Eine neue Straßenkarte für dein Leben, Herr Irgendlink? #IBCOCO

Beim Lesen meiner alten Roadmap diese Woche wurden mir zwei Dinge klar: erstens, ich merke gar nicht, in welchem Ausmaß mein künstlerisches und literarisches Schaffen voranschreitet. Einige zeitaufwendige Projekte konnte ich in den letzten drei Jahren realisieren. Im Liveblog radelte ich ans Nordkap und nach Gibraltar. Done. Ich stelle fest, ES GEHT MICH. Sozusagen. Und zweitens: weitermachen. Deshalb habe ich die drei Jahre alte Roadmap aus der Navigation genommen und eine neue, ungefähre Skizze mit Projekten und Büchern, die mir am Herzen liegen, geschrieben.

Eine grobe zeitliche Überschlagung ergibt fünfzig Monate Arbeit, wenn ich alles, was in der Roadmap gelistet ist realisieren will. Ich muss mir also überlegen, wie ich strukturiert weiterarbeiten kann.

Cover der vorläufigen Heiko Moorlander Biografie - verlassener Truck auf Erdhügel im siebziger Jahre Stil, bläulich gelb verwaschene Farbtöne.
Cover der vorläufigen Heiko Moorlander Biografie

Viele Fäden sind im Spiel. Ich werde sie weiterspinnen. Vorab und zum Wochenschluss lädt gerade eine Preview der Biografie von Heiko Moorlander auf den Server. 32 Seiten nur, aber immerhin ein Anfang. Zum Download des Expeditionen ins Erdreich eBooks.

Wie geht es nun weiter mit dem irgendlinkschen Kunst- und Schreibkomplex? Wie bisher, aber strukturierter und mit erhöhter Absicht, von Kunst und vom Schreiben leben zu können.

Übrigens, einen Punkt auf der Roadmap werde ich schon ab nächstem Wochenende in Angriff nehmen. Gemeinsam mit Sofasophia werde ich den Rhein hinabwandern.

Wir bloggen live und Ihr kommt mit, wenn ihr mögt. Flussnoten.de

 

 

Vorblicke #Flussnoten #ibcoco

Ab etwa achten Juli werden Frau SoSo und ich den Rhein ab Tomasee abwärts wandern. Vielleicht schaffen wir es bis zum Bodensee. Wir haben drei Wochen Zeit und schlendern um die zehn Kilometer pro Tag. Dazwischen bleibt viel Zeit zum Bloggen und Twittern.

Auf dem brandneuen Blog http://flussnoten.de kann man der Reise live folgen. Eventuell werden wir Postkarten von unterwegs schicken. Eventuell setze ich die Reise ab dem Endpunkt der Wanderung fort bis zur Mündung des Rheins in die Nordsee. Vielleicht vielleicht … vieles ist offen. Das Projekt wird sich sicher ganz von selbst entwickeln.

Für das vergangene Reisekunstprojekt, per Fahrrad von Zweibrücken nach Gibraltar, habe ich vor einiger Zeit ein Poster erstellt, das, wie seit der Umrundung der Nordsee üblich, auf 42 Stück limitiert ist.

Noch bis nächsten Samstag, (2. Juli 2016) könnt Ihr es zum Ausgabepreis von 40 Euro bestellen (zuzüglich Versandkosten). Danach kostet es, ebenso wie die beiden anderen Poster 60 Euro.

In diesem Artikel kann man sich die Kunstwerke anschauen.

Ich habe mir nun noch etwa ein Jahr eingeräumt, indem ich mich intensiv mit Schreiben und Kunstschaffen beschäftige. Greife alte Projekte auf und feile an den Feinheiten des „Was-bisher-geschah“.

Mindestens ein druckbarer Roman/Buch soll am Ende vom Fließband der feinen Künste fallen. Vielleicht die Biografie der Mudartlegende Heiko Moorlander? Daran arbeitete ich in den letzten Tagen wieder. Es gibt viele ungeschriebene skurrile Geschichten über den millionenschweren amerikanischen Landart-Künstler, der einen Teil seiner Kindheit in meiner Heimatstadt verbracht hat. Im Blog Erdversteck.de sammele ich sie. Die Lücke zwischen 2015 und jetzt fülle ich nach und nach auf. Es lohnt sich (vor allem für diejenigen unter den Irgendlink-LeserInnen, die eher auf der skurrilen Seite des Lebens stehen), im Erdversteck öfter mal reinzuschauen.

