Ein Hohelied auf die Bloggosphäre

Der Wind rauscht in den Pappeln an der Südgrenze des einsamen Gehöfts und ich frage mich, was hat das mit der Erklärung der Bloggosphäre zu tun, den du ein paar Artikel zuvor prophetisch angekündigt hast?

Alles.

Denn Bloggosphäre heißt vor allem Bloggen und sich um den Rest nicht allzuviel scheren. Fahr dein Ding und schreibe das, was du schreiben musst. Lies notdürftig Korrektur und drücke den Knopf Veröffentlichen. Mehr ist Bloggen eigentlich nicht. „A Man must do what a Man must do – ein Mensch muss tun, was er tun muss.“

Wir Blogger sind denkende, schreibende, mitteilende Wesen, die meist absichtslos, ihre Botschaften in die Welt tragen auf diesem einfachen, kostenlosen Medium, das im Prinzip jedem, der sich ein wenig damit beschäftigt, offen steht. Wir sind die Speerspitze der modernen Demokratie, die Avantgarde der informierten Gesellschaft. Deshalb sollten wir uns aus dem Schatten, der uns von bösen Zungen immer wieder geworfen wird, bloggen sei nichtssagend, unausgereift, wertlos, eine Pharce und überhaupt: „Was haben diese unaufgefordert publiziernden Hobbyschreiber im Web zu suchen“, endlich lösen.

Auf ein neues Selbstbewusstsein.

Es ist egal, ob du über den Sinn des Lebens bloggst, über Katzen, das Stricken oder dein kleines, niemanden scheinbar etwas angehendes Leben schwafelst. Dennoch hat es einen Wert im vielstimmigen Chor der Demokratie. Denn hier darf falsch gesungen werden und jede Stimme zählt, egal wie sie klingt. Eigentlich ziemlich ähnlich wie die geniale Col-Art des Schweizer Künstlers Marc Kuhn, der seit 1968 mit gemeinsamen Malaktionen aufmerksam macht auf das große, Unauslöschliche, was die menschliche Gesellschaft so unerschütterlich, so überlebensfähig, so brilliant, so bunt macht.

Die Bloggosphäre ist sicher das Beste, was der menschlichen Gesellschaft jemals gewachsen ist. Niemand hat sie gewollt. Niemand konnte sie sich vorstellen. Niemand hat sie geplant. Sie ist per Mutation im Internet binnen zehn, fünfzehn Jahren gewachsen und wir alle haben dazu beigetragen.

Was macht das Bloggen aus?

  • Jeder kann es tun, wenn er möchte
  • freie Themenwahl, bei der sich innige Kreise von Gleichgesinnten wie von selbst entwickeln. Da können die (z. B.) Stricker noch so sehr über die Sinnblogger lästern, ein jeder hat in seiner Sphäre, seiner Blase aus Gleichgesinnten, ein Forum
  • was wir einzig nicht tun dürfen: denen, die uns nichts sagen, die uns nicht inspirieren, das Lebensrecht absprechen. Im Web ist genug Platz für alle.
  • du profitierst, sobald du deinen ersten Blogeintrag schreibst, weil unmittelbar (theoretisch) jeder ihn lesen kann und sich deiner Kommentarfunktion bedienen kann, um mit dir in Kontakt zu treten, dich zu bestätigen, dir Tipps zu geben.

Das Phänomen Weblog ist, wegen der vielen Laien, die daran teilnehmen dürfen, leider verschrien als literarisch hobbyistische Zeiterscheinung, die sich nicht allzu lange halten wird. (Auch ich, der ich lange schreiben geübt habe und mich mit Wortgebrauch leidlich auskenne, sehe mich noch immer als Laie). Und finde es gemein, einem Menschen gegenüber, der einzig wegen des Mangels an Übung nicht so gut in der Lage ist, Gedanken oder Gefühle auszudrücken, sein natürliches Recht, sich trotzdem zu äußern, abzusprechen.

