12 Tote bei gregorianischem Chorspektakel

Tse. Schon wieder ein Uhr nachts. Ich kriege es einfach nicht gebacken, früh ins Bett zu kommen. Heute durfte ich Journalist F. bei seiner versierten reporterischen Arbeit über die Schulter schauen. Auf dem Plan standen gregorianische Gesänge von sieben, Mönchskutten tragenden Ukrainern. Das Spektakel fand in einer, von Kälte gesättigten barocken Kirche statt. Paarhundert Gäste. Wir, zu spät, fanden nur noch auf dem Sünderbänklein direkt neben dem Eingang Platz. Während Journalist F. nach dem perfekten Pressefoto jagte, schlief ich zusammengekauert ein – ich habe mir sagen lassen, der Tod durch Erfrieren laufe genau so ab. Man döst, schläft ein und wacht nicht mehr auf. In der Pause – gottlob – weckte mich eine kalte Hand. Mit Eiszapfen an der Nase sagte Journalist „Van H.“ F.: “ Wach auf Junge! Ich hab genug, das sind keine gregorianischen Gesänge, bestenfalls ist es Kosakenmusik, 16 Jh. plus X. Gregorianisch war viel früher.“

Flucht aus den frostgesättigten Mauern. Eine Dame mit Pelzstola und an den Beinen so gut wie nix, hatte wie durch ein Wunder überlebt. Vielleicht hatte sie Holzbeine? Wir fabulierten die Schlagzeile für den Artikel: 12 Tote bei gregorianischem Chorspektakel, malten uns aus, dass am Morgen danach die Totengräber steifgefrorene Körper von den Kirchenbänken lösen, fuhren zum nächsten Jougoslawen und bestellten eine Split-Platte für zwei Personen. Man lieferte für vier. Dem Kältetod um Haaresbreite entronnen, ringe ich nun mit bedrohlichen Bauchproblemen – nur noch ein Minzplätzchen – naja, und ihr wisst ja, was dann passiert.

Zurück in die Kälte fast schon transylvanisch. Satter Mond im Dunst, Rauhreif soweit das Auge reicht.

Leise verschwindet der Schlitten in der Nacht. Fern heulen die Wölfe. Wie sollte Journalist „Van H.“ F. wissen, dass er in dieser Nacht das Böse in die Welt trug? ;-)

Preisfrage: welche beiden Filmklassiker kommen in diesem Blogeintrag vor?

Startrek Vorlesung – Klassiker auf dem FH-Campus Zweibrücken

Der Zweibrücker Audimax. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2007. In unermüdlicher Mission ist die Crew der Zweibrücker Fachhochschule „U.S.S. Audimax“ unterwegs, Visionäres und Reales miteinander zu verknüpfen und mit viel Technik in einer Mischung aus Fachvorlesung und Show Einblicke in gar nicht mal so ferne Zukunftsideen zu gewähren.

Die Weite des, vor Hightech strotzenden Audimax auf dem Zweibrücker Kreuzberg war jedoch nicht unendlich genug, um allen Wissbegierigen anlässlich der mittlerweile 44. Startrek-Vorlesung einen Sitzplatz zu bescheren. Über 500 Gasthörer drängten sich am Mittwochabend auf den unbequemen Sitzen und fanden sich vor der täuschend echt wirkenden Brücke des Raumschiffs Enterprise wieder. Der Greenbox-Technik sei Dank saß man Auge in Auge mit der Vorlesungscrew, Lt. Commander Hubert Zitt, Commander Markus Groß und Lt. Commander Manfred Strauß. Die hatten es sich auf der Enterprise-Brücke bequem gemacht und plauderten, live projiziert auf Beamerleinwand im pfälzischen Dialekt. Erst als die Leinwand eingerollt wurde, konnte man einen Blick erheischen in das kleine Filmstudio. Nichts als ein mit grünem Stoff ausgekleideter Raum, in dem die Crew Platz genommen hatte.

Mittlerweile im elften Jahr hat sich die Startrek-Vorlesung zu einem gut dreistündigen Programm gemausert, bestehend aus unterhaltsam aufbereiteten Informationen, Kostümwettbwerb und Wohltätigkeitsveranstaltung. Links der Bühne konnte man an die Wand projiziert zwei Ebay Auktionen verfolgen, deren Erlös zusammen mit Spenden aus dem Publikum und von Professoren des Fachbereichs Microsystemtechnik an die Gruppe Saar-Pfalz des Mukoviszidose e.V. überreicht wurde. 1905 Euro standen am Ende der Veranstaltung unter dem Strich.

