenprodukten ‚Yop Lait‘ Trinkjoghurt und ‚Knackis‘, Würstchen […]

Das Tagebuch der Radreise Zweibrücken-Andorra des Jahres 2010, zehn Jahre später, tönt hingegen etwas reifer. Am zweiten Tourtag, dem 22. April notierte ich auf meinem Wildzeltplatz hinter dem Sportplatz von Marainviller nahe der Stadt Lunéville:

Was habe ich alles links liegen lassen auf der Tour im Jahr 2000! Langsam dämmert mir, dass das eigentliche Ziel allen Vorankommens vielleicht ‚Stillstand‘ heißt.

Straßenbild, hochkant mit markanten, schlanken, unbelaubten Alleebäumen, die sich im blauen Himmel verlieren
Nur noch wenige Kilometer bis Bayon an der Mosel erklimmt man auf der D9 zwischen Lamath und Bayon den Rand des Moseltals.

Stillstand? Kannst du haben. Frankreich ist geschlossen. Es herrscht Ausgangssperre. Wie zum Hohn jusquement in den Tagen, in denen ich die Tour nach Andorra ein drittes Mal wagen wollte, wurde eine Sperre auf unbestimmte Zeit verhängt. Ich hänge fest. Und das ist auch gut so. In diesen harten Zeiten müssen wir alle ein bisschen auseinander rücken, um zusammen zu kommen, müssen stillstehen, um vorwärts zu kommen. Nur noch das Nötigste erledigen, die Häuser nicht verlassen. Klar.

Den gestrigen Tag hätte ich noch vor zwei Wochen als Horrortrip bezeichnet. Morgens flattert die Einkaufsliste von Freund Journalist F. ins Mailpostfach. Seit letzten Oktober assistiere ich dem Freund einmal wöchentlich mit unbedingt notwendigen Einkäufen, stopfe die Waschmaschine, fülle den Trockner. Das Sofa ist mittlerweile sein Kleiderschrank geworden. Erst dachte ich, muss man doch zusammenlegen alles und in den Schrank räumen, aber dann wurde mir klar, dass es mit starker Gehbehinderung  einfacher ist, sich auf dem Ecksofa liegend einzukleiden, statt mit Rollator bis vor den Schrank zu humpeln und die Türen aufzumachen, ins Schwanken zu geraten, hinzufallen womöglich.

Journalist F. geht es schlecht. Mit fahriger Stimmer erzählt er von der Dialyseärztin, die ihm – sein wundes Bein betrachtend, im Tonfall der gutmütigen Märchentante  – erzählte, es war einmal eine Patientin, die hatte ganz ähnliche Probleme mit dem Bein. Wir haben ihr den Unterschenkel amputiert und seitdem waren die Probleme wie von Zauberhand verschwunden. Mir kommen fast die Tränen, wie er so da sitzt, mir gegenüber an seinem Esstisch, der schon viel bessere Zusammenkünfte, Feste mit Freunden, leckere Essen, gemeinsames Lachen erlebt hat. Schwankende Stimme, gegen den niedrigen Blutdruck anredend, sich selbst auffordernd, bloß nicht lallen jetzt. Er lallt. Versucht aufs Handy zu schauen, die Uhrzeit abzulesen. Die Augen wollen nicht. Auch nicht mit Brille. Er legt das Blutdruckmessgerät an. 60 zu 40. Normalerweise wäre ich zu Tode erschrocken, aber eine ähnliche Situation in der Woche zuvor, hatte mich, hatte uns, abgehärtet. Damals packte ich seine Krankenhaustasche und wir überlegten, zur Dialysestation ins nahe Uniklinikum zu fahren. Nach ein bisschen Schlaf ging es ihm besser. Am gestrigen Tag sah die Sache dank der Pandemie schon schlechter aus. Wenn wir den Notarzt riefen, würde man ihn in ein anderes Krankenhaus bringen, nicht in die Klinik mit seiner Dialysestation. Wenn es uns gelänge, die Treppen hinunter zu humpeln und mit meinem Auto zur Dialysestation zu fahren, wäre uns womöglich die Einfahrt zur Klinik verwehrt. Alle Zufahrten werden kontrolliert. Nur noch Personal und Notfallpatienten per Krankentransport werden eingelassen. Was für ein Horror. Ich bleibe lange in der Wohnung und wir reden. Zwei Mal fällt der Freund vom Stuhl, rappelt sich wieder auf. Wir essen. Ich räume Küche und Wohnzimmer auf. Wir schwätzen. Das Lallen wird besser. Der Blutdruck steht bei 80 zu 40. Wieder und wieder pumpt das Gerät, piepst, zeigt Fehlermeldungen, zeigt Blutdrücke. Wir plaudern weiter. Die Spülmaschine surrt. Wir messen. Unter 100 zu nochwas kann ich hier nicht weg, denke ich, beschließe so lange zu bleiben wie es nur irgend geht. Ich taue zwei Brötchen auf in der Mikrowelle. Dazu Fleischkäse. Das hatte in der Woche zuvor gewirkt. Das und der Schlaf. Und tatsächlich, nach dem Essen klingt F.s Stimme klarer, kann er besser sehen, wir albern über die bitterböse Comedy Little Britain, in der zwei Brüder vorkommen, einer im Rollstuhl, der andere assistiert. Immer wenn der assistierende Bruder wegschaut, stellt der, der im Rollstsuhl sitzt irgendwelchen Unfug an, steht etwa auf, als wäre nichts, macht einen Kopfsprung ins Schwimmbecken, zieht eine Bahn, setzt sich tropfnass zurück in den Rollstuhl und sein Bruder wundert sich dann über die nassen Haare. Ach wäre es doch so einfach!