Es war schon immer ein Zeichen von Größe, anderen zuhören zu können, auch wenn sie nicht den ach-so-heiligen-mühsam-erarbeiteten-Verhaltenskodex beherrschen, den man sich selbst im Laufe seines Lebens erarbeitet hat.

Ja. Vielleicht hätte ich höchstpersönlich während der französischen Revolution den Schalthebel der Guillotine betätigt, um die Körper uneinsichtiger Adeliger, die sich etwas darauf einbilden, dass sie mit Messer und Gabel essen können, vom Kopf zu trennen. Nichts ist schlimmer, als Arroganz.

Weil es nicht richtig ist, geradezu rassistisch, andere Menschen mit ähnlichem Potenzial wie man selbst, als schlechtere Menschen abzutun und sie auch so zu behandeln.

Ich schweife ab.

Aber so ähnlich wird die Bloggosphäre diskutiert. Die angeblich Besseren erheben sich über die vermeintlich Schlechteren, nur um zu bestimmen, ich bin gut und du bist schlecht, ich habe das Recht hier zu sein und du nicht. Was für ein Quatsch.

Noch schlimmer sind die Literaten, die die Bloggosphäre argwöhnisch belächeln. Irgendwann werden auch ihre Köpfe rollen.

Nun gerät dieser Artikel zu einer Hommage an die Demokratie, wenn nicht gar an die Anarchie.

Dabei unternehme ich doch nur den Versuch, so etwas Unerklärliches, wie die Bloggosphäre zu erklären.

Rein technisch wäre die Sache ja auch ganz einfach:

Es gibt Blogger, die schreiben über verschiedenste Themen und bauen in ihren Blogs ein lineares Buch, welches man in der Regel vom neuesten bis zum ältesten Beitrag frei und umsonst lesen kann. Daneben gibt es Blogleser, die sich mehr oder weniger für die Blogs und ihre Themen interessieren, darin stöbern, sich inspirieren lassen. Oft sind Blogger auch Blogleser. In den Kommentarsträngen der einzelnen Artikel ergänzen die Leser die jeweiligen Artikel, was den Blogs eine gewisse Dreidimensionalität verleiht. Das große Potenzial der Weblogs ist sicher die Möglichkeit, Links zu setzen, zu vernetzen, Unvorhergesehenes einzubauen.

Ich darf an dieser Stelle verraten, dass dieser Artikel nie geschrieben worden wäre, wenn nicht StrichundStrich (siehe Linkliste rechts) in einem Kommentar zu dem Artikel Irgendlink wider die Blogvernichtung dazu animiert hätte.

Eines der Geheimnisse der Magnifikanz von Weblogs ist die Rückkopplung, die sich zwischen Leser und Schreiber direkt einstellt.

Ein Hohelied auf das Medium Weblog, zweifellos, hey, und das ist doch auch der Titel dieses Aufsatzes. So soll es sein – und dies ist ein weiterer Blick hinter die Kulissen: Artikel entstehen spontan, unvermittelt und gelangen beinahe ungefiltert ins Netz. ganz wie im richtigen Leben.

Was ist mit den Pappeln? Ach ja, glatt vergessen: 20 Meter hohe Dinger, die gerade im besten Frühling ever spriesen; und das ist ja der eigentliche Sinn dieses Weblogs, über das Wetter zu schreiben und dass es gut ist, immer gut war, und auf alle Zeit gut werden wird, denn das ist mein geheimes Wettertagebuch, liebe Gäste: Sehet die Blogger, sie stricken nicht, sie suchen nicht nach dem Sinn, sie fabulieren einzig über das Wetter und Blogg ernährt sie doch ;-)

Werbokratie

Ziemlich frustriert, weil ich nachts den Wecker auf neun Uhr gestellt hatte. Als er vorhin klingelte, einfach nochmal umgedreht. Somit müsste es jetzt halb zwölf sein.

