Nochmal 90 Höhenmeter. Verteilt auf eine Distanz von drei Kilometern. Schottriger Waldweg. Zwei Mountainbiker preschen mir entgegen. Gerade habe ich Lauterbach durchquert mit seiner wuchtigen Kirche, deren Turm derzeit eingerüstet ist. Dennoch ein Prachtstück. Den Saargau habe ich wohl hinter mir. Es war nicht leicht, frühmorgens den Namen der Gegend herauszukriegen. In Fürweiler fragte ich einen Mann, wie heißt die Gegend und er antwortete Fürweiler. Also präzisierte ich die Frage, nein, die Gegend, also alles hier und machte dazu eine kreisende Handbewegung. Achso, Rehlingen-Irgendwasgenuscheltesburg. Er meinte die Verbandsgemeinde Rehlingen-Siersburg. Ich gab auf. Ich erinnere mich, dass ich vor zehn Jahren in dieser Gegend zwei wunderbare Geocaches gefunden habe. Einer befand sich in einem ehemaligen Eisenbahntunnel. Die Gegend ist unerwartet bergig. Immer wieder kündigen Schilder die Steigungen des Radwegs an. Nachdem ich es anfangs demotivierend fand, weiß ich die Hinweise mittlerweile durchaus zu schätzen. Bis sechzig Höhenmeter tut nicht weh, wenn die Distanz größer 800 Meter ist.90 ist lästig. Drei Kilometer Waldweg sind unangenehm. Bald bin ich in Karlsbrunn im Warndt. Der (oder heißt es das) Warndt war ehemals Jagdgebiet der Adeligen. Schon Karl der Große habe hier gejagt, erzählte mir morgens der Mann, der mir dann doch noch den Namen der Gegend um Fürweiler verraten konnte. Ein riesiges Waldgebiet und ich solle besser nicht nach Großrosseln radeln, was mein Tagesziel ist, sondern in Karlsbrunn bleiben. Großrosseln sei, wie viele Orte, die mit Kohle und Industrie zu tun hatten, etwas heruntergekommen. Dass er seit der Hundertjahrfeier der örtlichen Gaststätte im Ort wihne, erzählte er mir auch, und dass die Gaststätte nach dem Fest dicht gemacht habe. Voilà, zwei Äpfel. Gibt ja nichts wo man einkaufen könnte.
In der Tat. Erst in Überherrn finde ich einen Edeka und versorge mich mit dem Nötigsten, so dass es für Sonntag reicht.
Doch zurück zu meiner Steigung, also vorwärts in meiner Tour zu jenem Waldweg, der von Lauterbach hinauf führt in den Warndtwald rings um Karlsbrunn. So kurbele ich also diesen Waldweg hinauf und steuere auf den vorläufig südlichsten Punkt auf meiner Radreise ums Saarland zu. Ein Forsttraktor überholt mich, wippt auf fetten Ballonreifen und bläst Dieselruß und Staub in die Luft.
Nach drei Kilometern stehe ich endlich oben. Hier. Fast ganz im Süden. Und zwar an äußerst spektakulärer Szene. Bei einem Aussichtspunkt ragt eine Rampe über einen Abgrund. Der Ort liegt genau auf der französischen Grenze. Blick in ein gigantisches Loch, in dem zwei Seen die viele Hektar große (offenbar Tagebau) Wunde zu renaturieren versuchen. Weit entfernte Kühltürme im Dunst. Zwei Studentinnen reden über Klausuren und auf einer Parkbank am Waldrand sitzen vier Jugendliche mit Gitarre, singen auf Französisch. Karlsbrunn liegt ein bisschen weiter unten im Tal nördlich der Abbruchkante. Es gibt einen Wildpark dort und was soll ich sagen, die zahmen Wildschweine in einem der Gehege sehen tatsächlich ein bisschen aus wie die Umrisslinie des Saarlands. Wie meine gelbe Wutz, der ich seit vier Tagen folge.
Die Lagerplatzsuche bereitet ein Problem. Einerseits würde ich gerne noch ein bisschen radeln, damit die Strecke des letzten Reisetags nicht zu lang wird. Es ist auch erst 16 Uhr. Andererseits wird es wohl kaum möglich sein, auf der Strecke Großrosseln-Völklingen-Saarbrücken, also den nächsten vierzig Kilometern einen gemütlichen Platz zu finden. Zwischen Völklingen und Saarbrücken verläuft der Radweg teilweise unter der Autobahn. Und schon in den Tälern des Warndt hört man die Autobahn summen, die quietschenden Reifen samstagabendgestylter Jungbullen auf dem Weg ins Amüsement, einen laut hupenden Hochzeitskorso. Bloß nicht über Großrosseln hinausradeln, Herr Irgendlink, bloß nicht!
Noch vor Großrosseln zelten? Oder in die Dunkelheit radeln und erst zwischen Saarbrücken und Saargemünd einen Platz zu suchen? Sei doch vernünftig, Mann!
Der Weg ab Karlsbrunn ist ein wunderbares Idyll. Dichter Wald, oft Birke. Fast komme ich mir vor wie in Skandinavien. Niedergehendes Farn in allen Rot- und Brauntönen bis hin zu fast elfenbeinenem Seichtgelb.
Ein weiterer Anstieg, x Meter auf y Kilometer bremst mich vor Großrosseln aus, nimmt mir gleichsam die Entscheidung ab und kurz vor dem Städtchen finde ich einen guten Platz unter einer Eiche. Mit Parkbank, auf der ich Abendessen kochend bis zur Dämmerung warte. Außer einer Hundegassigängerin begegnet mir ohnehin niemand.
Und wie kommt nun der Elch in Saarland ;o)
Hihi, genau das war meine Frage und ob der Elch das Skandinavien-Feeling heraufbeschworen haben könnte.
(So Tafeln-Klau ist ja im hohen Norden ziemlich häufig.)
Das Skandinavien-Feeling war spätestens ab der zweiten Steigung nach Perl da und das Elchschild kam dem nur gelegen. Teils fühlte ich mich ‚da oben‘ im Saargau an der Grenze zu Frankreich wie unterwegs zwischen Asele und Lycksele auf der Reise AnsKap. Nur, dass es nicht regnete und wenigstens Menschen zugegen waren, die einem Äpfel schenken konnten.
Ich hätte den Zugereisten fragen sollen, der seit der Hundertjahrfeier des örtlichen Gasthauses im Ort wohnt. Mach ich, wenn in ‚annerschrum‘ UmsLand radele.
sehr gute Aussichten :o)