Soundsoviel

War ein Gespräch mit den Ausstellungsbesuchern gestern Abend, wobei das Thema Geld auf den Tisch kam. „Ihr kriegt doch soundsoviel pro Zeile, hab ich gehört, das ist nicht sehr viel,“ sagte eine Besucherin.

„Nee, wir kriegen soundsoviel,“ sagte ich.

Mein Soundsoviel war noch weniger.

„Da würd ich aber mal in der Readaktion um eine Gehaltserhöhung bitten.“

Sag ich: „Ich bin doch Europenner und nehme von den Menschen nur das, was sie mir freiwillig geben.“

Fragt sich, ob die Zeitung als Mensch durchgeht.

Erinnerte mich an die Zeiten, als ich für Soundsoviel gearbeitet habe. Das war noch viel weniger, als die beiden ersten Soundsoviels.

Aber Spaß hat’s gemacht.

Nennt sie einfach Nancy und Pierre

Ist ja schon eine chaotische Zeit. Das Bliestallabyrinth hängt im Atelier und ich habe mächtig Angst, die Bilder zu signieren. Das ist nämlich das Finale. Dabei darf man nicht patzen. Die Jahreszahl 2006 kann ich schon ziemlich gut schreiben: eine große Zwo mit zwei winzigen Nullen und einer anschließenden, lässigen, riesigen Sechs. Nur der Name ist eine Hürde. Ich kann meinen eigenen Namen nicht schreiben.

Die Staatsanwältin rauschte um vier Uhr aufs einsame Gehöft, parkte im Hof und hupte, wie ich es ihr empfohlen hatte. Just in dem Moment wurde mir klar, es gibt eine Terminüberschneidung: gemeinsam essen mit ihr und gleichzeitig für die Zeitung eine Fotoausstellung im nahegelegenen Hornbach zu besprechen, das geht einfach nicht. Glück im Unglück, war sie von all den Verurteilungen, die sie am gestrigen Tag veranlasst hatte schlags kaputt und sehnte sich nach einer langen Couch und einer Glotze. Nichts leichter als das. Während sie in der Künstlerbude Soaps schaute, fuhr ich mit QQlka hinaus ins Klosterstädtchen, um die Kirkland-Ausstellung zu beäugen – wovon ein Andermal zu berichten ist.

Zurück auf dem Gehöft hatte sich die Staatsanwältin restauriert. Rege forderte sie: „Wir fahren nach Frankreich, da war ich noch nie.“ Konnte ich gar nicht glauben. Also strebte ich die irgendlinksche Standardtour, rüber nach Bitche, Festung betrachten und zurück, an. Das war ihr aber bei Weitem nicht genug. „Verschlafenes Nest, diese verdammte Bitch,“ sagte sie und hatte recht.

„Okay, lass uns auf Europennertour gehen. Ich zeige dir die Orte meiner einsamen Reisen.“

Wir brausten nach Süden auf den alten Wegen durch so verlassene Dörfer wie Huhnerscherr und Wingen sur Moder hinauf nach La Petite Pierre, wo sie mir den Namen Pierre gab.

„Pierre, das wäre doch so ein toller Name. Ich liebe diese Sprache. Was heißt das überhaupt, Pierre?“

Ich sagte: „Fels“.

Das klang kalt bis Saverne. Stoppover und am Canal du Marne au Rhin spaziert, wo wir die Kastanien sammelten, die die Einheimischen tagsüber vergessen hatten. Wir träumten von einem Topf, voll mit diesen Früchten, waren aber diszipliniert genug, uns mit einer halb gefüllten Platiktüte zufrieden zu geben und die Straße nach Nancy einzuschlagen. In Nancy war selbst ich noch nie. Im Showlight der Kathedrale taufte ich die Staatsanwältin Nancy. Das fand sie lustig: „Nancy und Pierre, so kratzen wir Deutschen am Mythos Frankreich.“

Wir becherten eine Flasche Wein vor einem Brunnen und diskutierten, wer zurück fahren muss. „Du,“ sagte sie, „du bist Hungerleider und hast nichts zu verlieren.“

Damit hat sie wohl recht.

Muss sagen, dass sich ihr schickes Auto mit einer, naja, sagen wir, drittel Flasche Wein im Kopf ganz gut fuhr. Auf einer Anhöhe stoppten wir, weil der Himmel Löcher zeigte, starrten in die Sterne. Weiß nicht, was sie dachte, stellte auch nicht die verfängliche Frage, was denkst du? Sehr symphatisch. Sie stellte diese Frage auch nicht.

Spätnachts zurück auf dem einsamen Gehöft, wohlbehalten natürlich. Die Luft roch gut. Wir fielen ins Bett wie zwei plumpe Säcke. Ich dachte an Jack Kerouac und wie er Amerika durchquert hat, damals, vor 50 Jahren. Es waren die selben Sterne, von denen er immer schwärmte, wie wir sie heute Abend in dieser Lücke im Nebel auf der namenlosen Anhöhe gesehen hatten.

Ob er wohl je einen Menschen gefragt hat, was denkst du gerade?

Dann wollen wir mal Eichhörnchen spielen

Dämmerung. Grandios, wie dieser Hauch Sonne den Nebel bekämpft. Die Felder dampfen. Vier Stunden Schlaf müssen derzeit genügen. Heute Morgen wieder voll auf dem Damm. Die leidige Erkältung ist endlich weg.

