Tag 38 – Bilder

Collage von Edinburgh und unterwegs (Draufklick für groß).

Geröllschutznetze am Nordufer des Forth, wo der Radweg die Brücke verlässt und einen guten Kilometer direkt neben der Autobahn läuft.

Überquerung der Firth of Forth Bucht auf der Forth Road Bridge. Zwischen Queensferry und Inverkeithing

Vom Blairdamforest abwärts nach Kinross

Weitere Kunstwerke von Irgendlinks Reise finden sich auf pixartix_dAS bilderblog

Kumulierte Belichtungszeit vor Edinburgh Casle

„Relax with a tankard of ale by the fire in a pub and try the drover’s own beer.“ (Aus : Visit Scotland – What to see and what to do 2012-13, Perthshire, Angus & Dundee)

Weit jenseits der schottischen Grenze kurbele ich durch ein ganz und gar nicht schottisch anmutendes Gebiet, kahles Hügelland, menschenleere Vorstadt, schicke Neubauten, die ein bisschen an die kleine Stadt Pajala an der schwedisch-finnischen Grenze erinnern. Hinter Betonmauern verbergen sich ferngeheizte Mietwohnungen, im Keller eine Gemeinschaftssauna, Shop an der Tankstelle, so erlebt auf dem Kapschnitt zusammen mit Freund QQlka 1995.

Das Gebiet um Dunfermline erinnert ein bisschen daran. Ich habe Edinburgh über wenig bis mäßig befahrene Stadtstraßen verlassen. Das geplante Sightseeing bis zum Nachmittag ist etwas dürftig ausgefallen, weil ich mich mit den Leuten von Haggis nicht über die Gepäckaufbewahrungsgebühr einigen konnte. 2 Pfund pro Stück hätten sie verlangt, was inclusive Rad 14 Pfund bedeutet hätte. Dafür hätte es sogar schon eine Nacht in der billigsten Absteige der Stadt gegeben. Wir feilschen und wären uns bei 6 Pfund einig geworden. Für drei bis vier Stunden wertlose Dinge irgendwo rumliegen lassen? Meine Sturheit. Es geht ja gar nicht ums Geld. Wifi für 3 Pfund am Tag. Fletcheresque!

Außer den Wunderwerken an Duschen und, ach ja, jemand hatte auch die Matratzen des Haggis gepriesen als Technik, die dem 25ten Jahrhundert entspräche, hat das Haggis nichts zu bieten. Ich hoffe, dieser Bericht landet nicht im großen Ordner mit den lobhudelnden, jugendhostelverherrlichenden Propangandamaterialien, die sie im Leseraum horten.

Mit gepacktem Fahrrad morgendliches Edinburgh im Schnelldurchgang. Ich setze die Stadt auf meine Liste der zu fotografierenden Städte dieser Welt, weil sie so wunderbare Artefakte, Details, dreistellige Hausnummern etc. vorhält. Architektur opulentest. Humes-Denkmal, drei Telefonzellen, Spiegelkabinett, zwei Telefonzellen, zwischen die sich japanische Touristen quetschen und sich von Freunden fotografieren lassen, Schottenrockläden, Tand. Containerweise werden im Hafen billig produzierte original schottische Plastik-Souvenirs, Dudelsäcke, Dosen voller Haggis, Whiskyflaschenhalsbändchen, Röcke, Röcke, Röcke angeliefert. Eine „echte“ Wolldecke, die in China für 10 Cent produziert wird, kostet im Laden 10 Pfund. Ein Fotograf mit einem solllllchen Objektiv wartet vor dem Castle auf das richtige Licht. Immer wieder peilt er mit dem Daumen, während um ihn ein Gewusel aus immer gleich ablaufenden Stell-dich-mal-vors-Schloss,-ich-mach-mal-ein-Bildchens abläuft. Wenn man alle 100stel Sekunden, die pro Stunde vor dem Schloss ein Bild belichtet wird zusammenrechnet, wie lange wäre dann die kumulierte Belichtungszeit in einer durchschnittlichen Stunde vor dem Edinburgh Castle an einem Freitagmorgen im Mai.

