Mit der Fremde freundeln | #UmsLand

Nach all den Landesgrenzen, Saarland, Luxemburg, Belgien und Nordrhein-Westfalen, bin ich nun an der Grenze meiner Kraft angelangt. Das permanente Auf und Ab jenseits des Siebengebirges liegt mir, rein radlerisch, gar nicht. Es bringt mich aus dem Takt. Viertelstunde berghoch, nassgeschwitzt, zehn Minuten bergab – und das den lieben langen gestrigen Tag. Es ist wie ein in Scheiben geschnittener Pyrenäenpass. Deine 1400 Höhenmeter kriegst du in kleinen Dosen, homöopathisches Bergradfahren sozusagen. In Zehntausendstel-Potenz verdünnte Bergetappe. Von Ahrweiler runter zum Rhein radeln war gestern früh fast wie nach Hause kommen. Die Rheinstrecke hatte ich ja letzten Oktober während der Flussnoten-Tour erradelt. Bekannte Orte sind immer auch ein Stück Heimat.

Überhaupt. Wenn ichs mir recht überlege, beginnt auf der Reise ums Land erst mit der Überquerung des Rheins vollständiges Neuland für mich. Im Westerwald war ich noch nie (wenn man einmal von ein paar Autobahnsausfahrten absieht). Über das 48 Quadratkilometer große Naturschutzgebiet Siebengebirge schafft man sich hinauf auf Höhen um drei-, vierhundert Metern. Das Siebengebirge hat seinen Namen von der Sieben, und zwar nicht als Zahl gemeint, sondern als Begriff für Viele. Wie etwa im Wort Siebenmeilenstiefel. Während ich demütig eine geteerte Waldstraße aus Bad Honnef hinaus aufwärts radele, stelle ich mir vor, wie viel 48 Quadratkilometer sind. Ziemlich genau sieben mal sieben Kilometer. Das heißt, ich bin recht schnell durch, trotz schmackhafter Steigung. Ohnehin sind die alten Vulkanreste im Siebengebirge nur etwa 450 Meter hoch. Die sieben markantesten von ihnen sieht man von der Kölner Bucht aus gut aufragen. Ich stelle mir also vor, ich habe leichtes Spiel mit dem Westerwald. Siebengebirge hoch, dann welliges gemütliches Überlandradeln, doch weit gefehlt. Die Rheinland-Pfalz-Radroute nimmt jede nur erdenkliche Steigung und kostet jedes nur erdenkliche Bachtal aus, so dass der gestrige Tag definitiv zur härtesten Etappe bisher wird. Mein innerliches Flehen um einen Bahntrassenradweg wird nicht erhört. Oh Herr, gib mir Tunnel und Brücken. Stattdessen meist ruhige Landstraßen, Waldwege, oft geteert, garniert mit etlichen Kilometern entlang der B8, was der Etappe eine Note Vier Plus einbringt.

Schon sehe ich mich für den Rest meines Lebens als Radwegtester durch die Welt gondeln, wie so ein Gourmet, der unangemeldet die Sternerestaurants ansteuert, sich den Magen vollschlägt und für den Guide Radelin – sprichs französisch nasal – eine deftige Kritik abgibt. Die Rheinland-Pfalz-Radroute im Westerwald hat jedenfalls seit gestern einen Stern weniger.

Mein Ziel Hatzfeld verpasse ich um einige Bergaufs und Bergabs, zelte stattdessen wild auf einer weitläufigen Wiese unweit des Beulskopfs, auf dem ein hölzerner Aussichtsturm einen phantastischen Rundumblick erlaubt. Man kann bis in den Hunsrück schauen, nach Köln und, oh graus, da drüben im Osten diese graue Masse, das muss der echte Westerwald sein.

Die Nacht ist eiskalt. Das Zelt morgens gefroren, raureif auf der Wiese. Um sieben Uhr breche ich auf. Das Auf und Ab bleibt mir treu bis zur Nister, ein Fluss so groß wie der Glan in der Saarpfalz, der bei Wissen in die Sieg mündet.

Frühstück im Café Alzen, das in der Fußgängerzone direkt am Radweg liegt. Ein ehrwürdiges Etablissement mit getäfelten Wänden und Decke, salonähnlich, barock, schmuck, weiche Teppichböden, na immerhin das alleine ist es schon wert, sich hier herauf zu schinden.