Projekte gibt es zur Nöche. Vom bauesoterischen Krimi über den Zukunftsroman der feinen Künste bis zum gesellschaftskritischen Angestelltenroman liegen einige Ideen auf Halde.

Mehr Diziblin, Muschi #ibcoco

Wo fange ich an, wenn ich längst angefangen habe, aber alles was angefangen wurde und im Gange ist, so unsichtbar ist, dass man nicht sieht, dass es begonnen hat?

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Mitten im Leben sammelt sich der Fluß zu einem See, der, von außen betrachtet, ruhig, liegend, nimmer fortbeweglich wirkt. Nur der Fachmann für Seen, die Flüsse unterbrechen, vermag vielleicht zu erkennen, dass der See nur eine beschauliche Schönwetterwarmwasseransammlung suggeriert, unter deren Oberfläche kalt der Fluss in Wirbeln und Strudeln abtaucht, in unerreichbarer Tiefe bei hohem Druck seinen Weg sucht bis zum Ende des Sees, wo er gewärmt aber ungezähmt austritt und seine Reise fortsetzt.

So komme ich mir gerade vor. Sammeln neuer Kräfte, mich mischend mit all dem Vielen. Abtauchen, taktieren, mich durchschlängeln, die Luft anhalten und schließlich da weiter zu machen, wo ich vor dem großen Schwurbelwirbelchaos aufgehört habe.

Ein Buch ist entstanden, das ich eigentlich schon vor zwanzig Jahren hätte schreiben wollen. In fünfzig Tagen, die ich von Zweibrücken nach Gibraltar radelte, habe ich live, täglich zum Mitlesen meinen Roman ‚Europenner‘ geschrieben. Wenn ich ihn vor zwanzig Jahren geschrieben hätte, wäre es ein vollkommen anderes Buch als es jetzt ist und die Versionen vor fünfzehn, zehn oder zwei Jahren wären auch völlig andere Versionen. Mal wäre es eine Liebesgeschichte geworden, mal ein Reisebuch à la Jack Kerouac, mal ein komplizierter Roman, der vom Tunnelbau handelt – und ehrlich, es gibt all diese Entwürfe noch. Sagen wir einmal, das waren verschwurbelte Kaltwasser-Warmwasserbeimischungen, die sich im Laufe von zwei Dekaden in einem tiefen, langen, breiten See ereigneten und die alle zur Oberfläche hätten steigen können, wenn es die Strudel nur zugelassen hätten.

Nun aber ist ‚Europenner‘ ein einfaches, emotionales Livereiseblog mit vielen tausenden Bildern geworden, Schnappschuss eines Künstlerlebens zwischen Zweibrücken und dem Süden Spaniens.

Ich bin zufrieden. Ich glaube, mit diesem Satz endet das Buch. Und das stimmt.

Die letzten Tage waren anstrengend. Parallel zur Einrichtung eines neuen PCs habe ich mit Arbeiten auf dem einsamen Gehöft begonnen, mit Gartenarbeit – eine ziemlich schlammige Arbeit. Ich kann eigentlich nur mit Gummistiefeln in den Garten, sinke ein bis zum Knöchel. Jede Pflanze, die ich aus den Pflanzgefäßen in den Sumpf versenke, tut mir ein bisschen Leid. Überall quatscht Wasser und auch heute regnete es fast den ganzen Tag. Das Gehöft ist von Gewittern umlauert, wurde aber bisher von Katastrophen, über die man in den Nachrichten allabendlich hört, verschont.

Was ich feststelle: ich komme wieder in eine Position, in der ich arbeiten kann. Nach all dem Aufräumen dieser Tage. Sei es nur, dass ich die Werkstatt in einen derart ordnungsgemäßen Zustand versetzt habe, in dem ich auch einen Vierzehner-Schlüssel finden kann, um den Rasenmäher zu reparieren, oder eben, die Daten alle auf einem neuen PC vereint habe, den Server repariert habe, auf dem dieses Blog läuft und nun, theoretisch, einfach nur ein Browserfenster öffnen muss, um einen Blogeintrag schreiben zu können. Die Maschine läuft rund.