Der Blutdruckmesser klettert langsam und steht irgendwann bei 116 zu 70. Bilderbuchblutdruck. Früher Nachmittag. Ich packe die Wäsche in den Trockner, schalte ihn ein und fahre nach Hause durch eine zunehmend gespenstische Welt. Weit weit weg bin ich von dem, was ich eigentlich – hätte hätte Fahrradkette – jetzt in diesen Tagen gerne tun würde. Das Andorra, das ich in den Jahren 2000 und 2010 mühelos in zwei bis drei Wochen per Fahrrad erreichte, gibt es nicht mehr. Sechzig Kilometer per Auto war ich auf engstem Raum mulmigen Gefühls unterwegs und bin am Abend genau dort wo tags zuvor und zwei Tage zuvor … mir wird bewusst, dass das lange so weiter gehen wird. Was bleibt, ist dieser Bürostuhl, der PC und, welch‘ Segen, ein riesiger Garten direkt hinter der Künstlerbude.

Der heutige Markierung in der Landkarte Zweibrücken–Andorra zeigt auf  eine Apotheke. Am gestrigen Tag, an dem ich für Freund F. zahlreiche Rezepte einlöste und für über 100 Euro einkaufte, standen die Kundinnen und Kunden Schlage auf der Straße. Die Regel lautete, dass immer nur zwei Personen den Raum betreten dürfen. Die beiden Verkaufstheken, die noch vor einer Woche ungeschützt waren, hatte man mit Spritzschutzglas verkleidet. Die Apothekerinnen trugen Handschuhe und desinfizierten die Theken nach jedem Verkauf. Das winzige Wartezimmer der Arztpraxis gegenüber, in der ich Rezepte abholte, ist normalerweise mit etwa 20 Menschen voll besetzt. Dieses Mal war es Gott sei Dank leer. Ganz leer.

 

Das Hemköp-Phänomen und die Zwiespältigkeit allen Gesamtbilds | #zwand20 #anskap

Eine rot-weiß gestreifte Markise, von unten betrachtet. Dahinter schemenhaft die Front eines Fußgängerzonenhauses.

Heute würde ich wahrscheinlich am Rhein-Marne-Kanal aufwachen, das Lager zusammenpacken und weiter Richtung Dijon radeln. In Niderviller würde ich in die Bäckerei einfallen und ein Stück Pizza kaufen, ein Éclair und ein frisches Baguette.

Aber ich lade die geneigten Leserinnen und Leser erst einmal ein auf einen Ausflug ins schwedische Falun des Jahres 2015. Dort wurde mir das ‚Phänomen‘, von dem ich berichten möchte, erstmals bewusst. Die kleine Stadt nordwestlich von Stockholm war einmal Schwedens größte oder zweitgrößte Stadt. So steht es auf einer Infotafel in der Nähe von Faluns wichtigster Attraktion, einer ehemaligen Kupfermine. Das kleine Industriestädtchen mitten im Land hat ein ganz besonderes, ein bisschen verschlafenes Flair. Wie um einen Kontrapunkt gegen die tiefe Wunde der Erzgrube zu setzen hat man oberhalb der Stadt eine Skisprungschanze gebaut. Ein spitzer Zinken, der für Touristen offen steht. Auf dem Weg zum Nordkap (#AnsKap) treffe ich mich mitten in der Fahrradtour mit Frau SoSo für eine zweiwöchige Auszeit. Sozusagen Ferien vom Job des livereisenden Europaradlers. Frau SoSo hat ein Ferienhäuschen gemietet. Die Vermieter leihen uns ein weiteres Fahrrad. Wir sind mobil. Wir erkunden die Gegend zu Fuß und per Radel. Es gibt viel zu sehen und unweit vom Haus gibt es einen Bootsanleger, ein Ruderboot und ein Stückchen Ufer, an dem man sich in den eiskalten Runnsee tasten kann. Nicht weit entfernt vom Ferienhäuschen gibt es einen kleinen Supermarkt der Kette ‚Hemköp‘. Ein typischer Laden wie man ihn hierzulande zuhauf findet, ein aldiähnliches Gebäude mit großem Parkplatz direkt an der Hauptstraße, das wie ein Magnet die Menschen tagein tagaus anzieht. Wer weiß, wenn man Linien ziehen würde von den Häusern bis zum kleinen Hemköp für jeden Menschen der Umgebung, der den Laden regelmäßig besucht, erhielte man womöglich ein Bild ähnlich der Kraftlinien eines Magnetfeldes. In den zwei Wochen besuchten wir den Markt regelmäßig, wahrscheinlich fast täglich, um dies und das zu kaufen. In diesem Laden manifestierte sich das ‚Phänomen‘ erstmals. Nicht, dass es nicht schon immer spürbar gewesen wäre, das Phänomen. Ich hatte es nur bisher nicht wahrgenommen. Nicht erkannt.

Ein Zweckgebäude aus Stahl und Beton mit vielen Fenstern, gelblich verfärbt im Retrostil. Daneben ein parkendes Auto.
Straßenszene in der Innenstadt von Falun.

Vor der Eingangstür saß von morgens bis abends immer ein und die selbe Bettlerin, eine runzlige Frau mit vielen Kleidern und bis auf den Boden fallendem Rock. Eine Plastikschale vor sich, in die man Geld werfen konnte. Im Schweden des Jahres 2015 gehörten die Bettlerinnen und Bettler vor den Supermärkten einfach zum Straßenbild. Kaum ein Supermarkt, selbst in der tiefsten Provinz, vor dem niemand saß. Aber unsere Bettlerin, der wir immer ein paar Münzen in die Schale taten oder den Pfandbon, ist nicht das Phänomen. Sie ist nur Teil des Gesamtbildes.