Nun sitze ich – vermutlich – am Mühlenbach oder Eisbach, der von Norden kommt. Die Radroute folgt einer vielleicht vier Meter breiten brüchigen Landstraße, moderat steigend. Sonne scheint. Bach murmelt. Zelt hängt zum Trocknen über dem Brückengeländer. Es soll Regen geben. Morgen. Vor dem garstigsten, windumzaustesten Stück Westerwald, der Gegend um Montabaur, so erzählte es mir wenigstens die Bäckerin im Café Alzen.

#UmsLand mit @irgendlink – Ein Gespräch mit dem Zweibrücker Konzeptkünstler Jürgen Rinck

Eine Grenzerfahrung der ganz besonderen Art hat Jürgen Rinck gestartet. Ums eigene Land, ums eigene Bundesland, radelt er zurzeit. Mit dabei sind natürlich sein Rad und wie immer sein Smartphone. Beide sind essentielle Elemente seiner Livereise-Konzeptkunst. Dank Blog und Twitter sind wir auch diesmal wieder unmittelbar und interaktiv dabei, wenn Rinck unterwegs seine Bilder und Texte kreiert. Auch das von ihm erschaffene Konzept der Kunststraße – alle zehn Kilometer ein Bild in Fahrrichtung aufzunehmen – wird er diesmal wieder umsetzen. Die Kunststraße ist seit über zwei Jahrzehnten seine Hommage an die Straße, an das graue Band, das niemals endet.

Seit der Konzeptkünstler Jürgen Rinck vor bald fünf Jahren das erste Mal Werke der damals noch sehr neuen Kunstbewegung Appspressionismus ausgestellt hat, ist viel geschehen. Rinck nennt diese von ihm mitbegründete Kunstbewegung auch iDogma und meint damit jegliche Kunst, die von A-Z auf einem Smartphone gestaltet wurde. Text oder Bild ist dabei einerlei. Ein Kunstgenre, das er seither stetig weiterentwickelt hat. Kontinuierlich hat sich in den letzten Jahren auch die Software weiterentwickelt – smarte Foto- und Bildbearbeitungstechniken ebenso wie diverse Publikationsmöglichkeiten über soziale Netzwerke. Rinck nutzt einige dieser Plattformen, um sich während seiner Kunstreisen als eine Art gläserner Mensch oder radelnder Avatar zu performen. Über Twitter und Blog können Interessierte so seinen Reisen und seinen Gedanken zum Unterwegssein fast in Echtzeit folgen.

Ich habe ihm zu seiner aktuellen Reise, die er am 9. März 2017 gestartet hat, einige Fragen gestellt.

Was hat sich verändert, seit du vor fünf Jahren zu deiner ersten großen Livereise aufgebrochen bist, um während vier Monaten die Nordsee zu umradeln?

Außenrum hat sich sehr viel verändert, rein weltgeschichtlich. Auch ich selbst habe viel erlebt in den letzten Jahren. Außer ums die Nordsee bin ich unter anderem ans Nordkap und nach Gibraltar geradelt. Die aktuelle Tour dreht sich buchstäblich um das Land Rheinland-Pfalz.

Bei der Nordsee war die Strecke vom Meer vorgegeben, beim Nordkap und bei Gibraltar waren die Ziele ebenfalls klar vorgegeben. Was unterscheidet dein nächstes, geografisch nahes Projekt von den fernen Radreisen?

Das nächste, nahe Projekt gleicht insofern den anderen Projekten als dass ich wieder mein Livereise-Konzept umsetze – das heißt ich schreibe im Blog und auf Twitter und zeige dort auch Bilder von der Reise. Diesmal erkunde ich nur im Kleinen Neuland, nachdem ich das zuvor im Großen gemacht habe. Der große Unterschied liegt darin, dass die Strecke diesmal kürzer ist – allerdings mit um die tausend Kilometern nicht ganz kurz –, aber kürzer als die großen, fernen Europaziele. Und es gibt diesmal keine Grenzen, die ich überschreiten werde, zumindest keine politischen. Bei den anderen Reisen habe ich jeweils nationale Grenzen überschritten, diesmal streiche ich der rheinlandpfälzischen Landesgrenze entlang, auf dem Rheinland-Pfalz-Radweg.

Das Stichwort Grenze drängt sich mir da dennoch auf. Wird das in irgendeiner Form in deinen geplanten Blog- und Twitterberichten thematisiert?