Fakt ist jedoch, dass der Zweitwecker um sieben rasselte. Ein untrügliches Gefühl für die richtige Tageszeit scheint mir die Völle der Blase, die Gräue der Dämmerung, das Krähen des Hahns und noch so einiges – das Radio dudelt. Jetzt ist alles Fußball. Das Abdriften in die Werbokratie wird dieser Tage deutlich. Der Produzent putscht blutig gegen den Konsumenten. Jeglicher akustische, optische öffentliche Raum ist mit Marken gepflastert. Dreh- und Angelpunkt ist der Fußball. Man könnte sagen, die Werbung wird gleichgeschaltet. Jeder, der etwas auf sich hält macht in Fußball. Fußball ist ein knappes Gut. Fußball ist wichtig. Fußball ist gut. Fußball ist lieb. Ohne Fußball sitzt dein Haar nicht richtig. Ohne Fußball ist deine Verdauung gestört, alterst du schneller, wirst dick. Autos ohne Fußball sind nicht sicher. Versicherungen ohne Fußball kann man nicht vertrauen. Waschmittel ohne Fußball macht nichts weiß. Mobil ohne Fußball telefonieren ist sauteuer. Leg dein Geld bei Fußball an. Nur die Kartoffelchips von Fußball schmecken würzig knackig. Den Tatort solltest du dir von Fußball präsentieren lassen. Kauf deine Fußbälle bei Fußball. Und die Schuhe und die Socken. Nur Kondome von Fußball sind wirklich sicher. Massenunruhen wegen schmähender Fußballkarikaturen in Dortmund.

Wie kam ich jetzt auf das Thema? Wie oft musste ich Fußball schreiben?

Blogs ohne Fußball liest kein Schwein.

Wäre schon möglich, dass …

Nundenn, hab mich mal wieder eingeloggt, obwohl nicht in Schreiblaune. Zu berichten gäbe es so einiges. Viel Computerzeugs, was sich als Erwerb von Wissen bezeichnen lassen könnte. Ich bastele an meiner Galerie. Und an der Homepage des Mainzer Kunstvereins.

Hat wieder Plusgrade, weshalb ich die Wasserleitung reaktiviert habe. Nun finde ich endlich mein Besteck wieder, welches ich mit dem Spülwasser in den Garten geschüttet habe. Die Fässer, die in der Bude stehen, sind fast leer. Kommt mir vor, als wäre ich das Entwicklungsland der feinen Künste. Ich bin der korrupte Putschist der Literatur.

Am Morgen hatte ich einen ernsthaften Bericht über die Angst im Sinn. Aber wie es mit den ernsten Themen so ist, sie lassen sich nicht nebenbei schreiben. Grundlage meiner Assoziation war das Peterprinzip, über welches ich vor einiger Zeit geschrieben habe. Das Peterprinzip sagt, dass die Menschen in einer Hierarchie bis zu einem Posten aufsteigen, an dem sie sich als untauglich erweisen. Dort bleiben sie.

Mit der Angst ist es genauso: die Menschen handeln so lange auf ein wagemutiges Ziel hin, bis die Angst übermächtig wird und sie nicht mehr weiterkommen. Die Angst ist obendrein taktisch klug und versucht ihr Opfer zurückzudrängen. Das Opfer steht in einem zermürbenden Grabenkampf. Verwehrt ihm die Angst heute nur das Benutzen von Fahrstühlen, so diktiert sie ihm morgen schon, wann und wie es die Wohnung zu verlassen hat.

Die Angst ist ein hochmodernes Phänomen. Sie entsteht durch Informationsüberflutung, gepaart mit dem Unvermögen, das Wichtige vom Unwichtigen und das Richtige vom Unrichtigen zu unterscheiden.