Kojanis Kazi (weiß nicht, wie man das richtig schreibt), jener 70er-Jahre-Film*, der so intensiv mit Zeitraffern und Zeitlupe arbeitet, kommt mir in den Sinn. Als ich etliche 100stel Sekunden Schloss mit dem iPhone belichtet habe, steht mein wachsamer Fotograf mit dem riesigen Objektiv noch immer bewegungslos mit dem Daumen peilend vor dem Schloss. Ich mache Selbstportraits vor den Lock-Spiegeln, die sie in die Mauern des Spiegelkabinetts eingelassen haben, komme zu dem Schluss, das ganze Leben ist ein Zerrbild. Je nachdem, wie du es betrachtest, längt sich das eine Element, kürzt sich das andere, winden sich wieder andere, schränken, quirlen, sprialisieren, dehnen und zwängen sich unsere Sichtweisen. Vielleicht funktionieren andere Menschen wie Spiegel. Individuelle Oberfläche – individuelle Projektion der Erlebnisse.

Edinburgh mit dem Fahrrad verlassen, darüber wollte ich schreiben: die Radwegbeschilderung ist lückenhaft. Ohne GPS-Track auf dem iPhone wäre ich aufgeschmissen. Am westlichen Stadtrand gibt es für ein paar Meilen einen Bahntrassenradweg, der erstaunlich gut geteert ist. Wie im übrigen mir die Straßen Schottlands etwas besser vorkommen, als die englischen. Ab Cramond beginnt das Straßengemetzel, das über Queensferry und die M90 Autobahnbrücke bis hinter Dunfermline anhält. Es gibt zwar Radwege, aber es macht keinen Spaß, direkt neben der Autobahn zu fahren. Die Autobahnbrücke vibriert ohne Ende, so stark rütteln die Schwerlaster an der Hängebrücke. Prima Aussicht auf die Eisenbahnbrücke, die einen halben Kilometer westlich den Forth of Firth oder den Firth of Forth überspannt. Jene imposante Stahlkonstruktion.

Ab dem Haus-See oberhalb von Dunfermline bei Townhill wird es ruhiger. Bei eisigem Nordwind stets berghoch. Ein Wanderer mutmaßt, dass es im Norden sogar schneien könnte, so kalt sei es. Um die Steigung bin ich froh. Sie wärmt. Die Sonne setzt sich nachmittags durch. Menschenleere Gegend, Kiefern, Tannen und Lärchen oder heißt es Lerchen – gemeint ist der Baum. Gegen 18 Uhr beschleicht mich der Gedanke, dass ich vielleicht wild zelten muss, so menschenleer ist es hier. Plätze gäbe es genug. Zwar sind die Weiden hier auch eingezäunt, aber im Gegensatz zum englischen Zaun, der die Aufgabe hat, etwas, das von außen kommt, zu hindern, reinzukommen, ist der schottische Zaun einer, der verhindert, dass etwas, das drinnen ist, raus kann. Kleine Zaunphilosophie berghoch. Was bedeutet das im übertragenen Sinn für den menschlichen Charakter? Wir alle müssen uns ja gegen unsere Umwelt abgrenzen. Somit sind wir alle von imaginären, selbst geschusterten Zäunen umgeben. Welche Aufgabe haben die? Natürlich müssen sie beides können: das Böse von außen abhalten, das geheime von innen nicht sichtbar werden lassen. Die hochtechnische Membran meiner familienhausteuren gelben Regenjacke kommt mir in den Sinn. Sie hält den Regen ab, lässt aber Dampf hinaus. Sie hält den Wind ab. Das ist an diesem 38. Reisetag besonders wichtig.

Ich klettere immer weiter berghoch, meist im drittten bis ersten Gang, obwohl die Steigung kaum nach Steigung aussieht und das ist besonders fies. Kinross ist lange Zeit mit 11 Meilen ausgeschildert, dann mit 12 Meilen, dann mit 9, 8 und so weiter. Auf Entfernungsangaben, insbesondere auf Radwegschildern kann man nicht zählen. Bösen Stimmen zufolge liegt im Hafen von Edinburgh ein Containerschiff mit 12 Meilen bis da und dort Schildern, die man für einen Spottpreis in Hongkong gekauft hat. Das könnte erklären, warum in der Enternung von 15 bis 10 Meilen bis wo auch immer sich die 12 Meilen Schilder häufen. I’m kidding.

Ab dem Loch Glow geht es wieder abwärts. Rasant. Straßenbreite 2,50 Meter, was bedeutet, dass ich sogar als Radler an den Ausweichstellen stoppen muss, wenn mal jemand mit dem Auto entgegen kommt. Kinross gegen 20 Uhr. Laden mit langen Unterhosen schon zu. Wolldeckenladen nicht gefunden. Im Store gibt es nur Lebensmittel. Ich frage mich zum Campingplatz durch. Gallowhill Farm ist phantastisch. Fühlt sich skandinavisch an. Auch das Licht stimmt. Lange gleißende Sonne, durchsetzt von einem kleinen Schneeschauer. In einem Restaurant hatte man mir die Visit Scotland-Prospekte in die Hand gedrückt, hoch glänzend, die sich vor allem dem Thema Golf widmen. In Einzelseiten zerlegt und zerknüllt, stopfe ich mir das Teil unter die Jacke. Wärmt fast so gut wie die Gartennews.