Ich bin wieder da.

Da kommt mir die Einladung von Freund Hagen gerade recht, machste mit bei Ironblogger, fragte er kürzlich per Twitter.

Hä, wassen das?

Schnell mal Suchmaschine. Sie spuckt 110000 Ergebnisse aus, 250 davon sind relevant. Noch während ich mich durch die Ergebnisseiten scrolle, frage ich mich, hat je ein Mensch alle Suchseiten bei Google durchforstet und falls ja, wie lautet der allerletzte Eintrag? The Omega-Google-Rank sozusagen (feat. das ist ein Beitrag für Twitter (das müssen Sie nicht verstehen)) …

… zurück zum Thema Ironbloggerei. Bei Hagen geht es es irgendwie auch um IT und das CMS Joomla und die Geschichte, wie es zum Joomla-Ironblogger kam ist abenteuerlich mit Alles, Grenzkontrollen, Schikane usw. (englischer Text).

Die Ironbloggerei gibt es aber in verschiedenen Derivaten schon länger.

Frühe relevante Spuren für die Ironbloggerei führen z. B. ins Jahr 2011/2013. Es handelt sich um eine Art Initiative, verwaiste Blogs wiederzubeleben. Die Teilnehmenden bei einer Ironbloggerei verpflichten sich, einen Eintrag pro Woche zu schreiben und wenn sie dies nicht tun, müssen sie einen kleinen Betrag in eine gemeinsame Kasse löhnen. Die Bußgelder werden nach einer Weile von den Teilnehmenden entweder gemeinsam verzecht – die Initiativen sind oft regional und es gibt sie in allen größeren Städten – oder im Fall der #ibcoco, der ironblogger.cocoate.com, werden wir uns zu einer virtuellen Konferenz treffen und gemeinsam beraten, wohin das Geld fließt. Ein Wohltätigkeitsprojekt zum Beispiel.

Unsere Bedingungen sind moderat: Wenn man nicht bloggt, fließen fünf Euro in die Kasse. Gedeckelt wird das Ganze bei dreißig Euro. Das ist glaube ich in vielen Ironblogs so üblich, damit sich niemand verschuldet.

Kalt bin ich und strebsam. Der See kommt mir ebenso recht wie er mir in die Quere kommt. Er bremst mich. Er verwirrt mich. Er macht mich meine Identität verlieren für eine Weile. Wie lange brauche ich, um ihn zu durchqueren und wie sehr wird er mich verändern? Werde ich noch ich sein, wenn ich am Ende – es gibt doch hoffentlich ein Ende, ich darf doch weiter fließen? – wenn ich am Ende des Stehgewässers wieder austrete …

… ich habe es doch tatsächlich geschafft, aus zwei alten Computern und drei Festplatten und etlichen USB Sticks einen nigelnagelneuen Computer einzurichten, der mein gesamtes digitales Dasein seit 2001 birgt. Fast zwei Wochen habe ich Daten aufgeräumt, Fotos kopiert, eine neue Verzeichnisstruktur aufgebaut und das System unter Linux dennoch so schlank gehalten (danke, fslint, dankeee), dass es kein halbes Terrabyte umfasst. Dabei sind mir die alten Blogtexte aus den Urjahren des Irgendlink/Europenner-Schreibimperiums unter die Finger gekommen.

Ich lese normalerweise keine eigenen Texte. Nach zweimal Korrekturlesen ist Schluss.

Deshalb war es fast so, als hätte ich ein fremdes altes Blogbuch aufgeschlagen. Von Brotjobs, Reisen, Alltagsleid und Alltagsfreud lese ich und finde so einige Schmankerl, die sich gut auf Twitter machen würden. Faszinierend, dass dieses Twitter, mein derzeitiges Lieblingssozialesmedium, erst einige Jahre nach meinem Eintritt in die digitale Schreibwelt entstanden ist.

Ich ufere aus.