Ja, das ist vorgesehen. Einerseits weil ich selbst sehr nahe an der Grenze lebe, andererseits will ich den Fragen nachgehen: Wie kommt es überhaupt zu Grenzen? Oder: Wie muss man denken, dass man Grenzen wahrnimmt? Es gibt hier ja ganz unterschiedliche Grenzen: Die Stadtgrenze, die regionale pfälzische Grenze, doch Rheinland-Pfalz ist größer. Da gibt es Rheinhessen, Hunsrück, Eifel, Mittelrhein, Westerwald, Saarpfalz und die Pfalz … und je nachdem, wo ich bin, kann ich die Grenze so oder eben anders wahrnehmen. Grenze ist wahrscheinlich auch ein Element, das man nur wahrnimmt, wenn man seinen Standort als solchen wahrnimmt und sich verteidigen will oder von den andern abgrenzen.

Das klingt für mich politisch. Hat Grenze für dich mit Perspektive zu tun?

Ja, auf jeden Fall. Eigentlich sehe ich mich selbst ja als unpolitisch und würde es am liebsten vermeiden, Stellung beziehen zu müssen, doch in letzter Zeit hat sich ja so viel verändert, zum Beispiel in der weltweiten Migration und damit kommt die Frage immer wieder, ob es gut ist Grenzen auf- oder wieder zuzumachen, so dass ich mich diesem Thema nicht mehr entziehen kann. Man wird da quasi eingesaugt in das Politisch-Sein-Müssen.

Das heißt, wir dürfen bei deinem zukünftigen Blogartikeln auch hin und wieder ein politisches Statement erwarten?

Es ist nicht auszuschließen. Ich will nicht groß politisch werden, doch es ist kaum möglich, neutral und unpolitisch zu sein.

Kunst ist für dich also sowohl politisch als auch bewusst nicht politisch? Wie würdest du in diesem Kontext deine Vision von Kunst, von deiner Kunst, denn beschreiben?

Meine Vision ist, dass meine Kunst entsteht, während andere darüber nachdenken (lacht). Ich mache einfach, was ich mache. Ohne den Anspruch zu erheben, dass es gut ist oder dass es überhaupt irgendwie ist. Am liebsten würde ich einfach nur an meinen Projekten arbeiten ohne mich um Ergebnisse kümmern zu müssen, oder um Zeitpläne und um Wertungen. Das sollen andere machen.

Ein kleines Schlusswort: Was ist dein roter Faden in deiner Kunst/Nicht-Kunst?

(lacht wieder) Mein roter Faden ist es, das Alltagsgeschehen zu dokumentieren. Was zählt, ist die Gegenwart.

Ich bedanke mich herzlich für dieses anregende Gespräch.

(© by Sofasophia)


Links

#umsLand | Tag 8 – ganz oben

Eine Schlaufe ist Irgendlink heute gefahren, bis nach ganz oben auf der Rheinland-Pfalz-Karte, zum nördlichsten Punkt des Rheinland-Pfalz-Radweges. Von dort aus geht es nun wieder abwärts, südwärts. The Point of no return ist geschafft, twitterte er sinngemäß.

Um sich von den zwei letzten kalten Nächten zu erholen, dem für morgen angesagten Regen ein Schnippchen zu schlagen und mal wieder alle Akkus zu füllen, hat Irgendlink heute in einem kleinen Hotel in Daaden eingecheckt. Und dank WLAN sind diesmal die Bilder schon in der Homebase angekommen.

Heute heißen wir alle neuen Leserinnen und Leser, die sich dank des feinen heute in der Rheinpfalz-Zeitung erschienen Artikels eingefunden haben, herzlich willkommen. Danke an Alexander Graf für den toll geschriebenen Bericht. Demnächst folgt hier im Blog ein Link, der den Blogleserinnen und -lesern, welche die Zeitung nicht abonniert haben oder nicht in der Gegend leben, erlaubt, den Artikel drei Monate lang kostenlos zu lesen.

Und nun die versprochenen Bilder des Tages mit Irgendlinks Kommentaren.