(Hier Ende erster Korrekturlauf – ich muss jetzt weg).

Den gestrigen Tag verbrachte ich mit Schreiben, Künstlerbürokram und ein bisschen Gartenarbeit, bis sich nachmittags eine unheimliche Nervosität einstellte und es mir ratsam schien, das Haus zu verlassen, aller pandemischen Sorgen zum Trotz. So sattelte ich das Ebike und rauschte runter in die Stadt. Nur mal schauen, bei Menschenbegegnung nicht atmen, nicht husten, nicht husten lassen, Abstand halten, wahrscheinlich wäre sowieso niemand unterwegs oder alle im Auto. Pustekuchen! Die Stadt fühlte sich an wie immer. Gehwege und Fußgängerzonen voller Menschen in Gruppen, stehend, sich unterhaltend, hustend und schnäuzend auch, ein wunderbarer Frühlingstag mit ein bisschen Sonne, die sich durch die jungkeimenden Zweige der mächtigen Platanenallee presste. Dort begegnete ich Frau R., einer Kunstconnaisseurin, rege, rüstige Frau und wir hielten ein kleines Schwätzchen. Hinter uns plätscherte der Schwarzbach. Ein bisschen reden wie üblich. Zwei andere Spaziergänger kamen auf dem schmalen Weg auf uns zu, zögerten, reihten sich hintereinander, machten, wie man so schön sagt, einen großen Bogen um uns. So groß wie möglich. Das ist anders, wurde es mir schlagartig bewusst. Ich bot Frau R. meine Hilfe an, sie könne mich anrufen, ich müsse ja sowieso jeden Mittwoch da raus in den Stollen, um Einkäufe zu machen für die Mama, die Tante und Freund Journalist F. Sie sei gut versorgt, sagt sie, der innenstädtische Supermarkt liefere vor die Haustür. Welch ein Segen! Von links Kontrabassist M. auf dem Ebike, grüßt knapp und fährt einfach so vorbei. Tse. Wir kennen uns relativ gut. Besser, als dass man einfach so vorbei fährt. Das ist anders!? Ist es wirklich so weit mit dem Virus, ich meine, ich kenne den Mann gut?, frage ich Frau R. ‚Le Virus, c’est moi‘, antwortet sie … ich meine, ich kenne den noch besser als ich sie kenne. Warum ist er so kurzangebunden? Wie groß kann Angst sein? Wie gesagt, der Virus bin ich, widerholt Frau R. Ich kenne ihn doch auch. Leider. Der Mann war mal mein Vermieter, bis er mich wegen Eigenbedarfs gekündigt hatte und das Haus verkaufte.

Über die Zwiespältigkeit allen Gesamtbilds nachdenkend radelte ich weiter, bachabwärts, flankierte alle Supermärkte im Vorort und beäugte die Parkplätze, ob sie voller wirken als zu normalen Zeiten. Nie und nimmer würde ich einen der Läden betreten, nur um eine Kleinigkeit zu kaufen. Dabei bräuchte ich dringend Brot, Milch, Schokolade … das Phänomen! Heureka. Da ist es. Schölagartig musste ich an Falun denken und an den kleinen, magnetischen Kaufmannsladen mit seinem Süßigkeitenregal und all den feinen fremden, schwedischen Köstlichkeiten, seinen Chromblitzenden Kassenanlagen, den Kreditkartenmelkstationen, all das und an den magischen Drang, in den Markt zu gehen, egal, ob ich etwas brauche oder nicht und schlagartig wurden mir alle Nah-Supermarkterlebnisse bewusst, die ich in den letzten Jahren, insbesondere auf Radtouren, hatte. Wenn du einen Supermarkt am Weg siehts, geh rein und kauf etwas. Egal was. Es ist, als entstünden unsere Begierden im Anblick von Einkaufsläden und je näher wir diesen Tempeln kommen, desto größer werden sie und desto mehr fällt einem ein, was man denn unbedingt braucht. Wie oft bin ich unterwegs mit schwer bepacktem Fahrrad aus irgendeinem Mark gekommen mit übervollen Armen von Zeugs, das ich sodann auf dem Gepäckträger verstauen musste. Das Phänomen Mensch sieht Supermarkt und entwickelt Kaufgelüste. Pavlovesk, grotesk. Es bricht uns nun das Genick.

Ich schaffe es, milch- und brotlos vorbei an allen Supermärkten der Stadt. Nur dem Gartencenter beim alten Vorortbahnhof kann ich nicht widerstehen. Saatkartoffeln könnten in diesen Zeiten nicht schaden. Wen treffe ich? Die Frau Mama, mit der ich schon ein paar zaghafte Gespräche hatte, ob es ratsam ist, insbesondere in ihrem Alter, das Haus noch zu verlassen. Eine kleine Schachtel Pflänzchen zahlt sie gerade. Saatkartoffeln gibt es nicht. Ich trage ihr die Platte mit den Pflanzen zum Auto und als sie den Kofferraum öffnet liegt da noch ein Pennyeinkauf, ach ja, da war ich auch noch kurz. Zuvor hatte sie mir versprochen, dass sie nur ihren Arzttermin wahrnehmen würde.