Lasst mich schließen nun. Es ist halb drei nachts. Ein Blogeintrag aus dem Jahr 2005 gibt diesem Artikel seinen kruden Titel – mit der Bahn fuhr ich durch die Südpfalz in einem verranzten Fahrradabteil in einem uralten klappernden Bahnwagen, an dessen Wand jemand mit Edding den Spruch ‚Eine Muschi mit Diziblin‘ geschrieben hatte.

Ha, Diziblin. Ha, Muschi.

English for the #ibcoco bloggers: It’s impossible to translate this article and even if you try to autotranslate it you will not get a human readable information.

I’m new in ironblogging. And I did not have any contact to Joomla. But I’ll install it on a local server to make my experiences with it. Maybee i’ll write about my experiences. But there are else things to think – and write about.

I guess it’s not only about Joomla, your iron blogging projekt, is it?

Me: Artist, Germany, traveler, photographer, literarian, blogger. Living in the outscirts of a small town near the french border.

Ironblogger auf cocoate.com:

http://daydah.com/about-us/our-blog.html | http://twitter.com/daydah

https://davidaswani.wordpress.com/ | http://twitter.com/susumunyu

http://christinegraf.co.uk/ | http://twitter.com/christinegraf

http://hagen.cocoate.com/ | http://twitter.com/hagengraf

 

 

Das demütige Leben eines Klammermanns am Rande des grauen Bands, das niemals endet

Ich erinnere mich nicht mehr so recht, wie das war mit den Klammermännern oder wie Frau SoSo sie nannte, es war hochphilosophisch, wir standen verabschiedend am Bahnhof in Laufenburg, mein Gefühl sagt mir, dass der Moment eine große Sache der Erkenntnis war – für mich, und wahrscheinlich auch für Frau SoSo.

Abschiede sind nicht schön. Sie tun weh. Wir warteten auf den Zug. Ich um einzusteigen und Frau SoSo um zu winken, was sie dann auch tat. Die Klammermänner waren in ihren orangenen Klamotten am Straßenrand auf der gesamten zwanzig dreißig Kilometer langen Strecke von Frau SoSos Haus bis zum Bahnhof am Hochrhein emsig tätig, Fast war ich versucht, ihnen aus dem Autofenster zu winken. Mit dreiviertelmeter langen Klammern sammelten sie Müll und packten ihn in große Tüten. Könnte mir gut vorstellen, so eine Arbeit zu tun, sagte ich zu Frau SoSo. Es hat sowas Erfüllendes, die Welt schöner zu machen. Man muss sich nur bücken. Dinge aufheben, die andere weggeworfen haben, sie in Säcke packen und am Feierabend, was muss das für ein Gefühl sein, den vollen Sack auf einen Kleinlaster zu werfen, zurückzublicken, sich daran zu erfreuen, dass die paarhundert Meter, die man abgelaufen hat, nun für eine Weile so sind, wie sie von der Natur vorgesehen sind. Das demütige Leben eines Klammermanns am Rande des grauen Bands, das niemals endet, würde ich gerne führen. Ich hätte so gerne meine Ruhe vor den höllischen Kunsthirngespinsten, die mir den Alltag zurümpeln, all den Träumen vom ‚wann kann ich von meiner kreativ korrupten Künstlerarbeit leben‘, so stieg ich in den Zug, Frau SoSo winkte tatsächlich mit Taschentuch, und fünf Stunden später spuckte der Zug mich in der Heimat wieder aus.

Zwei Pakete warteten und ein total versumpfter Garten. Die Unwetter hatten das einsame Gehöft zwar verschont, aber das Grundwasser hier auf 340 Metern Höhe steht so hoch wie seit langem nicht. Es sickert ins Mauerwerk. Vereinzelt sind die Pflastersteine des Atelierbodens voller Wasser und im Garten kämpfen die Kartoffeln tapfer gegen die Fäule. Wenn man sich hinein wagt in den Garten, steht man bis zum Knöchel im Schlamm. Ein Ausnahmejahr, zweifelsohne. Da kamen die beiden Pakete gerade recht. Paket eins enthielt eine erste Tranche von Gibrantiago-Postern, ruckzuck signierte ich sie auf einem eigens dafür eingeplanten Feld. Kunstwerke signieren ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen.

