Methode vs. Ergebnis

Schon wieder so spät. Tag-Nacht-Rhytmus gerät aus den Fugen. So ist das immer, wenn Kunst im Spiel ist. Die Gedankenmühle lässt sich nicht einfach abschalten. Zwischendurch arbeite ich am Buch. Das nimmt mehr Zeit in Anspruch, als mir lieb ist.

Die Kreativitätskurve, welche auf der X-Achse die Zeit zeigt und auf der Y-Achse die Menge der Kreativität, fällt wieder (was das Buch betrifft). Ich bin heilfroh. Wenn die Dinge ausgedacht sind und im Kopf vorstellbar werden, kann man einem ganz einfachen Plan folgen. Die Methode ist nunmal wichtiger als das Ergebnis. Wer die Methode kennt, kann das Ergebnis jederzeit wiederholen. Wer einmal das Ergebnis erzielt hat, aber sich nicht gemerkt hat, mit welcher Methode er es erreicht hat, wird es verdammt schwer haben. Wir schaffen Pläne zur Navigation. So funktionieren Konzeptausstellungen. Und so funktionieren Bücher. Wenn der Plan fertig ist, ist Fleiß gefragt. Die Skizzen müssen übertragen und verfeinert werden. Am Buch heute einen großen Fortschritt erreicht, indem ich eine Technik entwickelt habe, mit der sich pornografische Szenen mit philosophischen mischen lassen. Das fühlt sich vielversprechend an.

Ja, das neue, streng geheime Buch enthält Sex. Sex zu schreiben ist nicht einfach. Es ist schwerer, als Dialoge.

Bilderliebe

Chat. Mal wieder. Nein, ich war nicht drin. Der Blogger ist der Langatmige unter den Chattern. Keine Chance. Allein unter Smilies. Stattdessen die anderen Funktionen der Community ausprobiert und nach „willigen Damen“ in meiner Umgebung gesucht. Vernünftige Mädels dabei. Franka zum Beispiel schaut lieb aus. Vielleicht ist sie magersüchtig. Trotzdem Bild von Frau zurechtgebastelt: 35, geschieden, liebt den Wald. Vielleicht spielt sie Schach. Arachnophobie dichte ich ihr an und sie strickt.

Genug am Bild gebastelt. Wir verlieben uns immer in Bilder. Die Dekonstruktion kommt erst später. Man nennt das Zauber. Zauber ist wichtig. Er erhellt das Gemüt. Vielleicht ist das Leben nur ein Hangeln von Illusion zu Illusion?

Schlimm ist das nicht. Sondern natürlich.

Das Bild Irgendlink will ich von vornherein entzaubern. Ich bin nicht der, den Ihr Euch bastelt.

Und Franka, 35, arachnophob? Vielleicht werde ich sie anchatten. Nur so kann ich die Wahrheit ermitteln.

Neues von Dokaka

gibts bei mcdustsucker mit weiteren Hörbeispielen.

Lieber mcdustsucker, hab gerade meinen Bloggeraccount nicht mehr gefunden, sonst hätte ich kommentiert. Klasse Seite.

Das Led Zeppelin Stück ist übrigens das, welches mich Dokaka endgültig lieben gemacht hat. Gerade hab ich Creeping Death am Laufen. Hammer.

Die kreative Welle

Mit dem Begriff die Stimme aufgewacht. Die Stimme zu finden ist für einen Schriftsteller das A und O, hab ich mir sagen lassen. Wenn er sie gefunden hat, kann er ein Buch nach dem anderen schreiben. Dem Japaner Haruki Murakami sagt man nach, er habe seine Stimme erst gefunden, als eines seiner Bücher ins Englische übersetzt und wieder zurück ins Japanische transferiert wurde. Das habe die Sprache vereinfacht, jeder Satz war von da an ein Hieb.

Vorhin überlegt, man könnte ein Buch in Chatform schreiben. Bei meinem gestrigen Selbstversuch wurde mir klar, dass es oft mit einem Smilie beginnt, danach folgen Satzfetzen. Die Wesen im Chatraum kommunizieren auf eigenartige Weise. Es ist wie eine abgespeckte, auf das Allernötigste beschränkte Party. Wenn man einen Chat fingieren würde, rein literarisch, könnte man daraus eine Geschichte spinnen: A betritt den Raum, B betritt den Raum. A schreibt ein hüpfendes rotes Smilie, B schreibt hallo A, A schreibt hallo B, B sagt: alles klar. A sagt mhm, bei dir auch. B: was hast du gemacht heute?

Und so weiter und so fort. Weitere Chatter kommen, gehen, kommen, malen Smilies, rufen Hallo. Über den privaten Chat kommen sich A und B näher, verabreden sich in der richtigen Welt, heiraten, kriegen Kinder, sterben.

Soweit die Chatgeschichte in geraffter Form. Die vielen Hallos, Ähs, und Sorry-ich-hab-dich-nicht-verstandens spare ich meinen Lesern.

Saß eben auf der Couch und dachte mir das ganze aus. Beschloss eine Chatgeschichte zu schreiben. Verwarf die Idee, denn ich hab zu viel zu tun.