Vieles ist also beim Alten. Noch. Durch ein Tal namens Liebestal radele ich zurück zum einsamen Gehöft. Die Lunge pumpt wie eine schnurrende Katze. Regelmäßig. Frei. Glücklich. Vorbei an einer Gruppe kahlgeschorener Soldaten. Die Kaserne ist nicht weit. Die Knaben sehen aus wie Söldner. Wo ist meine schöne alte Achtzigerjahre-Zeit hin, in der wir Milchbuben, wenn wir denn nicht verweigerten, in den grünen Klamotten eher aussahen wie Alfred E. Neumann (Magazin Mad), nicht wie Fremdenlegionäre. Aufwärts durchs Liebestal, das leider nur vom Namen her und wenn man nach Osten blickt ein Idyll ist. Sumpfige Wiesen mit tiefbauchhängenden Ponys rechts, im Osten und links, an den Hängen des Westens zuerst das Militärische Sperrgebiet, in dem am gestrigen Tag die Soldaten perlen wie Schweiß auf der Stirn eines Europennerrreiseradlers beim Erklimmen des Mont Lozère. Ein wenig später, auch zur linken, gibt ein Einschnitt im Liebestal einen gräßlichen Blick auf die städtische Mülldeponie frei. Ein grauer Hügel wie Vulkanasche unter hellblauem Himmel hinter Stacheldraht zwischen todeshechelnden Lippen aus verstaubtem Wald. Garniert mit, der Ferne sei Dank dreckigen gelblichen Baggern. Zack, vorbei, schau nach Osten, Herr Irgendlink. Tu so, als wäre es nicht da. Als wäre dieser ‚Mont Mullbèrge‘ direkt vor Deiner Haustür in den zwanzig Jahren, die du nun schon hier bist, nie gewachsen. Es ist tatsächlich so, dass dort, wo früher ein Loch war, sich nun ein Berg auftürmt, genau umgekehrt wie im schwedischen Falun, dessen Kupfermine, die einst ein wie Käse durchlöcherter Untertagebau voller geheimnisvoller Stollen war. Ein Grubenunglück im Jahr 1687 ließ die Gänge in sich zusammenstürzen und nun klafft ein riesiges Loch am Rande der Stadt.

Falun, das Antizweibrücken.

Tja. Das Phänomen war am gestrigen, ersten Reisetag nach Andorra also Thema für diesen Blogeintrag. Man muss sich das so vorstellen, in meinem Hirn: es denkt in mir und ich mache mir am Wegesrand geheime Notizen, die ich reifen lasse und im nächsten Gang, heute Morgen am PC, einsammele und verknüpfe. Mehr ist es nicht.

Bei unserem abendlichen Telefonat taten Frau SoSo und ich so, als sei ich tatsächlich unterwegs. Als hätte ich es geschafft bis zur kleinen Schutzhütte am Rhein-Marne-Kanal unterhalb des Dörfchens Arzviller. Als hätte ich meine Isomatte auf einem steineren Tisch in dem ehemaligen Zweckgebäude ausgebreitet, den Trangiakocher aufgestellt, eine halbe Zucchini und ein bisschen Couscous und eine kleine Zwiebel gebrutzelt, als fröstele ich mich bei fünf Grad Celsius in den Winterschlafsack und sänge mich leise summend in den Schlaf. Wie es dort jetzt aussieht, wollt Ihr vielleicht wissen? Ich kenne den Kanalradweg ja von vielen Touren. Noch bin ich im heimischen, bekannten Gebiet. Die Schutzhütte hatte ich letztes Jahr bei einer Kurztour entdeckt. Zwei Radreisende hatten sie okkupiert. Ich zeltete ohnehin ein paarhundert Meter entfernt bei einer Picknickstelle. Wie es in dem unendlich schmalen, wie in Fels gehauenen Tal aussieht? Schleuse an Schleuse, mindestens ein Kanalhafen, Felsen, Wald, schön geteerter Radweg. Die Sonne streicht von Osten durchs Tal und wärmt den Europenner, der jusque au Moment sein Radel sattelt, den GPS-Track startet und froh ist, dass es noch eine Weile aufwärts geht in Richtung Niderviller. Aufwärts ist so wichtig, frühmorgenfröstelnd, so wichtig, um den Radlerkörper auf Betriebstemperatur zu bringen.

Ich trage diesen Blogartikel auf meiner Reisekarte beim Hemköp in Falun ein.

Wenn Dir dieser Blogartikel gefallen hat, kaufe mir gerne etwas ab im Irgendlink-Shop. Ich versende nächsten Mittwoch.

Im Minenfeld europäischer Durchreisenotdürfte, oder ein neugieriger Reisender auf den Spuren eines einst gewesenen Ichs | #zwand20

Zwei blaue und zwei grüne Notizbücher aufgefächert wie ein Kartenblatt auf schwarzem Grund
Zwei blaue und zwei grüne Notizbücher aufgefächert wie ein Kartenblatt auf schwarzem Grund
Die beiden blauen Notizbücher der Reise Zweibrücken-Andorra 2000 und die beiden grünen (eins davon Clairefontaine) aus dem Jahr 2010.

Der Grenzübergang bei Mühlhausen ist ein unwirklicher, verlassener, ein bisschen verkommener Ort. Wo einst in den 1980er und 1990er Jahren dichter Trubel herrschte, sich der Reiseverkehr zwischen dem Breisgau und dem südlichen Elsass Autobahnspur für Autobahnspur in ein Nadelöhr fädelte, um von schwer bewaffneten Zöllnern beäugt, beargwöhnt, bestichprobt zu werden, befinden sich, beiderseits der Autobahn, neben den verlassenen ehemaligen Zollhäusern riesige Parkflächen, auf denen kaum ein Mensch anhält oder parkt. Nur hie und da ein einsamer Lastwagenfahrer, der seine Pause absitzt oder hinter den zugezogenen Vorhängen der Fahrerkabine den obligatorischen Nachtschlaf absolviert.