Das zweite Paket enthielt den Computer, auf dem ich diese Zeilen schreibe. Seit 2008 mein erster neuer Computer. Ich hatte lange überlegt, ob ich mir das Ding leisten will – immerhin fast zwei Kunstbübchenmonatslöhne gehen dafür drauf.  Die Arbeit auf den alten Gurken war jedoch wegen zu geringer Speicherkapazität zunehmend schwierig … fast eine Woche habe ich gebraucht, um aus zwei alten Rechnern, drei externen Festplatten und etlichen USB-Sticks das neue Schwert zu schmieden. Gerade eben habe ich die Arbeiten abgeschlossen und verfüge über ein passabel schnelles System und – ich glaube – über alle Daten seit meinem Eintritt ins digitale Leben im Jahr 2001.

Puuuh.

Nun kommen mir die Klammermänner wieder in den Sinn. Ich gehe davon aus, dass sie ihre Arbeit hassen, wie jeder normale Mensch, der in die Menschenmühle geknechtet wird. Es ist dabei fast egal, welcher Tätigkeit wir nachgehen, Das Geheimnis der Arbeit und wie werde ich damit glücklich. Als Klammermann hätte ich sicher ein tolles Leben, stelle ich mir vor. Die Künstlerei und Literarerei ist aber auch okay, auch wenn sie mir manchmal ziemlich schwer fällt. Es ist ja nicht so, dass monatlich exakt X Euro auf meinem Konto landen. Wenn ich Klammermann wäre, wäre dem so, Deshalb beneide ich den Klammermann wie er tagein tagaus in so einer Art Natur herum spaziert und den Dreck wegräumt, den andere arglos aus dem Autofenster werfen. Ich beneide auch den Vorstandsvorsitzenden, der im Akkord Aufgaben delegiert und den Amtsmann, der aus Langeweile auf seinem Bürocomputer die Windows-Spiele fleddert – ein Glück, wenn die Systemadministration vergessen hat, den Computer für diverse Internetdienste zu sperren  – ich weiß, wovon ich rede, ich war mal so ein Amtsmann … das große Problem, das wir Künstler haben, ist diese ungemein große andere Welt im eigenen Kopf, die sich partout nicht abschalten lässt (Betonung auf nicht abschalten lassen!) und dann gehen wir dieser oder jener Tätigkeit nach, um irgendwie einen Lebensunterhalt beizuschaffen, aber im Hinterstübchen rattert unaufhörlich die Gedankenmühle an anderen, phantastischen Projekten, die so unglaublich unverkaufbar sind, aber dennoch nicht locker lassen, kurzum, der Moment, an dem man sich eine Teillobotomie wünscht, die einen in den Zustand versetzt, als Vorstandsvorsitzender, Klammermann oder Amtsmann zu leben oder als Dachdecker, IT-Fuzzie, Onlineredaktiosmitglied, egal, als Irgendwas, bloß keine dieser elenden Ideen im Kopf, ach, was wäre das herrlich.

Die beste Zeit meines Lebens habe ich als Tacker in einer Loungemöbelfabrik verbracht. Der Arbeitsvertrag enthielt ungefähr die Bedingungen ‚für immer und für nichts‘, Kurzum, die Stelle war miserabel bezahlt, aber dank freier Zeiteinteilung und, nunja, Hände, die Möbel bauen brauchen ja kein Hirn, war das ein cooler Job – am Monatsende verzeichnete das Konto exakt X Euro Plus. Schlafen bis in die Puppen, zur Arbeit radeln, Möbel bauen bis der Auftrag erfüllt ist, nebenbei denken was man will, war echt toll. Die Firma ging bankrott und ich landete auf einem Provinzkulturamt, wo ich lernte Minesweeper zu spielen, um die Zeit totzuschlagen. Zum Glück erkrankte ich und wurde entlassen.

Ich schweife ab.

