Links und sein Gegenüber

Angespitzt durch Flann O Brien, dass es besser ist, links abzubiegen, als rechts, fabuliere ich seit einigen Jahren über das Rechts-Links-Ding, welches im Übrigen in die selbe Sparte schlägt, wie folgende andere Weisheit des großen irischen Autors (sinngemäß):

Jeder Weg hat seine Richtung. Bereist du eine Straße und erlebst die Strecke als schwer und ungemütlich, so liegt es vielleicht daran, dass du in der falschen Richtung unterwegs bist.

Das kann man durchaus aufs allgemeine Leben übertragen.

Einst staunte Konzeptkünstler R., als ich ihm sagte: „Ich möchte ein Buch über den Rhein schreiben. Protokolle am Fluss soll es heißen. Ich will über Schiffe berichten, Fahrradfahrer und Menschen, die mit ihren Hunden gassie gehen. Ich will den Fluss von der Quelle bis zur Mündung bereisen und ihm in jeder Minute so nah sein wie nur möglich, damit ich nichts verpasse“.

Konzeptkünstler R., der bekanntermaßen selbst schon den Rhein bereist hat und in Abständen von 50 km Steine übereinander gestapelt hat, zuckte mit den Schultern: „Warum reist du nicht andersrum, von der Mündung bis zur Quelle?“

Da wurde mir klar, dass ich mir noch nie so recht Gedanken gemacht habe über die Richtung meiner Reisen. Man könnte zwar sagen: wenn man von zu Hause startet zu Fuß oder per Rad, so ergibt sich die Richtung automatisch. Man hat ja ein Ziel. Die Richtung ist immer vom Start zum Ziel. Bei Protokolle am Fluss ist jedoch das Ziel die längliche Strecke zwischen Quelle und Mündung. Es wäre egal, in welche Richtung man fährt.

„Denke über die Richtung nach, ein paar Jahre. Vielleicht kommst du zu einem Ergebnis“, gab mir der Konzeptkünstler mit auf den Weg.

Der heutige Tag in der Loungewerkstatt war langweilig. Deshalb redeten Kollege T. und ich über das Rechts-Links-Ding.

„Sag niemals rechts, allein schon aus politischen Gründen“, begann ich den Dialog.

„Mhm. Am Besten vermeidet man das Wörtchen rechts in seiner Rede, schon recht so“, bestätigte T.

„Manchmal dichte ich es um und sage einfach links, obwohl es in der Realität rechts war. Ist ja den Lesern egal, ob meine Freundin das Glas links neben sich auf den Tisch gestellt hat, oder rechts. Wichtig ist, dass sie es auf den Tisch gestellt hat“.

„Sag doch einfach, sie hat es auf die Seite gestellt, die der linken Seite gegenüber ist; dann brauchst du kein Rechts“.

Ich muss sagen, des Kollegen Mund tut Wahrheit kund. Er stand links neben mir in der schrägen Wintersonne, die schon bald von einem Schneeschauer abgelöst werden sollte.

Die Degenerationstheorie

Tatsache: sich nach Oben orientieren ist einfacher, als sich nach Unten orientieren. Pflanzen streben immer zum Licht; wirtschaftlich denkende Menschen streben immer nach Oben.

Aufgabe:

Suche nach Beweisen, warum es besser ist, sich nach Unten zu orientieren. Widerlege die Praxis. Fabuliere eine neue Denkweise, in der Niedergang besser ist, als Aufstieg.

Anmerkung: am Besten demonstrieren mit Fußballverein. Weg vom Geld, zurück zum Herz.

Brisante Fragen: Wurde Hoffenheim gemacht? Sind die Bayern ein reines Geldphänomen. Antwort Ja.

Wie ist es möglich, in Niederlagen Spaß zu finden?

Tja, meine Lieben, das ist mal eine Aufgabe. Schier unlösbar. Oder etwa nicht?

Du musst versagen

Konzeptkünstler R. ist wieder da. Ein unbekanntes Wohnmobil mit Münchner Nummer stand im Hof, als ich nach Hause kam. Auf den Seiten prangte in roten Buchstaben der Schriftzug R. – Räte für den Mittelstand.