Im Jahr 2015 auf der Rückreise aus der Schweiz stoppe ich auf dem Gelände, um mir die Füße zu vertreten und, naja, die Blase drückt auch ein wenig, weshalb ich mich hinters Auto stelle und ins weite, flache Land der Rheinebene schaue, wasserlassend, ziemlich sicher, dass hier jegliche Überwachungstechnik längst abgebaut ist, außer Betrieb oder von Vandalierern zerstört. Irgendwo liegt ein bisschen Müll und hinter der kleinen Kuppe neben dem Parkplatz zieren verwitternde Toilettenpapierreste eine Art Minenfeld europäischer Durchreisenotdürfte. Etwas weiter im Süden erhebt sich ein Fabrikgebäude aus den Feldern, die zumeist mit Mais bepflanzt sind. Groß steht der Firmenname auf dem Klotz aus Blech und Beton und Stahl. ‚Clairefontaine‘.

Clairefontaine ist der Stoff, aus dem meine Notizbücher sind. Bunte, spiralgebundene Kladden im französischen Format 17 mal 22 Zentimeter, also ein bisschen größer als das hierzulande gebräuchliche Format DIN A 5. Der Stoff, in dem die Freiheit steht, denke ich und ich muss zurückdenken an meine beiden Reisen von Zweibrücken nach Andorra in den Jahren 2000 und 2010. Auf Eselpfaden und kaum befahrenen Departementsstraßen erforschte ich ein verschlafenes Frankreich bis runter zu den Pyrenäen und entdeckte ein postindustrielles Etwas mit geschäftigen Einsprengseln. Da die Reisen beide Male im Frühling stattfanden erinnere ich ein grünes, von Raps- und Schlehenblüten durchzogenes Bild. In die Büchlein notierte ich neben ganz normalen Tagebucheinträgen auch die wichtigen Notizen für mein Kunstprojekt, das ich während der Reise machte: alle zehn Kilometer ein Foto der Straße (la Dixkilometrie/ Zehnkilometrie) und überhaupt notierte ich grundsätzlich alle Bildstandorte in die Büchlein. Ungefähr so: 10 | 40 | OA Enchenberg -> Lemberg, beginn Regen‘. Also Bild Nummer 10 bei Kilometerstand 40.  Oder ’16 | 79,32 | Phalsbourg trocken!‘

Ich war mir im Jahr 2000 nicht im Klaren, was das sollte. Ich wusste nur, das Projekt, Frankreich per Fahrrad zu durchqueren und die Reise in Schrift und Text zu dokumentieren, will ich genau so durch führen. Ein Künstler, der sich mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln selbst eine Stimme gibt, egal, ob es jemand sieht oder nicht, egal, ob es jemand kauft oder nicht. Sogar die Null-Follower-Theorie, die ich später in Form dieses Weblogs kultivierte, steckte damals schon mit drin: Kümmere Dich nicht um Quoten und Erträge, tu‘ was du tust weil du das tust was du tun musst, um es zu tun, denn niemand sonst nimmt dir diese Arbeit ab. Unter rein wirtschaftlichen Aspekten betrachtet hätte das Projekt als Kunstprojekt nie stattgefunden. Es war keine Ausstellung geplant. Die Bilder würden, weil ich sie zufällig, unter dem Diktat der Zehnkilometrie machte, keine Glanzleistungen schön zu betrachtender Lullifulliebildchen werden, die man hätte im Nachhinein verkaufen können. Die brachialen Tagebuchtexte schwankten tagesformbedingt zwischen reinen Zwecknotizen und tauglicher Reiseliteratur. Das Konzept selbst, reisend, schreibend unterwegs zu sein war nicht mehr neu und ich, ein nur regional bekannter, im pfälzischen Hinterland lebender Künstler und Schriftsteller ohne akademisches Fundament, taugte auch nicht, um als personifiziertes Kunstwerk im Markt Fuß zu fassen.

‚Film 0‘ steht in der ersten Zeile der ersten Kladde. Daneben das Datum: 16.4.00. Im Bucheinband innen ist die Adresse vermerkt und die Worte ‚Gagnez 100 $ – send this Book et films/pelicules to […]‘. Für den Fall, dass ich unterwegs beraubt werde oder die Filme und die Tagebücher verlieren sollte.

Nun, zwanzig Jahre später, finde ich das ein bisschen drollig, aber auch höchst interessant. Ich versuche, mich dem alten Projekt ganz ohne Scham zu nähern, die man oft empfindet, wenn es um einen Selbst geht. Wenn man sich in den Dekaden seines Seins wieder findet und sich sagt, mein Gott, was für eine Frisur, was für Ansichten, welch‘ Naivität, wird den meisten Menschen etwas klamm und es kommt eine gewisse Scham auf … manchmal vielleicht auch positive Gedanken. Weder Scham, noch Stolz sollen diesen Versuch der Selbstrekonstruktion behindern. Ich möchte versuchen, die alten Tagebücher so zu lesen, als wäre ich ein fremder Forscher, der die Geschichte aufbereiten möchte. Ein neugieriger Reisender auf den Spuren eines einst gewesenen Ichs.

