Spam it!

„It sounds good, I love the simplicity. Your posts are easy as a pie and really attractive at the same time.“

Man liebt ja diese Schmeicheleien – wenn man den Spruch allerdings in einem deutschsprachigen Weblog, obendrein unter einem Beitrag, den selbst Deutsche kaum verstehen, liest, wird man hellhörig, überprüft den Link, gibt den kompletten Spruch in die Suchmaschine ein und landet zig Treffer.

Wir leben in einer aggregierten Welt, millionenfach kopiertes findet sich im Web wieder – wie üblich latschen wir gerne den ausgelatschtesten Weg – kürzlich bei der social Network-Platform wer kennt wen wurde mir das klar: die Gästebücher sind voll von kopierten Standard-Weisheiten – früher im Poesiealbum war es ja so ähnlich – und obendrein kann sich Neues nicht lange halten, weil es binnen weniger Stunden kopiert und kopiert und kopiert wird.

Sprüche über Irgendlink

„Doppel-Steinbock, ahaa, das erklärt deine Beharrlichkeit. Du wirst alles tun, um ein Ziel zu erreichen.“ Marc K., als er meine Vermutung, ich könnte eventuell Steinbock mit Aszendent Steinbock sein, vernahm.

„Bandscheibe? Welche Bandscheibe? Da ist nix mehr – aber wo nichts ist, kann auch nichts kaputt gehen.“ Physiotherapeut Sch., als er die Computeraufnahmen meines Rückens betrachtete.

„Lassen sie dich zu Hause nicht mehr rein?“ Die Nachbarin, als sie mich zum wiederholten Mal auf dem Teerweg vor dem einsamen Gehöft spazieren sieht.

Nachtfischer

Der Nachtfischer kehrt zurück mit Netzen voller Träume. Schlummert im hölzernen Kahn auf weichen Wellen, streckt sich, reckt sich und als er die Mole erreicht, sind die Netze leer.

Abstumpfen oder kreativ sein in den Rissen der Welt

Wie ich auf meine Füße starre, während ich den kleinen Teerweg neben dem einsamen Gehöft auf und ab spaziere, gedankenverloren ab und zu den Kopf hebe, die Felder beobachte, die Wolken, den Sendemast drüben auf dem Berg, der von allen nur die weiße Driesch genannt wird! Die Füße stecken in Wanderschuhen. „Diese Boot are made for walking,“ denke ich und amüsiere mich über das freche deutsche „Diese“, welches das englische Original „These“ ersetzt. „Bist du nicht frech?!“ fabuliere ich. Ich weiß nicht, ob ich all das denke, oder es leise vor mich hinmurmele oder ob ich es hinausschreie in die Welt. Ein Lächeln um die Lippen ackere ich mich den Teerweg hinauf bis zur Landstraße, vobei an zwei mächtigen Pappeln, einer drastisch gestutzten Birke, einer Schlehenhecke, einem Schuppen, noch einer Birke und noch einer Birke, die sicher bald fallen wird, denn sie ist hohl bis zur Wurzel. „Ein Wunder, dass das Geschöpf immer wieder grünt,“ denke ich. Erreiche die Landstraße. Ein rotes Auto gefolgt von einem blauen saußt vorbei. Ich mache Kehrt und laufe den Teerweg zurück, bemerke einige Risse in der Fahrbahnfläche und amüsiere mich über die winzigen Inseln aus Lehm, die der benachbarte Landwirt bei der Beackerung seiner Felder auf dem Teerweg hinterlassen hat und welche sich im Regen nach und nach auflösen. Ich stelle mir vor, dass es sich dabei um fremde Welten handelt. Dass in dem Moment, in dem ich einen halbsekundigen Schritt über eine der Inseln hinweg mache, eine komplette Schöpfung von Anfang bis Ende abgespielt wird, sich Hochkulturen und Mini-Atomkraftwerke bilden, Kriege geführt werden, Unbeschreibliches erreicht wird, und dass am Ende, wenn ich meinen winzigen Schritt über den Lehmklumpen hinweg beende meherere Milliarden Jahre vergangen sind in dem Lehmklumpen. Und genau so macht gerade ein gigantisches anderes denkendes Wesen einen Schritt über unser Universum.

Die Lehmklumpen werden von Tag zu Tag kleiner. Der andauernde Regen wäscht sie, Partikel für Partikel, zurück in den Acker und in ein Paar Tagen wird der Teerweg wieder so sauber sein wie an dem Tag, bevor der Bauer sein Feld bestellte.

„Die Welt hat Risse,“ murmele ich vor mich hin. Regen auf der Unterlippe, eine Haarsträhne klebt klatschnass auf der Stirn. Unbeirrt laufe ich den Weg weiter bis hinunter zu den drei Birken, mache kehrt, passiere die zwei Pappeln, das einsame Gehöft, Birnbaum, Schlehenhecke, Schuppen, Birnbaum, Birnbaum, Landstraße und zurück.

Wenn man irgendwann mit dem Nachdenken über etwas fertig ist, fängt man unweigerlich damit an, über das Nachdenken ansich nachzudenken und gerät in eine schwer zu erklärende Schleife – aus welcher es kein Entrinnen gibt – welche das Denken selbst zum Inhalt des Denkens macht und welche in keiner Weise je irgendein Ergebnis bringt. Man befindet sich dann in einem Zustand des Strebens, der jegliches Objekt oder Ergebnis, nach dem zu streben es sich lohnt, vermisst. An der Grenze zwischen Abstumpfen und kreativ sein, lebt man in einer Blackbox des Nichtwissens ähnlich wie Schrödingers Katze. Es gibt zwei Zustände, von denen der Denkende aber immer nur einen einnehmen kann: kreativ sein und in den Rissen der Welt Nützliches entdecken, oder abstumpfen und die Risse in der Welt gar nicht wahrnehmen.