Was mich heute Morgen dazu verleitet hat über die Angst nachzudenken? Die Vogelgrippe? Ein Tsunami? 8 Verkehrstote in nur einem Jahr auf der B Namenlos? Warum sind die Dinge, die den anderen passieren nur immer so nah und entgegen jeglicher Wahrscheinlichkeitslehre so ungemein wahrscheinlich?

Die Festplatte könnte kaputtgehen.

Nur ein Schnippen mit göttlichen Fingern

Samstag Auto gemietet und den kürzesten Weg nach Amsterdam genommen. Der führt über Trier nach Belgien, wo mir unweit von Liége in den Sinn kam: „Dieses wunderbare Netz aus Straßen und Verkehrsknotenpunkten! Was haben wir es doch zu etwas gebracht in den letzten 3000 Jahren, wir Menschheit.“ Ich schmunzelte und versuchte die Windschutzscheibe des Vito mittels Scheibenwaschanlage zu reinigen. Scheiterte. Aber da ich nach Norden brauste, war es nicht so schlimm mit den Spiegelungen. Nähe Maastricht wunderte ich mich, wie nahe Menschen am Fluss wohnen können, stellte das Radio lauter, weil ein gutes Lied gespielt wurde. „In 3000 Jahren wird von alldem vielleicht nichts mehr übrig sein. Kein Lied, keine Straße, keine Häuser und vielleicht auch kein Fluss. 3000 Jahre sind eine lange Zeit. Da kann viel passieren“, fabulierte ich. Ich summierte die 3000 Jahre menschlicher Vergangenheit mit den 3000 Jahren mutmaßlicher Zukunft und errechnete 6000 Jahre Hochzivilisation. Eine lange Zeit für einen Menschen, aber nichts im Vergleich zur Unendlichkeit. Nur ein Schnippen mit Gottes Fingern.

Und was ist mit den Unterhosen, die zwischen den Pobacken verschwinden?

Bizarrer eiskalter Morgen. Kokolores musste früh raus, weshalb wir einen schnellen Kaffee nahmen, den Hund und eine halbe Wohnungseinrichtung im Auto verstauten und uns beide in dicke Winterklamotten packten, denn die sibirische Kälte hat heute Nacht die Pfalz erreicht. Ein eiskalter Wind drückte von Osten. Sterne funkelten.

Zwischen Tür und Angel fragte Kokolores: „Sag mal, rutscht dir die Mütze auch immer ins Gesicht?“ Ich sagte: „Ja …“, rieb mir grübelnd das Kinn, doch Kokolores hatte schon eine Erklärung parat: „Vielleicht wäre sie lieber ein Schal?“ Solche Kommentare erheitern meinen Tag. Auf der Suche nach der Jacke spann ich an einer Allgemeinen Formel zur Unglückseligkeit der westlich zivilisierten Winterkleidung. In meiner Theorie waren die Kleidungsstücke beseelt. Mehr noch, sie waren schizophren, neurotisch und psychisch gestört. In einer dunklen Ecke tastete ich nach der Jacke, fand ein Stück Stoff, das sich anfühlte wie eine Hose, zog es hervor. Es war die Jacke. Kokolores schmunzelte: „Die wäre wohl lieber eine Hose, so wie sie die Kappe hängen lässt und um die Taille betont eng fällt?“ – „Da ist etwas wahres dran.“ Ich strippte das widerspenstige Kleidungsstück über den Pullover, der sich anfühlte wie ein Mantel. Der Schal leistete erheblichen Widerstand, als ich den Reißverschluss zuzog. „Ich glaube, die Sache lässt sich nur bauesoterisch erklären“ sagte ich, „die Welt ist verrückt, der Mensch ist verrückt und da ist es kein Wunder, wenn auch seine Kleidungsstücke ein bisschen komisch sind.“ Kokolores verabschiedete sich mit den Worten: „Und was ist mit den Unterhosen? Jaja, die Unterhosen, die immer zwischen die Pobacken rutschen …?“