Höchst interessant finde ich zum Beispiel, dass ich schon auf den ersten Seiten des Reisetagebuchs eine sehr harte, ernstzunehmende Konsequenz zeige. Hundert Dollar Belohnung für den Fall, die eigenen Aufzeichnungen, die potentiell verloren gehen, werden gefunden und zurückgegeben. Damals und für mich viel Geld. Die ersten elf Blätter des ersten Tagebuchs sind aus einem anderen Buch herausgetrennt. Wurden sozusagen zusätzlich in die Kladde eingelegt. Vermutlich eine Mischung aus Sparen und nicht vergeuden wollen leerer Seiten in fast zu Ende geschriebenen Tagebüchern, doch das nur als Nebenbemerkung. Auch sollte ich erwähnen, dass von den beiden Tagebüchern der Reise im Jahr 2000 keines der Marke Clairefontaine ist und im Jahr 2010, in dem die Reise auf der eigenen Spur durch Frankreich ebenfalls in zwei Kladden notiert ist, ist nur das zweite ein Clairefontainebuch. Vielleicht habe ich diese Marke erst damals entdeckt?

Heute ist der offizielle Tourenstart für das diesjährige Radeltourenprojekt durch Frankreich. Fast zwanzig Jahre nach der ersten Reise und zehn Jahre nach der zweiten. Ein brillianter Frühlingstag. Die Vöglein zwitschern überm Dach der Künstlerbude. Sonne lacht. Ich fühle mich sehr sehr fit und könnte locker siebzig achtzig Kilometer radeln bis weit hinters lothringische Nachbarstädtchen Bitche. Auf dieser Karte habe ich ein noch blankes Board vorbereitet, in das ich von unterwegs die Strecke kopieren möchte und Bilder zeigen, sowie Anrisse der Blogtexte an den jeweiligen Übernachtungsplätzen zeigen möchte. Mein heutiges Tagesziel?, fragt vielleicht jemand. Nun, es wäre im Prinzip offen, aber ich hätte eine Schutzhütte bei den alten Schleusen unterhalb von Artzviller ins Auge gefasst. Etwa 90 Kilometer bis dorthin. Im Jahr 2000 verbrachte ich die erste Nacht auf dem Campingplatz außerhalb von Lutzelbourg im engen, von Güterzügen durchtosten Tal am Rhein-Marne-Kanal. 2010 schaffte ich es ’nur‘ bis ins Imsterfeld, der kleinen Mulde, in der , so glaubte ich bisher, das Flüsschen Ims oder Imster entspringt. Mitnichten! Die Google-Karte verrät, dass in dem Tal nördlich der Gemeinde La Petite Pierre ein Bach namens Niederbächel fließt. Ein Fluss namens Ims oder Imster ist im Eintrag französischer Flüsse auf Wikipedia nicht erwähnt.

Man sieht, wie arglos ich in die diesjährige Reise gestartet wäre und wieviele Rinnsale mit falschem oder unbekanntem Namen ich schon auf den ersten 100 Kilometern flankiert hätte.

Schon letzte Woche hatte ich vermutet, dass es wegen der Pandemie eventuell gar nicht möglich wäre, aufzubrechen (geschweige denn klug). Just heute Morgen wurde in Frankreich eine Ausgangssperre verhängt. Menschen dürfen nur noch mit triftigen Gründen das Haus verlassen: arbeiten, einkaufen, artztbesuchen und Sport alleine. Eine Europenner-Radeltour fällt leider nicht unter Letzteres.

Dieser Blogeintrag wurde in der Tourkarte als orangenes Symbol am Originalschauplatz der ‚Clairefontaine-Beobachtung‘ an der alten Grenzstation nahe Mühlhausen eingetragen.

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Vom Hühnerfred, Olivenbäumen, Blutsbrüderschaft und schwer fassbaren Ichs

Dystopisches Retrofoto, quadratisch mit grünlichem Himmel und einem uralten, sich drehenden Olivenbaum

Ein Spaziergang im Wald am gestrigen, brilianten Sonntag. Wir sammeln Birkenrinde zum Feueranzünden. Daheim tauen die Grillwürste auf, die beim Wintercamping mit Freunden Ende Februar noch übrig geblieben sind. Offizielles Angrillen. Frau SoSo fragt, was ich mir bei einem Blogartikel, den ich kürzlich geschrieben habe, gedacht habe; wie ich auf diesen oder jenen Gedanken kam. Ich weiß nicht mehr, um welchen Artikel es ging. Ich antworte spontan, ich habe gar nichts gedacht. Ich denke nicht. Es denkt in mir und ich bin mir nicht sicher, ob es mich als Ich überhaupt gibt. Die Bezeichnung Ich für sich selbst ist doch nur ein Notbehelf für etwas, das man bezeichnen muss, das man aber nicht erklären kann. Das mag verrückt klingen. Durch jungkeimendes Grün stapfend, unter umgestürzten Fichten hindurch limboisierend, bin ich plötzlich ziemlich perplex und denke, der Ich heute ist ein Anderer als der Ich vor ein paar Jahren und als der vor zig Jahren und wieder ein Anderer als der Baby-Ich. Fast wie ein kleiner Freispruch, dass wir alle einmal als gute Menschen auf diesem Planeten begonnen haben und die Zeit formt uns zu dem, was wir in der jeweiligen Gegenwart sind.

