Berichte da und dort

Vor ein paar Tagen haben wir den Zeitungsartikel vom Fredrikssblad erhalten, der Anfang Juni nach Irgendlinks dortigem Besuch aufgrund eines Interviews entstanden ist. Besser spät als nie. :-)

Dina hat den Text vom Norwegischen ins Deutsche übersetzt und ich habe ihn ein bisschen in Form gebracht (hier klicken).

****** Herzlichen Dank, liebe Dina, für dein Engagement! ******

In den nächsten Tagen werden auch die Zweibrücker Zeitungen erneut über die Reise des Konzeptkünstlers Irgendlink berichten. Wir dürfen gespannt sein. Ich werde euch auf dem Laufenden halten.

Die Sammlung der Presseechos findet ihr hier: Pressebereich > Berichte

Tag 118 – die Strecke

Wenn man auf einmal doch ein bisschen mehr Zeit hat als gedacht, sieht alles wieder anders aus: Weile statt Eile. Statt schon heute Abend in Boulogne zu sein, beschließt Irgendlink im Laufe des Tages – da er nun weiß, dass der Empfang bei Herrn Quehen morgen erst um 16 Uhr stattfindet –, die Strecke nach dort nicht in einem sondern in zwei Stücken zu radeln.

Er hat soeben auf dem französischen Farmcamping Mont eingecheckt und baut nun dort sein Zelt auf. Hoffentlich sei es nicht zu laut, schreibt er.

>>> Wildzeltplatz bei Koksijde – Farmcamping Mont: bitte hier klicken!

Tag 117 – Bilder und Tag 118 – ein paar Worte

Heute Abend oder morgen Vormittag plant Irgendlink Boulogne-sur-Mer zu erreichen, da er morgen Nachmittag ein weiteres Mal von Herrn Quehen in der Mairie empfangen wird.

Für Neu- oder Später-Eingestiegene: Boulogne ist die Partnerstadt von Irgendlinks Heimatstadt. Von dort ist Irgendlink nach einem kleinen Empfang im Rathaus am 6. April 2012 – nach einer einwöchigen Anfahrtstour ab Zweibrücken – zur eigentlichen Nordseerunde aufgebrochen und hat mit Rad, Fähre und Flugzeug die Nordsee via England, Schottland, die Shetlands, Norwegen, Schweden, Dänemark, Deutschland, Holland und Belgien durchradelt. Einen Rucksack mit allem Zuviel der ersten sieben Tage hat er vorsorglich in Boulogne deponiert. Diesen wird er morgen wieder in Empfang nehmen und dabei Herrn Quehen (Bilder: bitte hier klicken) wiedersehen.

Den Pflichtteil der Nordseeküstenrundfahrt wird er somit schon bald vollendet haben, nun folgt die Kür. So viel wie möglich will Irgendlink nämlich auch von der Strecke Boulogne-sur-Mer – Zweibrücken aus eigener Kraft zurücklegen. Dies wird ein Rennen mit der Zeit, da er am 1. August allerspätestens zuhause sein muss, wo ihn das nächste Abenteuer erwartet: Der 9. Mainzer Kunstzwerg (bitte hier klicken).

Hier nun noch der belgische Teil des NSCR als Tagescollage

Belgitüde

„Die Mädchen mit den linksfußlackierten Zehennägeln“ scherzen wir. So ähnlich könnte der Blogartikel heißen. Meinen Nachbarinnen auf dem Minicamping Beer Ostie erkläre ich das Blog.

Nachdem ich das Zelt abgebaut hatte und eigentlich nur Tschüss sagen wollte, stehen sie vor dem Wohnwagen und finden „Hoe sterk is de eenzame fiedser“ – Wie stark der einsame Radler doch ist. Zu finden bei youtube mit Suche nach Boudewyn de Groot/Jimmy. Ich bin ergriffen. Wir sitzen in der Morgensonne, trinken Kaffee, Michelle, Henriette und ich, und schwadronieren über das Leben, die Kunst, die Gegenwart, so, als würden wir uns schon lange kennen. Henriette macht Fotos von uns. Vom Radel. Und Michelle fotografiert irgendwann den Kunstrasen vorm Zelt unser dreier Füße, als baumelten sie über einem tiefgrünen Teich. Henriette hat nur die Nägel am linken Fuß lackiert. Und schon ist ein potentieller Blogtitel geboren. Henriette skizziert das Geschehen schriftlich auf Post-Its, steckt sie mir zu. Geheime Botschaften frisch aus der Quelle. Michelle ist Künstlerin. Sie empfiehlt mir das belgische Kultursommerprojekt entlang der gesamten Küste: Beaufort 04.

Wieder einmal habe ich das Gefühl, dass mir eine unsichtbare Kraft den Weg frei schaufelt. Kaum habe ich abends die SMS an die geliebte SoSo geschickt „Find nix“, was bedeutet, dass es schon fast dunkel ist, und ich noch immer keinen guten Lagerplatz gefunden habe in dem zig Hektar großen Molloch aus nervigen Riesencampingplätzen ohne jegliche Seele mit Lärmgarantie und Gezeter, ich mich schon darauf einstelle, sitzend unter einem Baum zu schlafen, taucht hinter der Kurve Beer Ostie auf. Mehr noch, die unsichtbare Kraft, die den Weg bereitet, sendet Michelle und Henriette.

