Bloggerplus Version 1.5.4

Verrückt, so kurz vor dem Start noch das gut laufende System auf dem iPhone zu verändern. Im vertrauensvollen Mailkontakt mit dem Entwickler von Bloggerplus schien es mir aber das Risiko wert, bietet die neue App doch ein Bildbearbeitungswerkzeug.

Herzogplatz Zweibrücken. Panorama mit ProCamera und Autostitch auf iPhone

Es ist vollbracht

Ich und der Jakobsweg – eine zehnjährige Odyssee geht ihrem Finale entgegen.

Noch bis heute Morgen, zwölf Uhr, war alles unscharf, die Möglichkeit, die Idee zu verwirklichen, den Camino Frances als Live-Blog-Bericht zu realisieren noch sehr vage. Aber als ich die Lungenarztpraxis verlasse geht alles ganz schnell. Im Rausch fotografiere ich die Stadt Homburg, als sei ich schon unterwegs, bewege mich in schmutzigen Hinterhöfen. Dort, finde ich, gibt es die besten Fotomotive. Dort ist das Leben noch nicht so gelackt und die doktrinierte Schönheit ist nicht kanalisiert. Alles, was ist in dieser Welt ist, kann in Hinterhöfen sein. Gleich um die Ecke ist ein Trekkingladen, den ich in der Mittagspause entere, die müde Verkäuferin mit Fragen zur Wasserdichtheit von Jacken nerve, alle Jacken, die es gibt anprobiere, mich tirrilierend im Spiegel betrachte, Geld spielt keine Rolle denkend die Kreditkarte zücke, kaufe, und sofort zum Bahnhof laufe, um ein Ticket nach St. Jean Pied de Poirt zu buchen. Donnerstag 6:56 gehts los, dreimal Umsteigen, Paris weniger als zwei Stunden entfernt.

Was war das für eine schwere Geburt mit dem Jakobswegwandern! Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Bei dem Tagebucheintrag vom April 2000 etwa, als ich erstmals mit der Materie in Kontakt kam? Oder am 20. April dieses Jahres, als ich auf dem Weg nach Andorra einer euphorischen Dame begegne im Klosterstädtchen Hornbach, die mir sehr, sehr sehrsehr ans Herz legt, ich möge doch nach Saint Jacques radeln. Nicht jetzt, dachte ich und durchquerte Frankreich auf meinen alten Artlines.

Noch bis vor ein paar Stunden haderte ich mit dem Projekt, welches nun seinen Lauf nimmt. Im Kopf gibt es ja so viele Möglichkeiten für den Ausgang einer Geschichte. Draußen in der Wirklichkeit gibt es immer nur eine Möglichkeit und die wird von Minute zu Minute neu entschieden. Genau das dürfte auch das Kredo sein für die nächsten fünf Wochen: die Laune des Moments entscheidet über das Fortschreiten der Geschichte. Und Ihr, liebe Bloglesenden, seid, so es die Technik erlaubt, live dabei, denn ich habe ein Budget eigens fürs Live-Bloggen über diese Reise ausgewiesen.

So wird dies meine vierte Live-Reise in diesem Jahr.

Einziger Wermutstropfen: meine eigene Einschätzung, dass ich den knapp 800 km langen Weg in Nordspanien überstehe liegt bei nur 20 Prozent und Freund Journalist F., der stets ein gutes Barometer für den Ausgang ungewisser Geschichten ist, unkt schon: „In spätestens einer Woche bist du zurück“. So setzen schon die ersten psychosomatischen Knieschmerzen ein und ach und weh. Worauf lasse ich mich nur ein, ich Kunstbübchen, ich elendes, ich?

Tag Minus 2

Welch rasante Zeit, denke ich, während ich im Lungenspezialistinnenbüro warte. Herzklopfen. Die Uhr tickt. Auf dem Fensterbrett stehen vier Designervasen, weinrot. Farblich passen sie perfekt zur barocken Hausfassade gegenüber. Drei Golfbälle auf dem Schreibtisch. Quälendes Warten. Durch die halboffene Tür hört man den Praxisbetrieb. Als die Arzthelferin herein kommt, um zwei weiße Kittel zu suchen, erschrecke ich. Schließlich kommt die Spezialistin, liest die Werte vor und ich frage, ob das gut ist oder schlecht. Schlecht, aber besser, als letztes Mal, sagt sie. Ob ich wohl bis Ende Jahr in Spanien wandern darf, frage ich. Da sie keine Medizin brauchen und sich offenbar gut fühlen: ja, sagt sie.

Im Foto- und Kauf- und Lebensrausch durchquere ich die Stadt.

Nur noch wenige Querelen und es kann endlich beginnen. Ich freue mich auf die Pyrenäen.

Foto: nach dem iDogma kreierte Bildcollage, aufgenommen im Lebensrausch in Homburg/Saar.

Das letzte Bild: wartend, sinnierend

Warten, warten, warten. Wie erwartet laufen die Dinge schräg, seit ich gestern im Dauerregen aufs einsame Gehöft zurück gekehrt bin. Die Ausstellungseröffnung vom örtlichen Kunstclub gestern Abend war unterkühlt und anstrengend. Anstrengend deshalb, weil hundert Gäste da waren und man zwangsläufig kommunizieren muss: dies und das und Wetter und die Kunst. Nichts gegen ein gutes Gespräch oder auch Smalltalk – aber wenn man dazu nicht in der Laune ist …

Mein Kunstwerk, mit dem ich mich an der Ausstellung beteilige, ist leider in der Gruselecke gelandet, ganz Hinten, fürs Publikum fast unsichtbar, zusammen mit ein paar abscheulichen Kitschwerken. Zu recht liegt es da. Aus dem Konzept gerissen bleibt von meiner Kunst nichts übrig, als ein Skelett aus schönen bunten Landschaftsfotos wie man sie zu Tausenden bei Flickr und Co findet. So viel Demut und Selbsterkenntnis muss sein. Ist die Kunst mit dem darüber doktrinierten Kunststraßenkonzept also nur eine Glaubensfrage? Ein pseudoreligiöses Hilfskonstrukt der Kreativität?

Nicht etwa, dass ich nicht davon überzeugt wäre, dass meine Kunst einmal zu den großen Künsten zählen könnte, liebe Nachwelt, immerhin bewege ich mich mit dieser Mischung aus klassischer Fotografie, Geokoordinierung und Sichtbarmachung des begangenen Weges auf einem künstlerischen Neuland, das es in dieser konsequenten Form nicht oft gibt. Alter Freund QQlka hat vor 15 Jahren einmal gesagt: „du bist der Einzige, der die Straße ausstellen kann“. 1995, als wir zum Nordkap radelten und ich alle 10 km ein Bild der bereisten Strecke fotografierte. Damals hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich einmal mit einem handteller großen Gerät unter milliarden teuren Satelliten eine exakte künstlerische Vermessung der Welt vornehmen kann. Und sogar die Bilder direkt mit eingebetteter Landkarte veröffentlichen kann. Die Zeit der aufwämdigen Ausstellungen ist spätestens seit der Erfindung des iDogmas für mich vorbei. Wer weiß, vielleicht war gestern der letzte Tag, an dem ich ein Bild in der „echten“ Welt gezeigt habe?

Nun sitze ich im Wartezimmer meiner Lungenärztin