Plötzlich vibriert das Telefon. Mein Freund, der Automechaniker J. ist dran, was sehr ungewöhnlich ist. Normalerweise rufe ich ihn an, weil ich irgendwelche Schrauberkniffeleien lösen muss, aber die letzten beiden Male, geht die Kontaktaufnahme komischer Weise andersrum. Vielleicht haben wir die Grenze von der Zweckgemeinschaft zur Freundschaft überschritten? Die Grenze zur Schweiz wird dicht gemacht, sagt er, habs gerade im Liveticker gesehen, du solltest das wissen, bist du in der Schweiz? Nein, die Schweiz ist bei mir. Frau SoSo wird hellhörig und hier, so im kraftstrotzenden Wald, der sich gerade wieder aufrappelt von den Winterstürmen, herrscht plötzlich in zwei komischen Ichs, die sich auf Füßen fortbewegen eine klamme Stimmung. Wie? Was heißt das, Grenze dicht? Keiner rein, keiner raus? Darf Frau SoSo noch in die Schweiz einreisen und falls ja, darf sie durch Frankreich fahren, oder muss sie den Grenzzipfel bis Karlsruhe umfahren, sich auf die mörderische A5 begeben, last Exit Basel …? Fragen über Fragen, die sich die massenhaft getöteten Bäume, die kreuz und quer liegen, sicher nie gestellt hätten.

Dystopisches Retrofoto, quadratisch mit grünlichem Himmel und einem uralten, sich drehenden Olivenbaum
Ein 1111 Jahre alter Olivenbaum am Pont du Gard nahe Nimes.

Ein Baum-Ich, das wäre mal etwas. Leben und empfinden wie ein Baum. Ich stelle mir das sehr selbstzufrieden, vielleicht ein bisschen fatalistisch vor. Du kannst als Baum selbst in tausend Jahren deinen Standort nicht wechseln. Der 1111 Jahre alte Olivenbaum nahe der Pont du Gard kommt mir in den Sinn, den wir um Weihnachten schon zum zweiten Mal besucht haben. Von seiner Position am Nordufer des Gardon hat man einen schönen Blick auf das Römeraquädukt. Was dieser Kerl alles gesehen hätte, wenn er ein Mensch wäre? Das gesamte Mittelalter, die Renaissance könnte er berichten, vielleicht war sogar Goethe schon bei ihm? Er könnte über die dreckige Zeit der 1970er bis 2000er Jahre berichten, in der die schmale Departementsstraße noch über eine Straßenbrücke direkt neben dem Aquädukt befahren war, in der Scharen von Touristen ihre Autos wild am Straßenrand parkten in ausgefahrenen trockenen Buchten im Ocker zerriebenen Kalkkonglomerats. Wie oft man ihn wohl angepisst hat in den 1111 Jahren? Wieviele Familien unter seinen Zweigen ihre Picknickdecken ausbreiteten und Käse, Wein, Baguette picknickten? Ob er sich erinnert, dass wir auf den Tag genau fünf Jahre zuvor auch bei ihm waren? Da war er schon erlöst von der scheiß Departemenstsstraße. Seit etwa zwanzig Jahren ist das Bauwerk, das, so glaube ich, auch Welterbe ist, für den Publikumsverkehr neu geregelt. Die Straßenbrücke wurde um die Jahrtausendwende stillgelegt, ein Besucherzentrum mit angrenzendem Park errichtet. Man darfdas Gelände von Norden her nur noch mit Eintrittskarte betreten (von Süden kann man über die Wanderwege unkontrolliert zum Pont du Gard, zumindest außerhalb der Saison). Um diese Zeit muss auch jener erhabene Moment gewesen sein, als man ihm, dem Olivenbaum, einen Stein beiseite legte mit einer Metalltafel, auf der sein Alter eingarviert ist. Vielleicht waren Honoratioren anwesend und der Moment wurde gefeiert (von Menschen für Bäume, von Menschen für Menschen?) Ob es ihn juckt, den Methusalem? Ob er sich als Ich sieht?

Ich werde es nie erfahren.

Ich huste. Die Nase kitzelt. Der Hals kratzt.  Hab ich den Virus? Schon seit Freitag geht das so. Ich hatte Freund Jounalist F. mal wieder beim Einkaufen geholfen. Als Dialysepatient ist er vier Mal die Woche außer Gefecht und obendrein nicht sehr mobil. Schon seit Oktober assistiere ich. Dieser Tage jedoch kommen mir Bedenken. Die Dialyse findet im größten Klinikum hier in der Gegend statt. Tausende Menschen arbeiten auf dem vielhektargroßen Gelände. Eine kleine Stadt am Rande der Stadt. Ich erinnere mich an die Zeiten der Vogelgrippe vor etwa zehn Jahren, als man an den Pforten zum Gelände Schilder aufstellte: Wenn sie aus Land A, B oder C kommen und Symptome haben, melden Sie sich da und da. Im Laufe der Zeit wurden die Schilder immer größer und zu Land A, B und C, gesellte sich Land D, E, F und so weiter. Ich fand das bemerkenswert.

Schilder waren gestern. Heute sind es Liveticker.

Freitagsmorgens auf dem Weg zu Journalist F. hatte ich mir überlegt, ich sollte vorsichtig sein. Ich streifte eine Schutzmaske über, aber schon beim Freund in der Wohnung war klar, dass das kaum hilft. Es schütze ohnehin eher die Umwelt als einen selbst und da ich davon ausging, dass das Virus wenn, dann von ihm, der er täglich sechs Stunden im verkeimten Klinikum ist und mit weit herumgekommenen Taxifahrern unterwegs ist, zu mir springt, denn umgekehrt, ließ ich das mit der Maske wieder sein. Spätestens als Journalist F. schwindelte, er sich nicht mehr am Rollator halten konnte, in seiner Wohnung drohte zu stürzen und ich ihn mit beiden Armen unter die Achselhöhlen fassen und stützen musste und wir uns sehr nahe dabei kamen, wurde mir klar, ich kann es auch sein lassen mit der Maske. Ich bin sowieso nicht kompetent genug, sie fachgerecht anzulegen.