Nun habe ich meinen ersten Sonnenaufgang erlebt. Schon um sechs Uhr etwa. Strahlend blauer Himmel.

Der Raureif ist mittlerweile weg getaut. So könnte es meinetwegen für den Rest der Reise bleiben. Kalt, aber ehrlich. Ich muss nur noch einen Lange Unterhosen-Laden finden.

(sanft redigiert und gepostet von Sofasophia)

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* Koyaanisqatsi, 1982. Link zu Infos bei Wikipedia: hier klicken.

Haggis

Herrliches Cockburnspath House. Ownerin Kim serviert mir abends Lasagne, Merlot, Kürbissuppe, ein vorzügliches Essen, und bittet mich, ihr meine Schmutzwäsche zu geben. Über Nacht könne sie trocknen. Ich frage nicht, was das alles kosten wird. Genieße den Moment. Als sie morgens 35 Pfund haben will, die sie mir als Preis fürs Bed & Breakfast genannt hat, kann ich es kaum glauben. Sie ist der Anti-Fletcher! Oder besser. Fletcher auf seinem schlammigen Hof bei Great Ayton ist der Anti-Kim. Wir einigen uns auf 40 Pfund wegen des Essens und ich beschließe insgeheim, die Adresse in diesem Blog wärmstens weiter zu empfehlen: Ihr könnt das Haus in Cockburnspath nicht verfehlen. Von der Cycleroute kommend liegt es eine halbe Meile südwestlich an der Countryroad, die als Bypass neben der A1 an Cockburnspath vorbei führt. Ein Schild steht vor einer Koniferenhecke. Das Interieur ist zwar sehr Ikea-lastig, aber fein. Erstaunt hat mich, dass Kim die Tischdekoration im verglasten Wintergarten, in dem sich der Essbereich befindet, den Tageszeiten anpasst. Stand abends eine schlichte leere Dekorvase auf dem Tisch, passend zum Weinglas, fand ich morgens Tulpen in einem weiten Gefäß vor. Der Salon mit Sofas und Flachbildschirm eigens für die Gäste tut sein übriges. Und die Klospülung ist kontinental einfach zu bedienen.

Die Radroute, 76 oder 75, ich kann mich nicht mehr erinnern und ohne Brille sieht für mich eine 76 sowieso aus wie eine 75, führt ein gut Stück an der A1 entlang auf separatem Radweg, um ab East Linton auf die gewohnt idyllischen Countryroads zu wechseln. In East Linton kommt die Sonne raus, und mit dem Hailes Castle, welches eine Ruine ist auf idyllischer Wiese an Bach, besichtige ich erstmals eine schottische Burg (siehe letzter Artikel). Im Prinzip ähnlich wie Pfälzer Burgen, nur dass der rote Fels fehlt. Außenrum Ginster. Zwei alte Damen sitzen quatschend auf einer Bank. Das So-hab-ich-es-mir-vorgestellt-radeln hat begonnen. Auf den knapp 70 Kilometern bis Edinburgh wird mir mit einem Schlag klar, wie unheimlich hart die letzten Tage waren. Wettertechnisch. Der Hochnebel die Tage zuvor hat unheimlich aufs Gemüt gedrückt. In ständiger Regenerwartung durchquerst du das Land. Ich stelle fest, dass das Wetter selbst nur in seltenen Fällen ein Problem ist. Es ist die eigene Vorstellung, die zum Problem wird. Die Idee, es könnte bald schlimmer werden. Das kann man getrost auch auf andere Lebensbereiche übertragen. Für einige Meilen denke ich darüber nach, wie wichtig es für eine Gesellschaft ist, sich mit geschönten Statistiken die Staatsverschuldung und die Arbeitslosenzahlen schön zu reden. Psychologische Glanzleistung. Wenn mir die Wettervorhersage auf dem iPhone immer Sonne vorgaukeln würde, würde ich mit ganz anderen Voraussetzungen in die nächsten Tage gehen. Wenn sie aber, was Tatsache ist, Regen und Nachttemperaturen um null Grad voraus sagt, denke ich mich innerlich in jeden Outdoor-Laden an der Strecke und ärgere mich noch immer, dass ich in Robin Hood’s Bay nicht eine der wollenen Decken gekauft habe, die es im Haus des Küstenwächters für 12 Pfund zu kaufen gab.

