Grañon

Das Unvorstellbare zu beschreiben, das manchmal einen lieben langen Wandertag in einem gärt und abends bei untergehender Sonne in Form einer Pilgerherberge wahr wird, sollte man gar nicht erst versuchen. Am Morgen erzählte uns Volontär Guy in Nájera die beiden Möglichkeiten für diesen Tag: das 20 km entfernte Santo Domingo de la Calzada, einer der ganz besonderen Orte auf dem Weg. Voller Energie und mit einer der prächtigsten Kathedralen der Welt gesegnet. Dort gibt es eine Pilgerherberge mit Heizung und Betten. Alternativ etwa 28 km bis nach Grañon, wo man in der Kirche untergebracht wird auf Matten auf dem Boden ohne eine Heizung. Es gebe aber einen Cheminé-Ofen.
Laura beschließt darauf hin, mit dem Bus nach Sto Domingo zu fahren füreinen Tag Sightseeing und um ihren Fuß zu schonen. Grañon kommt nicht in Frage wegen der Kälte. Und den Matten.Du sollst Dir kein Bild machen! Aber Du machst es immer: kaltes dunkles Gewölbe, Kerzenschein, jeder Schritt hallt. Das Husten rachitischer Pilger erfüllt den Raum. Der Atem gefriert.
In der Nacht muss es Minus fünf Grad gehabt haben. Rauhreif auf den Autoscheiben, klirrende Pfützen beim wunderschönen Anstieg zum Alto de Nájera. Nájera verlassen an einem Sonntagmorgen ist um ein Vielfaches schöner, als samstagsabends auf vermüllten Vorstadtstraßen reinzulaufen. Auf den Weinfeldern streifen vermummte Jäger durchstreifen die Felder Schüsse Hundegebell. Die Überreste frisch gehäuteter Karnickel auf der Straße. Ein Mann mit vier Hunden erklärt mir den Weg. Und ich denke an Thomas und Hund Sardi und wie sie den Spießrutenlauf wohl überstehen werden. Im nächsten Dorf treffe ich sie. Für Sardi ist das Geballere purer Stress. Erst gegen Mittag lässt es nach. Versuche nie, den Camino sonntagsfrüh mit Hund zu laufen. Wir unterhalten uns über Energie und wie sie in unseren Körpern wirkt und wie der Camino die verqueren Bahnen in uns wieder ebnet. Ich spüre deutlich eine Besserung meines Gesundheitszustands. Und kann nicht erklären, warum. So langsam fange ich wunderlicher, an nichts glaubender Doppelsteinbock an die unerklärliche Kraft des Weges zu glauben. Bei Eiswind durchqueren wir zu Dritt die kahlste Gegend, die ich jemals gesehen habe. Eine unglaubliche Weite. Frisch geebnete Felder in Terracotta und Umbratönen lösen die ewigen Weinfelder Rijoas ab. Wegen des Hunds, der sich uns drei als Rudel zurechtdenkt, können wir uns für den Tag nicht mehr trennen. Immer wenn ich zurückfalle weil ich fotografiere oder einfach zu langsam bin, fängt das Tier an, Thomas zurück zu bellen und mich nach Vorne. So laufe ich ein bisschen schneller, als ich will und Thomas ein bisschen langsamer. Gegenseitig bestimmen wir des anderen Geschwindigkeit. Das ist vielleicht das Hundedilemma?
Deshalb mache ich die Kathedrale in Sto Domingo auch im Schelldurchlauf:: das Prächtigste, was ich jemals gesehen habe. Kirchenschätze. 20 Minuten. Das Ding läuft ja nicht weg, genauso wie die Stadt. Gegen 16 Uhr raus nach Grañon, wo wir hoffen, das Hundchen unterzubringen. Durch ein beinahe labyrinthisches Treppenhaus kommt man in den ersten Sock des Seitenschiffs der Kirche. Holboden, lodernder Kamin, gegen die Kälte draußen mit 15 Grad angenehm warm. Wie in der Künsterbude eigentlich und ist auch genauso verwinkelt wie daheim. Drei Volontärinnen kochen für uns: Kathrin aus Frankreich /Spanien und die Südtirolerin Sarrita, die dritte kenne ich noch nicht. Eine unglaublich schöne, warme Herberge.
Gerade SMSt Laura, dass Stinkmann in Sto Domingo eingetroffen ist. Sie ist dort mit BjongSu. Hier bei uns ist Chaeuk (Töng habe ich ihn glaub ich genannt – ganz schön schwer in der LiveSchreibe den Überblick zu behalten. Fipptehler bleiben erstmal drin. Ich muss noch ein Ritual durchlaufen. Ein Pilgerspießrutenlauf ist das …

J‘ ai mal aux pieds

Aufenthaltsraum der Pilgerherberge Nájera. Ich habe dummerweise schon eine halbe Flasche Rioja-Wein im Kopf. Das macht das Bloggen etwas schwer und das Gedankenstrukturieren unmöglich. Wie sieht es hier aus? Gegen 22:00 Uhr trudeln 6 Mitgliedrr der hießigen ‚Amigos del Camino‘ ein und fordern von dem strengen Volontär Guy lauthals Rechenschafz. Lauthals bedeutet in dieser Gegend nicht etwa, dass sie zeternd und drohend im Raum stehen und dem armen, etwa 50jährigen Franzosen die Hölle heiß machen wegen der Tageseinnahmen, die einzig aus freiwilligen Spenden beruht.. Die Menschen sind in dieser Gegend recht impulsiv. Als ich in der Abenddämmerung in die Stadt laufe, treffen vor der Sporthalle Nájera acht stämmige Kerle in zwei dunklen BMWs aufeinander. Ebenfalls lauthals und mit rudernden Armen gehen sie aufeinander los, so dass ich fürchte, in einen Bandenkrieg geraten zu sein. Aber es handelt sich dabei nur um die sich formell begrüßende Volleyballgruppe.
Nun ist es fast zwei Uhr nachts. Ich habe einen gehörigen Kater. Für 1,50€ habe ich zum Abendessen vorhin eine Flasche Rioja gekauft. Laura, die die letzten 11 km mit dem Taxi bewältigt hat, hat Reis mit Linsenspinatpaprika gekocht. Thomas kommt aus dem nahen Hotel zum essen. Mit Hund durfte er hier nicht rein. Mit im Zimmer sind noch zwei junge Franzosen, die nur übers Wochenende wandern. 2 km vor Nájera haben sie an einen Brückenpfeiler geschrieben „j‘ ai mal aux Pieds‘ und dazu das heutige Datum. Erst später erkenne ich auf dem Foto, das ich mache, dass der verzweifelte Spruch (Hab Fußeeh) von ihnen stammt. Verschmitzt lachen sie mich an. Die Herberge ist die sauberste, die ich bisher erlebe. Bei der Tür muss man die Schuhe ausziehen. Sie werden in einer Abstellkqmmer in einem Regal gelagert. Im Aufenthaltsraum drei 3 m lange Tische nebst Sitzbänken. Küche mit zwei Herden und zwei Spülen, Schlafraum hat knapp 100 sehr bequeme Betten.
Die Etappe seit Logroño war hart. Führte kilometerweit auf steinigen Wegen an der Autobahn entlamg, von wo mancheiner uns aufmuntrrnd zu hupte. Aber auch durch die ewigen Weinberge, deren vergorener Saft mir gerade den Kopf so schwer macht.
So reiße ich mir diese Zeilen aus den Rippen, ich Kunstbübchen, Padavan, ich, Prost und gutn8.