Ich setze die Waschmaschine auf, derweil sich Journalist F. ein wenig ausruht. Wegen der Plümeranz wird dem Freund etwas bange und er sagt, richte mal vorsorglich die Krankenhaustasche, vielleicht fahren wir da hin.

Weiter im Standard-Programm der Assistenz. Ich machte den wöchentlichen Einkauf in einem proppenvollen Aldimarkt – seit Oktober habe ich den Markt noch nie so hektisch erlebt, denke ich mir. Eine Frau neben mir am Pfandautomaten macht ein kleines Wettrennen und wir schmunzeln vor uns hin, 4,75, sage ich, 6,50, sagt sie, 7,75 kontere ich. Sie füttert fast ausschließlich anderthalb Liter Flaschen, während ich kleine Energiedrinkdosen einfülle und somit schneller bin. Mit satten 11 Euro gewinne ich knapp. Wie in einem Spiel ohne Gewinner verlassen wir den Automaten. Es ist fast wie eine kleine Blutsbrüderschaft.

Einkaufsliste abarbeiten. Normalerweise bin immer ich der, der den vollsten Wagen hat, aber nun sehe ich zig Menschen, die sich unendlich viel einladen. Trotzdem gibt es alles, was Journalist F. auf der Liste hat. Sogar Erdbeeren. Die Stimmung im Laden ist angespannt. Alle drei Kassen sind besetzt.

Draußen vor dem Laden steht der Hühnerfred. An der wie eine Hölle auf Rädern wirkenden Grillbude stehen einige Menschen Schlange, lechzenden Mundes auf die sich ruhig drehenden Hähnchen starrend. Hühnerfred steckt mit beiden Armen bis zu den Ellenbogen im Fett knusperbrauner Hühnerhaut. Selbst ohne die Pandemie im Nacken könnte ich aus purem Ekel vor den feinen Härchen seiner Arme, die sich gewiss ins eine oder andere Hähnchen verirren, nichts davon kaufen. Die Menschen, die anstehen, es sind nicht wenige, scheint das überhaupt nicht zu kümmern. Hasardeure, denen der Speichel in den Mundwinkeln rinnt. Ich sehe nicht, wie sie das mit dem Geld regeln, aber irgendwie müssen sie den Fred doch bezahlen und er muss ihnen wechseln und die Höllenbude sieht nicht danach aus, als wäre dort ein Waschbecken, in dem man mal eben zwei Vaterunser lang seine Hände waschen könnte.

Zurück beim Journalisten bin ich erfreut, ihn wieder munter zu sehen. Es ist nicht neu, dass sein Kreislauf zusammenklappt, das sei gesagt, aber eben, die Virussache macht einen etwas hysterisch und dann erkennt man nicht mehr, was sich als normal eingestellt hat an Gefühlen und Befindlichkeiten, und was durch die Angst, die einen ob der Nachrichten ergreift, aufgepfropft ist.

Abends danach, also vergangenen Freitag, erster Schnupfen. Hirn sagt sofort, Alarm. Halskratzen, trockener Husten. Samstags früh alles wieder bestens, bis sich das Hirn wieder auf den Schienenstrang der Hysterisierung begibt und hie und da ein Zwicken feststellt. Gibt es psychosomatischen Schnupfen? Husten, all das? Ich besinne mich im Laufe des Wochenendes, messe sogar erstmals seit zwanzig Jahren Fieber, 36,6, fühle Puls, entferne zwei Holzstücke, die ich im Verdacht habe, dass sie vom Rußrindenpilz befallen sind aus dem Brennholzstapel – denn die Suche nach Alternativen zum Virus, die den Reizhusten ausgelöst haben könnten, hat längst begonnen. Ohnehin, wird mir jetzt erst einmal bewusst, wie oft ich solchen Husten habe. Ziemlich oft. Sogar beim Staubsaugen der Künstlerbude kriege ich Husten. Meine Lunge ist einfach nicht mehr das, was sie einmal war. Und sie ist auch nicht das, was ich von ihr denke, was sie nun ist.

Es ist ähnlich wie mit dem, was in mir denkt und diese Zeilen schreibt, von dem ich nicht weiß, wer oder was es ist und wie es funktioniert, das aber einfach da ist und eigentlich keine Begründung bräuchte. Ja ja, ich glaube, das lässt sich tatsächlich vergleichen mit dem was man fühlt und wenn man Schnupfen fühlt und Husten, dann ist das zwar Schnupfen und Husten, aber welche Ursache sie haben, das verschließt sich einem, wenn man nicht in der Lage ist, einen Labortest zu machen.

So sitze ich denn hier am Montagmorgen vor der eigentlich hätte beginnen sollenden Radelreise nach Andorra und weiß nur eins, ich habe leichte Erkältungssymptome wie eigentlich öfter mal, die mich überhaupt nicht einschränken und weit davon entfernt sind, sich wie eine alles ausknockende Grippe anzufühlen. Ich ḱönnte sofort aufs Radel steigen, tja … die Grenzen sind dicht. Ich kann die Reise nicht beginnen. Wie zum Hohn baut sich das erste große Frühlingshoch über dem Land auf, aber es gibt Schlimmeres als nicht reisen zu können, denke ich mir. Andorra mit seinem einen Virusfall läuft mir nicht weg.

Freund Journalist F. dürfte aufatmen und froh sein, dass ich weiterhin assistieren kann. Obschon ich mich ganz und gar nicht danach reiße, das einsame Gehöft zu verlassen.

Pandemisch gesehen ist nämlich ein einsames Gehöft der perfekte Ort, um Zeit verstreichen zu lassen.

Ich sollte die Gartenanbaufläche vergrößern.