Ab Haddington – Bilder im vorherigen Artikel – führt der Radweg über einige Meilen auf einer alten Bahntrasse, die sich vor Edinburgh verliert und erst kurz vor der Stadt wieder als Radweg ausgezeichnet ist.

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Auf dem Weg nach Edinburgh: Lagune.

Durch einen dreihundert Meter langen Tunnel, eigens für Radler, gelange ich in die schottische Hauptstadt. Das Bern des Nordens. Wegen der Hügel und dem Gefühl, ich stehe direkt in der Länggasse, taufe ich die Stadt spontan so. Auch das Gequirle von Menschen und die vielen Touristen erinnern an die Schweizer Bundeshauptstadt. Die Aare kann nicht weit sein.

Es ist fast 18 Uhr Ortszeit. Ich beschließe, hier zu bleiben. Frage Passanten nach dem B&B-Strich, mogele mich vorbei an der Altstadt ins Gebiet hinter dem Bahnhof. Das sei momentan nicht sehr schön, sagte Kim vom Cockburnspath House, weil sie dort Tramlinien anlegen und die Straßen aufgerissen sind. Ein Typ, den ich vor dem Gebäude der schottischen Nationalbank anhaue, erklärt mir den Weg zum nächsten Youth Hostel: zur Ampel, „turn left, go to the end of the lane, turn right and watch for the „Haggis“ at the right hand side“.

Haggis, dritter Stock, 25 Pfund für ein Vierbett-Zimmer, in dem ich alleine bin. Wifi kostet 3 Pfund. Ich checke ein, schleppe Gepäck und Rad nach oben. Es schläft sich besser, wenn man weiß, dass das Rad nicht auf der Straße steht. Youth Hostel-Atmosphäre. Gespräche in der Gemeinschaftsküche. Viele Sprachen, viele Nationen. Das Gewusel macht mich ein bisschen nervös. So muss sich ein Hirtenhund fühlen, wenn die Herde zu weit auseinander grast. Im Leseraum kann ich das Rad platzieren. Dort liegt auf dem Tisch ein Ordner mit Ausdrucken aus Weblogs von Travelern, die das Haggis lobend erwähnen. Die Dusche wird am meisten zitiert. Sie sei ein wahres Wunderwerk der Technik, das ganz viele Einstellmöglichkeiten habe, das Wasser sei immer warm und man verbringe dort mindestens die Hälfte seines Herbergsaufenthalts. Lobhudelei vom Feinsten nur für eine Düse, aus der schnödes Wasser spritzt? Ich bin gespannt. Muss an die Hightech-Dusche auf dem Jakobsweg denken, weiß nicht mehr, wie die Herberge hieß, es war schon ziemlich nah bei Santiago, und die dortigen Duschen hatten Radio integriert und man konnte darin sitzen und es gab Massagedüsen. So auch im Haggis? Ich finde eine stinknormale Dusche vor, die drei Temperaturstufen und drei Wassersparstufen vorhält sowie einen Regler an der Düse, mit dem man die Verteilung des Wassers einstellt. Blitzsauber. Betten auch sauber. Küche sauber. Freundliche Hosts. 24 Stunden ist jemand an der Rezeption. Aber die Dusche, entschuldigung … ein Alleinstellungsmerkmal ist das nicht. Da möchte ich doch schon eher die vielen schönen Gemälde an den Wänden des ovalen Treppenhauses anmerken.

Ich überlege nun, ob ich hier bleibe, oder für 2 Pfund pro Gepäckstück meine Sachen bis 14 Uhr aufbewahren lasse, oder direkt mit vollem Gepäck noch einen Schlenker durch die Stadt mache. Der angekündigte Regen mit Wahrscheinlichkeiten bis 70 % ist bisher nicht aufgetaucht.

(sanft redigiert, Bilder eingefügt und gepostet von Sofasophia)

Tag 37 – Bilder

Hailes Castle, die Tafel

Hailes Castle, höchstpersönlich.

In Haddington habe ich in Mikes Fahrradladen Werkzeug gekauft.

Ebenfalls dort, vor einem Spielzeugladen …

Auch in Schottland gibt es vor Park-Radwegen die engen Fahrradsperren, durch die man das Radel quetschen muss.

Bahnüberführung kurz vor Edinburgh

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