Die kreative Kurve kam mir in den Sinn. Ich versuchte mir mein Leben aus göttlicher Perspektive vorzustellen. Weil das nicht einfach ist, zerlegte ich es und betrachtete auch nur die Jahre 2005 und -sechs. Ich zerlegte es in die Kreativitäts- und die Liebeskurve. Die Kreativitätskurve zeigt auf der y-Achse die Menge der Kreativität und auf der x-Achse die Zeit. Deutlich erkennt man einen rasanten Anstieg der Kreativität mit Beginn des Projekts Bliestallabyrinth im Mai dieses Jahres. Die Kreativität ist die Kraft, die dafür sorgt, dass ein Bild sichtbar wird. Erst dann kann man es herstellen und in einer Galerie aufhängen. Künstler gelten gemeinhin als Nichtsnutze, weil man ihre Arbeit so schlecht messen kann. Man nimmt so gerne Bilder, Musik, Skulpturen oder grandiose Architekturen an, erfreut sich an ihnen, sagt lapidar, das da hätte ich auch noch gekonnt, ohne dabei zu registrieren, dass man es nur unter der Bedingung gekonnt haben könnte, ein Endergebnis vor Augen zu haben. Der Künstler hat keine Vorlage. Er muss sie sich selbst schaffen. Das kostet mitunter ein Leben.

Das Projekt Bliestallabyrinth ist in eine Phase gelangt, in dem es keiner Kreativität mehr bedarf. Ich weiß nun, wie es an den Wänden der Galerie aussehen wird. Der Rest meiner Arbeit besteht darin, Material zu kaufen, Rahmen zu bauen, Bilder aufzukleben, sehr einfache Tätigkeiten, die jedoch sehr zeitaufwändig sind.

Aber ich muss mir nicht mehr den Kopf zerbrechen, um eine Logik ins Konzept zu bringen. Sie ist da. Und weil Logik nunmal logisch ist, ist es ein Leichtes, zu behaupten, das da, das hätte ich auch noch gekonnt.

Letztes Jahr, als ich die Kunststraße von Landau nach Zweibrücken kreierte konnte ich mir das Bliestallabyrinth nicht vorstellen. Vor zwei Jahren konnte ich mir die Kunststraße Landau Zweibrücken nicht vorstellen und vor 10 Jahren, als ich in 10-km Abständen die Strecke bis zum Nordkap fotografierte konnte ich mir überhaupt noch nichts vorstellen.

Ich stelle fest: Kunst ist Entwicklung. Dies wusste auch schon der russische Maler Viktor Nikolajev, als er 1993 mit Dispersionsfarbe abstrakte, quadratmetergroße Bilder auf Bettlaken malte. In gebrochenem Deutsch sagte er zu mir: „Früher ich brauche 2 Stunden für ein Bild, heute ist 20 Minuten.“ Seine Bilder waren trotz Bettlaken und billigster Farbe bei den Sammlern in Mailand, Genf und Düsseldorf gefragt.

Die Liebeskurve stieg am 1. April 2005 steil an und hielt sich, mit einigen Einbrüchen das ganze Jahr über auf hohem Niveau. Dann ist sie eingebrochen, schließlich abgerissen. Liebes und Kreativitätskurve haben einander beeinflusst, gaben zusammen mit anderen Kurven, die noch zu erfinden wären, eine klangvolle Stimme, die Stimme meines Lebens.

Der Akustiker wird bescheid wissen über die vielfältige Zusammensetzung der menschlichen Stimme. Eine einzigartige Kennung, bestehend aus vielen unterschiedlichen Tönen, die man über die Strecke des Gesprächs oder des Gesangs als einzelne Kurven darstellen kann.

Jetzt Dokaka: er jault Töne ins Micro, zeichnet sie auf, spielt auf einer weiteren Spur meinetwegen ein kontinuierliches tok tok tok tok und legt die Spuren zeitsynchron übereinander. So entsteht Rhytmus, welchem er jodelnd, jaulend, winselnd wie eine Gitarre eine Harmonie unterjubelt. Am Ende steht, für jeden verstehbar Musik. Würde man ihn während des kreativen Prozesses betrachten, so käme man zweifellos zu dem Schluss, er spinnt.

Und meine Literaturstimme, nach der ich suche? Vielleicht habe ich sie schon.

Chat

Ich habs soeben ausprobiert. Es scheint die letzte Konsequenz zu sein. Mit Frau 7 über Hunde geredet. Aber halt halt, der Reihe nach. Zuerst einen Account angemeldet, dann eingeloggt und in den Rubriken umgeschaut. Gut besucht die Kontaktbörsen. Mich im Raum mit den meisten Besuchern umgeschaut und vollkommen verwirrt durch die Chatwüste gedriftet, bis ich auf den Trichter kam, einen vollkommen leeren Raum zu beklicken. Hab dann erstmal Selbstgespräche geführt. Das war wie bloggen, nur kürzer. Dann tauchte 7 auf. Vom einsamen Gehöft gings nach Schleswig Holstein, dann kam man auf den Hund. Verschiedentlich beklickten andere Chatter den Raum. Kam mir vor wie eine Party. Auf Partys verziehe ich mich stets in die leersten Räume – oder in die Küche. Ich bin die Spinne im Netz der Kommunikation. Eine gewisse Faszination übt die Sache schon aus. Ist erstaunlich, wie sich die knappen Beiträge auswachsen. So werden moderne Ehen angebahnt.

Willst du eine Freundin, die genau 28 Jahre alt ist, dann klicke bitte hier und sprich sie an. Ganze Gebäude von Menschen erklickst du dir in Windeseile, hinter jedem Schlagwort wartet ein Stahlträger deiner Statik. Spannend wird es vermutlich, wenn man sich real trift. Dann beginnt die Phase der Demontage und des Geraderückens. Aus einem Wolkenkratzer kann mitunter recht schnell eine Gartenlaube werden.

Vielleicht werde ich diesen Weg zu Ende gehen (chatten bis zum Treffen im richtigen Leben).

Schließlich bin ich Forscher.