Der Künstler hatte es sich in meiner Bude bequem gemacht. Durch die Katzentür hatte er sich eingeschlichen und sogar den Ofen angezündet. „Wie kannst du bei der Kälte existieren?“ fragte er, ohne auch nur Hallo zu sagen. Perplex umarmte ich ihn: „Ich dachte, du wärst tot. Dort ist es noch viel kälter“.

Wie lange haben wir uns nicht gesehen? Drei Jahre? Viel Wasser floss durch viele Bäche.

Konzeptkünstler R. ist sicher der merkwürdigste meiner Freunde. Deshalb fällt es mir auch nicht schwer, seinen Wandel vom dreitagebärtigen Penner, der am Rhein alle 50 km einen Steinstapel aufgestellt hat zum Unternehmensberater – das muss man sich mal auf der Zunge vergehen lassen – zu verstehen.

Tatsächlich ist das Wohnmobil, nigelnagelneu, das nun draußen im Hof steht, seine Einsatzentrale, sein Arbeitsplatz. In Kurzer Rede erfuhr ich, dass er sich vor zwei Jahren offiziell selbständig gemacht hat und eine mobile Unternehmensberatung gründete. Seither durchquert er mit dem fahrbaren Büro die Republik und alle Staaten der EU, in denen romanische Sprachen gesprochen werden und berät kleine bis mittlere Unternehmen.

„Räte für den Mittelstand. Tse. Das klingt ja geradezu kommunistisch.“

„Dem Mittelstand kann ein bisschen Kommunismus nicht schaden“, sagte R. „Der Mittlestand ist in zehn Jahren tot, wenn er nicht andere Wege geht. Der Mitterlstand hat sich bisher immer nach Oben orientiert. Nun ist es an der Zeit, dass er sich nach Unten orientiert und ganz neue Strukturen schaffte. Ich helfe ihm dabei.“

„Davon lebst du?“ fragte ich.

„Nicht davon“, antwortete er, „ich lebe. Ist einfach, nicht wahr?“ Der Konzeptkünster Mr. UnternehmensberaterSir grinste breit.

Wir tranken ein paar Bier und ich zeigte ihm, was sich in den letzten Jahren auf dem einsamen Gehöft alles verändert hat: das neue Atelier, ein paar Pimp My Wohnung Finessen, sowie diverse Neuigkeiten. Wie das eben so ist, wenn man sich so lange Zeit nicht gesehen hat. Ein gemütlicher Abend voller gepackter Information.

Die wichtigste, die auch mich betrifft war wohl: Du musst versagen! Jawohl.

„Du musst dich versagen in dieser leistungsorientierten Welt“, erklärte R., „denn wenn du es nicht tust, schinden sie dich, nutzen dich aus, vernichten dich am Ende“. Ich dachte an die Niere von Freund F. Du musst versagen, ehe es die Niere tut. Vielleicht hat Monsieur Allwissend Konzeptkünstler R. recht: wenn du in dieser Gesellschaft rennst und rennst und rennst, um vor deinen Mitmenschen am Ziel zu sein, tust du genau das, was die da Oben wollen: du opferst dich auf einem schäbigen Altar – wofür- für nichts und auf der Strecke bleibt das Lebensglück.

Jawohl. Wir müssen einfach nur versagen, uns zurück nehmen, nein sagen, enthaltsam sein was Leistung betrifft, denn honoriert wird ja der ganze, von Menschen für Menschen erfundene Wirtschaftsquatsch nur, wenn man bereit ist, anständig in die Tasche der Allgemeinheit zu greifen.

Also lautet die Devise für die Zukunft: Langsam ist besser als Schnell. Was ich nicht mache, machen die Kollegen. Was die Kollegen nicht machen, bleibt liegen.

Und alles, was liegen bleibt ist so natürlich, so gut, es ist Sediment in einer verrückten Zeit. Forscher werden es in Hunderttausend Jahren finden und Rätsel darüber raten.