Nun sitze ich vor der frisch renovierten Festplatte, die mein gesamtes Datenleben enthält. Alle Fotos, alle Texte, alle Ideen, die Roadmap eines fast zu Ende gelebten Lebens liegt vor mir. Ich muss nur noch der Spur folgen. ‚Keine Arbeit, kein Geld, keine Ahnung wie es weitergehen soll‘, um es mal mit Otto zu sagen. Aber immerhin ein Fundament für das zehntausendstöckige Hochhaus des Scheiterns. Ich bin zufrieden. Der Garten wird wieder trocknen. Nicht alle Kartoffeln verfaulen und die gute alte Lehre, irgendwas wächst immer, gilt auf Ewigkeit. Wenn einem bloß keine Menschen dabei in die Quere kommen. Aber ich lenke schon wieder ab: das Leben eines Klammermanns an irgendeinem verlorenen Straßengraben, in den multiple Idioten ihren Macdonalds-sonstwie-Müll werfen ohne über das Gefüge der Welt nachzudenken, scheint mir in meinem beinahe aufgelösten Zustand gar nicht so unerstrebenswert.

Aber erst noch ein paar Kunsthirngespinste zu Ende bringen.

Heißer Sound und die Erinn’rung daran – äh woran?

Das nigelnagelneue Auto meiner Eltern. Ein superschicker, weißer, stromlinienförmiger Schlitten mit SOLCHEN Schlappen und Alufelgen und obendrein einem Bordcomputer, dessen Display bald so groß ist, wie das meines betagten Computers.

Was muss sich der Verkäufer vor einigen Monaten die Hände gerieben haben, als es ihm gelungen ist, die Karre, die schon einige Zeit im Verkaufsraum stand, meinen Eltern anzudrehen. Was das Auto alles kann, musste er dabei kaum erwähnen, denn meine Eltern wissen ja nicht, wie ein Computer funktioniert, was ein USB-Anschluss ist, dass man da ein Smartphone anstöpseln kann, eine Freisprechanlage, eine Mediathek, und das Bedienen des Touch-Displays per Gesten muss ihnen vorkommen wie pure Magie. Es genügte ein satter Rabatt, um die alten Leutchen zum Kauf zu bewegen.

Nun ist das Auto kaputt.

Mein naives, ungeschultes Radlerohr würde auf ein defektes Radlager tippen – aber das kann doch nicht sein, das Auto ist noch keine 10.000 Kilometer gelaufen. Meine Mutter hingegen meint, da stimmt etwas nicht mit dem Auspuff. Mein Vater schließt sich dem an. Früher hatte er immer alles selbst repariert am Auto, aber die Zeiten haben sich geändert. Man muss eine Grenze ziehen. Man darf den Kunden nicht zu viel Selbständigkeit gewähren. Deshalb gibt es heute Spezialwerkzeuge noch und nöcher und die Dinge werden so gebaut, dass man sie nur mit Mühe zerlegen kann. Ich habe gehört, dass man bei manchen Autos nicht einmal mehr eine Glühbirne selbst wechseln kann. Und die finale Hürde, um Kunden vom Do-it-yourself abzuschrecken, bietet die Elektronik. Ebenso unheimlich wie faszinierend. Mein Vater hat gefallen gefunden an dem Touchscreen, mit dem man das Navigationsgerät programmieren kann. Seither fährt er selbst bekannte Strecken immer mit Navi und lässt sich von der Stimme aus den Lautsprechern dirigieren, amüsiert sich, wenn exotische Routen über Waldwege ans Ziel führen. Das Programmieren des Navis geht ihm allerdings nicht so leicht von der Hand.

Das Lärmproblem müsst ihr in der Werkstatt melden, sagte ich den Eltern. Das Auto hat doch noch Garantie. Die müssen das umsonst reparieren. Kann ja wohl nicht sein, dass da jetzt schon der Auspuff abfällt und das Radlager jault.

Gesagt getan. Vermutlich hatte man an jenem Tag, als meine Eltern das Auto zur Diagnose brachten, einen Heidenspaß, denn die Reparatur des kaputten Auspuffs – meine Mutter lag also goldrichtig mit ihrer Vermutung – dauerte kaum eine Minute. Eben so lange, bis die fähigen Hände des Mechatronikers auf dem Touchcreen den Knopf „Heißer Sound“ ausfindig gemacht hatten. Damit könne man den Auspuff lauter stellen. Es handele sich um eine versteckte Funktion, die besonders beliebt sei bei jungen, männlichen Fahrern, die noch nie Sex hatten und die allnächtlich im harten Konkurrenzkampf auf den Parkplätzen der Clubs bestehen müssen.