Erst gegen 13 Uhr verlasse ich den Platz, der direkt am LF1 liegt. Über Sluis, welches sonntäglich überquillt von Tagestouristen, so dass mit dem Fahrrad kaum ein Durchkommen ist zwischen all den Spaziergängern und den in Schrittgeschwindigkeit Parkplatz suchenden Autos, begrüßt mich an der Grenze in Belgien eine Tafeln mit Radwegenetz. Auch hier heißt der Nordseeradweg LF1, wenn auch ohne a oder b, was die jeweilige Richtung kennzeichnet. Annick K., die imaginäre belgische Verkehrsministerin, hat ihre Aufgabe prächtig gelöst. Knapp hundert Kilometer weit schlängelt sich die Strecke durchs Land. Über Zuienkerke (bei Brugge), Nieuwpoort und Koksijde bis zur französischen Grenze. Bis auf ein zwei Ausnahmen lückenlos beschildert. Erstaunlicherweise führt der Weg fast nur an Kanälen unter Alleen aus haushohen Linden oder über kleine Landsträßchen, die kaum breit genug sind, dass ein Radler und ein Auto aneinander vorbei kommen. Die Küste berührt er erst in Nieuwpoort beim abendsonnenglänzenden Hafen und in Koksijde mit seinen hohen Dünen. Vom Landesinneren hat man immer wieder erschreckende Ausblicke auf die Küstenlinie: Skylines aus zehn plus X stöckigen Häusern, oft kilometerlange Wände, ragen grau aus dem Dampf des Tages. Im Vordergrund lieblich ein Maisfeld. Ich bin ziemlich froh, nicht direkt an der Küste radeln zu müssen. Das GPS zeigt zwar auch dort eine Route, also jenseits der Hochhauszeilen, aber ich vermute, dass das an einem Sonntag keinen Spaß machen würde. Sobald ich auch nur annähernd Richtung Strand komme, ist das Menschenaufkommen extrem: Autostau, Fußgänger, Radler. Überquellende Straßencafés. Belgien lebt durch sein Hinterland.

An einer Kreuzung bei einem der vielen Middelkerkes (viele Orte heißen mit Nachnamen Middelkerke, sehr seltsam Also Knocke middelkerke, Panne Middelkerke usw.) fragt mich ein Radler, ob ich nach Compostella will. Spätestens jetzt klickts: hier ist man katholisch. Der Mann schwärmt von dem wunderbaren Land und den Radwegen. verdammt. er hat recht. Mit dem Finger zeigt er nach Norden auf die braunen Kühe, die kaum fingernagelgroß fern auf einer Weide grasen, nur zweitausend Stück gibts von denen und nur hier in der Gegend, weshalb sie streng überwacht werden. Artenschutz bei Nutzvieh? Glücklich sind sie allemal.

Kurz hinter De Haan folge ich einem Schild, das auf einen Milchautomaten hinweist. Sieben Tage die Woche vierundzwanzig Stunden lang Frischmilch. Nullzwoer Becher für zwanzig Cent. Eiskalt. Der Hofhund liegt müde neben einer Picknickbank. Kind sitzt lustlos auf seinem Spielzeugtraktor und starrt mich schweigend an. Erst, als der Papa mit dem Auto vorfährt, redet der Junge, dass das sein Papa sei und dass er heimkommt. Tse. Im Häuschen, in dem der Milchautomat steht, sind zwei Steckdosen, mit denen ich den Pufferakku des iPhones lade.

Ich bin heilfroh, dass ich die Nordseerunde so sauber zu Ende bringen kann und diesen wunderschönen Abschnitt in Belgien, der gerne ausgeklammert wird, auch noch radle. Er gehört einfach dazu. Ohne Belgien ist die Nordseerunde keine Nordseerunde. (Die meisten NordseeradlerInnen nehmen die Passasge von Hoek van Holland oder Vlissingen nach Harwich in England.)

Irgendwann bei Koksijde die ersten französischen Worte. Bonsoir, ça va et cetera. Die Sonne im Rücken bringe ich mich weg von der Küste, weg vom Ferienmolloch, der jedoch in dieser Gegend ein ganz anderes Feeling hat, als in den Niederlanden. Insgesamt kommt mir das Land geschmeidiger vor, weniger rau, die Gehöfte sind weiter von einander entfernt. Es gibt großzügig weite aber sehr flache Gegenden, durchzogen von Kanälen, garniert mit Zugbrücken, wie sie schon die alten Meister seit jeher malten.

Nun habe ich mein Zelt neben einem Misthaufen unweit der französischen Grenze aufgebaut. Der LF 1 führt sogar noch durch Frankreich bis nach Boulogne-sur-Mer. Seit fünf Uhr bin ich wach, der magnetische Sog des Daheimlebens hat eine unheimliche Kraft entwickelt. Ich wälze erste Alltagssorgen, schreibe Mails, organisiere Dinge für das Kunstzwergfestival, das vom dritten bis fünften August in meinem Atelier stattfindet.

Obwohl ich mit hoher Schlagzahl radele, habe ich dennoch genug Zeit, on the fly, ein wenig Kunst zu schaffen. Die Texte, dieser Text, sind etwas geraffter. Effizientes Arbeiten. Puuh, halb acht. Ich baue dann mal das Zelt ab.

(sanft redigiert, mit Link versehen und gepostet von Sofasophia)