Das Fahrrad auf der schmalen Straße nach Wissen.
Das Fahrrad auf der schmalen Straße nach Wissen.
Im Café Alzen in Wissen steht dieser Kaufmannsladen zur Dekoration. Generationen spielten damit.
Im Café Alzen in Wissen steht dieser Kaufmannsladen zur Dekoration. Generationen spielten damit.
Die Mitte der Radroute ums Land - von Zweibrücken gesehen - könnte beim Hofgut Wippe liegen. Unweit des nördlichsten Punkts der Rheinland-Pfalz Radroute bei Friesenhagen. Ich könnte mir an der Stelle - ein bisschen selbstherrlich, ich gebe es zu - einen Gedenkstein vorstellen, auf dem Pfeile nach links und rechts zeigen mit der Aufschrift "Zweibrücken 520 Kilometer".
Die Mitte der Radroute ums Land – von Zweibrücken gesehen – könnte beim Hofgut Wippe liegen. Unweit des nördlichsten Punkts der Rheinland-Pfalz Radroute bei Friesenhagen. Ich könnte mir an der Stelle – ein bisschen selbstherrlich, ich gebe es zu – einen Gedenkstein vorstellen, auf dem Pfeile nach links und rechts zeigen mit der Aufschrift „Zweibrücken 520 Kilometer“.
Vorm Wasserschloss Crottorf hängt dieses Schild. Aber man kann es wahrscheinlich besuchen. Ein faszinierender Ort. Wegen Zeitknappheit musste ich mir jedoch eine Besichtigung verkneifen, wie auch einen Abstecher zur Wildenburg.
Vorm Wasserschloss Crottorf hängt dieses Schild. Aber man kann es wahrscheinlich besuchen. Ein faszinierender Ort. Wegen Zeitknappheit musste ich mir jedoch eine Besichtigung verkneifen, wie auch einen Abstecher zur Wildenburg.
Nahe Kirchen erkennt man die Landesgrenze Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz an unterschiedlich farbigen Radweghinweisschildern.
Nahe Kirchen erkennt man die Landesgrenze Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz an unterschiedlich farbigen Radweghinweisschildern.
Hier → lang geht’s zum direkten GPS-Tagestrack.

Google maps (annähernd)

#umsLand | Tag 9 – Bei Fuchs und Katze ein Bier

Entgegen der Wetterprognosen hat es heute Morgen in Daaden nicht geregnet. So hat sich Irgendlink schon bald auf sein Blechpferd gesetzt und ist bergan geradelt.

»Neun Uhr frühe Kirchturmuhr in Daaden mahnt an die fliehenden Stunden des Lebens. Naufi geht’s nach Rennerod«, twitterte er munter. Doch später wird es windig, regnerisch, kühl. Der Wind pfeift im in Salzburg um die Ohren. In Fuchskaute findet er Zuflucht. In einem noblen Restaurant. Wo es selbstgebrautes Bier gibt.

Aus Westerburg beim Katzenstein meldete er Regenende. In Girod bei Montabaur, auf einem Naturpark-Camping, trifft er sich jetzt mit dem Twitterfreund @datenchef aka Klaas, der heute Nacht dort ebenfalls campiert.

Das Langsamnetz ist leider mal wieder nicht geeignet für Bildertransfer. Gönnen wir darum den beiden Jungs jetzt einen gemütlichen Kennenlern-Abend an der Feuerschale. Cheers!

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Google maps (annähernd)

Die Parkbank am nördlichsten Punkt der Rheinland-Pfalz-Radroute | #UmsLand

Wie viele Leute sind eigentlich am Bau eines Radfernwegs wie der Rheinland-Pfalz-Route beteiligt? Es müssen Unmengen sein. Tausende. Verkehrsplaner, Verwaltungsbeamte, Ingenieure, Statiker, Bauarbeiter, Schildermacher, Webseitengestalter, Juristen, Notare, Politiker, Grafiker Verkehrsplanerinnen, Verwaltungsbeamtinnen, Ingenieurinnen, Statiker, Bauarbeiter, Schildermacher, Webseitengestalterinnen, Juristen, Notarinnen, Politikerinnen, Grafiker, Kiesgrubenarbeiter, LKW-Fahrerinnen, Holzfäller und Herstellerinnen von gemütlichen Parkbänken und Picknicktischen – ich gendere diesen Text nicht nachträglich nach dem guten Tipp von Frau SoSo im Kommentarstrang. Gendern würde ihn gar nicht unlesbar machen – Kiesgrubenarbeiter, LKW-Fahrer, Holzfäller und Hersteller von gemütlichen Parkbänken und Picknicktischen. Am nördlichsten Ende der Radroute steht bestimmt eine gemütliche Parkbank mit Blick nach Süden über das zusammengewürfelte Bundesland, umgeben von Wiesen und Wäldern. So phantasiere ich, ein kleines Bachtal auf einer vielleicht vier Meter breiten Straße aufwärts kurbelnd. In Wissen hatte ich noch überlegt, ob ich überhaupt den „Umweg“ von vielleicht vierzig Kilometern machen soll. Auf dem Radweg an der Sieg wären es nur etwa fünfzehn Kilometer bis nach Betzdorf. Wenn ich Pech habe ist der Nordzipfel nur eine Fortsetzung der Gegend zwischen Bad Honnef und Altenkirchen, ruppiges, huckeliges Land, ein einziges Auf und Ab.