Sollte Steuer erklären heute. Aber vielleicht werde ich einfach nur radeln. Die Staatsanwältin, die ich neulich auf der Hochzeitsparty kennengelernt habe, hat gestern Abend angerufen. Sie hat einen brisanten Fall mit einer mutmaßlichen Betrügerin am hießigen Gericht zu verhandeln. Ob wir uns abends treffen könnten? Ich sagte ja.
Gestern wollte sie glaube ich nur quatschen. Gerne stellte ich mich zur Verfügung. Ihre Stimme ist klasse. Und die Fälle mit all den bösen Buben und Mädchen sind sehr unterhaltsam. Ich spielte Mäuschen (oder besser: Eichhörnchen :-) ) und tauchte ein in die Welt der Justiz (wer will was warum von wem – oder so ähnlich – die vier berühmten Ws der Justiz).

Squirrel, tot

QQlka hat sein malerisches Schaffen voll und ganz den Traktorkatastrophen gewidmet. Nur so lässt sich erklären, dass das neue Bild (siehe untigen Beitrag) überdimensionale Traktorspuren zeigt. Und ein Kind im gelben Regenmantel, das die Arme ausbreitet wie Jesus am Kreuz.

„Das ist Ballett,“ sagte QQlka, „es ist ein einfacher Plier, Schritt nach rechts, abbiegen, zupp, fertig.“

Nun ist das natürlich alles nicht ganz einfach, denn wir sind tiefsinnig. Gasprom und die 125 Wasweißichnochwas hängen über der Sache (natürlich beschäftigt einen solch 04-Fuffzehn-Alltagsgeschehen).

Kunst ist ein magisches Pflaster. Kunst ist manchmal gegenläufig mit Geld, was kein Nachteil ist, sondern es ist einfach da. Ein Zustand. Man muss ihn hinnehmen.

Den gelben Regenmantel hat er prima ausgearbeitet. Weiß nicht, welche Farben er mischte, um die Kontour des Friesennnetzes so darzustellen. Sie ist braun mit einem Tick Gelb.

Ich bewundere diese Geduld und schäme mich ein bisschen, dass ich meine fotografischen Kunstwerke in 1/125tel Sekunde dahin rotze.

Das tote Eichhörnchen, welches ich am Nachmittag fotografierte, wäre zu nennen. Es sieht brilliant aus, wie es im Abfluss des Kneipp-Beckens von Bechhofen liegt. Unfähig, hinab gesaugt zu werden in die Kanalisation. Ich erschrak am Nachmittag, als ich im Storchenschritt, die Beine kühlend, durch das Becken stapfte. Da lag das Vieh mit offenen Augen am Beckenrand . Es hing über dem Rohr, durch das das eiskalte Wasser floss. Ich aß Caramel- Schokolade und genoss die letzten Sonnenstrahlen des Jahres. Das Tier schwamm tot im Wasser. Natürlich knipste ich ein paar Bilder. Kost‘ ja nix. Legte mir eine Szene vom Tod zurecht, welche recht anmutig war (schließlich hatte das Vieh die Augen weit geöffnet, sah recht lebendig aus. In gewisser Weise wirkte es wie Plier). Vielleicht war es erst vor ein paar Stunden ins Becken gestürzt.

„Eine Traktorkatastrophe,“ suggerierte QQlka, „das Eichhörnchen ist vor dem Getöse eines riesigen Fendt-Traktors geflüchtet und ins Kneippbecken gefallen, jämmerlich ersoffen.“

Schalke 0 Gasprom

War gestern. Das Radio meldete, eventuell steht auf den Schalke-T- Shirts demnächst Gasprom. Das kostet dann 125 Millionen Euro. Das ist eine Hundertfünfundzwanzig mit sechs Nullen und einem € hintendran. QQlka, ganz Nachtschwärmer, stand im Atelier und fabrizierte die Skizze für ein neues Gemälde.
Er lachte.
Ich war erstaunt.
Also diskutierten wir, was wir für 125 Millionen Euro alles tun würden. Natürlich sind wir keine Fußballmannschaft, aber wir könnten uns Gasprom auf die Stirn tätowieren lassen.

„Das würd ich im Leben nicht tun,“ sagte ich, „das Gesicht ist heilig.“

„Auf den Hintern?“ fragte QQlka.

„Schon eher, aber nur, um einem nahen Verwandten mit einer sündhaft teuren Operation in einer Spezialklinik in den USA das Leben zu retten. Einem sehr nahen Verwandten.“

Somit ist klar, dass wir nicht käuflich sind.

Heute ist QQlkas Bild fast fertig. Es zeigt eine, von Traktorspuren zerfurchte Landschaft, in der ein Kind mit gelbem Regenmantel steht. Es hat die Arme ausgebreitet wie gekreuzigt. Die Wälder im Hintergrund sind sehr gelungen und auch die Traktorfurchen. Nur: dem Kind fehlt noch das Gesicht. Sein Antlitz ist nur daumennagelgroß.
„Ich lasse das Gesicht einfach weg,“ sagte QQlka.

„Schreib‘ Gasprom drauf,“ forderte ich, „dann kriegst du 125 Millionen Euro.