Als selbsternannter Radrouten-Tester muss ich allerdings das Spiel mitspielen. Schon kurz hinter Wissen beginnt das wunderbare Tälchen, das es tausendmal wert ist, dem Diktat der Radroute zu folgen. Ein murmelndes Idyll auf kaum befahrener Straße, Viehweiden, Wälder, ab und zu ein paar Felsen, Mühlen und Weiler bis fast nach Friesenhagen. Gekrönt wird die nördliche Schleife des Rheinland-Pfalz-Radwegs vom Wasserschloss Crottorf und der Wildenburg. Beide kann ich nicht besuchen, da ich in Zeitnot bin. Überhaupt, wenn ich eine Empfehlung aussprechen müsste, wie lange man denn für die 1040 Kilometer ums Land einplanen sollte, würde ich sagen drei Wochen, vielleicht auch vier. Es gibt so viel zu sehen und zu erleben in den kleinen Städtchen. Auch der ein oder andere Abstecher zu Sehenswürdigkeiten lohnt. Ich habe nur zwei Wochen Zeit. Sportliche Radler könnten es in einer Woche schaffen.

Die Parkbank am nördlichsten Punkt der Radroute gibt es übrigens tatsächlich. Sie steht unter einer Eiche am Straßenrand direkt am Ruhr-Sieg-Radweg. Ein Holz gewordener Ruhepol unweit der Ich-Ik-Sprachgrenze.

Am vorgestrigen Donnerstag sind die Wiesen frisch gedüngt, was das Sitzerlebnis olfaktorisch etwas trübt.

Wieder auf Südkurs benutzt man bis Betzdorf ein stückweit eine alte Bahntrasse, verlässt kurz Rheinland-Pfalz und durchquert das Fachwerkstädtchen Freudenberg. Ein Unesco-Welterbe, erzählte mir eine Anwohnerin. Straßenzüge voller mittelalterlicher, Fachwerkhäuschen. Schneeweiße Wandflächen treffen auf dunkle Holzbalken garniert mit Schieferverkleidungen. Kopfsteinpflaster und Touristen. Hinter Kirchen und Betzdorf geht’s bergan wieder in den hohen Westerwald. In Betzdorf wurde die Sieg überbaut, so scheint es. Der Fluss verschwindet jedenfalls unter der Stadt in einem dunklen Schlund. Ähnlich wie die Nahe in Idar-Oberstein am Rande des Hunsrücks. Betzdorf ist ein ehemaliger Eisenbahnknotenpunkt. Nach Daaden führt ein Waldweg unweit der Bahntrasse stets aufwärts. Im Hinblick auf angekündigtes schlechtes Wetter, quartiere ich mich im Hotel ein. Ein altes Gasthaus mit knarzenden Holzböden, aber piekfein auf Touristen eingestellt.

Gestern, Freitag: Der prognostizierte Regen bleibt aus, so dass ich, statt wie geplant bis zwölf Uhr in Daaden abzuwarten, schon früh losradele. Am Abend bin ich in Westerburg mit Twitterfreund @datenchef verabredet. Die Radroute führt hinauf zur Fuchskaute, mit 657 Meter der höchste Berg im Westerwald. Wenn ich mir vorstelle, dass ich mal eben einen Berg vom Kaliber des heimischen Donnersbergs erklimme … Es windet. Eiskalt. Hunger. Verschwitzt erreiche ich den Gipfel, bzw. das recht noble Restaurant direkt an der flachen Kuppe. Ein Holzvollernter macht sich an einem Fichtenwäldchen zu schaffen. Mit hydraulischem, riesigem Roboterarm packt eine Zange die vielleicht vierzig Zentimeter dicken Bäume, lupft sie ein bisschen, schneidet sie ab, schält die Rinde und Äste, und schneidet transportgerechte Längen. Wir leben in einer durch und durch wirtschaftlich optimierten Welt. Ich muss an mein Hotel denken. Ein Holzharvester der Gastronomie, nur dass es nicht Bäume sind, die das Handelsgut darstellen, sondern die Menschen, bzw. die Dienstleistung an den Menschen …

Westerburg, fünfzehn Uhr. Gut so. Mit dem Datenchef vereinbare ich einen anderen Treffpunkt in Diez an der Lahn. Ich bin ein bisschen in Eile, froh, dass ich ein paar Kilometer mehr vorankomme. Am Wochenende soll das Wetter ganz übel werden, erzählte mir jemand.

Da die Zeltplätze an der Lahn wegen Hochwassergefahr geschlossen sind, treffen wir uns im Eisenbachtal nahe Montabaur. Lagerfeuer, Carbonara. Brrr-Grad Kälte. Sterne funkeln. Noch.