Am Kostümwettbewerb nahmen nicht nur liebevoll nachgestellte Figuren aus Raumschiff Enterprise teil, sondern auch Helden aus anderen Science Fiction Klassikern wie Star Wars und Stargate. Die Sternenfamilie ist groß und hat stets ein offenes Ohr für Andersartiges.

Im Kern der Veranstaltung klärte Mathias Pfaff von der Fachhochschule Kaiserslautern auf über das Design der Zukunft. Mit mannigfaltigen Beispielen, Filmclips und Bildern demonstrierte er auf der Multimedia-Leinwand die Verstrickung von Vision und Wirklichkeit. Etwa sehen moderne Handys den, in den 1960er Jahren in den ersten Raumschiff Enterprise Folgen gezeigten Kommunikatoren verblüffend ähnlich und schon 1966 konnte man den Vulkanier Spock mit einer Diskette hantieren sehen, wie sie erst vier Jahre später in der realen Welt zum Einsatz kommen sollte. Dass die phantastische Architektur ferner Welten zum Greifen nah ist, verdeutlichten Bilder von hochmodernen Bauten wie dem Wave Tower in Dubai oder der weißrussischen Nationalbibliothek in Minsk. Dort hat man die Fassade mit Millionen einzeln ansteuerbaren Leuchtdioden versehen und kann dem Bauwerk mit aufwändiger Computertechnik jedes x-beliebige Aussehen verpassen. Dass die Welt auch auf dem Fahrzeugsektor Hand in Hand geht mit den Visionen des 24ten Jahrhunderts, beweist die neue Generation Autos, welche 2007 auf internationalen Autosalons als Prototypen vorgestellt wurden.

Ein abschließender Vortrag von Hubert Zitt erklärte aber auch, was in den Visionen schon längst erreicht ist, worum wir derzeit im 21. Jahrhundert aber noch hart kämpfen: Umweltverschmutzung, Gleichberechtigung, weltweiter Frieden, um nur einige Probleme zu nennen.

Dass wir irgendwann einmal diese Visionen wahr machen, ist ein Lichtjahre langer Weg. Die Überwindung unendlicher Weiten beginnt mit dem ersten Schritt.

(war ja mal wieder drastisch gekürzt in der Zeitung, was sich aufs Weihnachtsgeld des werten Herrn Irgendlink immens auswirkt)

Geocaching rulez

Tse. Ich kriege es einfach nicht hin, normale Tagesabläufe zu leben. Muss es ja auch nicht. Soeben mal wieder von einer Nightcaching-Tour aus dem großen Wald gleich nebenan zurück.

Wir leben in einer Parallelwelt, wir Geocacher – wie sagte doch Freund T.: „Erstaunlich wieviel kostenloses Vergnügen es auf dieser Welt gibt. Wir müssen nicht Kino, Theater, Weihnachtsmarkt und all den teuren Kommerzschnickschnack, das Einzige was wir müssen ist der große dunkle Wald und die tollen Verstecke, die wir uns gegenseitig kredenzen.“

Dass das Hobby auf milliardenteurer Satellitentechnik beruht klingt geradezu grotesk.

Silvester kristallisiert sich langsam. Nachdem ich Frau Busen gecancelt habe, die mit den schwarzen Spitzen, weil sie mich in eine komische Kneipe überreden wollte, lasse ich wieder den Desperado raushängen, der dazu steht, Silvester nichts vorzuhaben, oder einfach zu schlafen oder einen besonders kniffeligen Nachtgeocache anzugehen und spazierend im großen dunklen Wald das neue Jahr zu beginnen.

Mein Gott, für einen Menschen mit einem Planungshorizont von zwei Tagen ist die Woche bis nächstes Jahr ja auch verdammt lang.

Ist dies die Langzeitwetterprognose des gelebten Lebens?

Sie ist

Ein perfekter Tag. Der perfekteste seit Jahren. Ich habe den Glauben verloren. Den Glauben, dass es eine virtuelle und eine reale Welt gibt. Es gibt nur eine Welt und die ist weder virtuell noch real.

Sie ist.

Nun muss ich die K15, das Projekt im April-Mai 2008 nochmal überdenken und den Schwerpunkt ganz sicher auf das Amüsement in der realen Welt legen. Sprich: reise, genieße, nimm‘ alles mit und versklave dich nicht in deiner konzeptuellen Kunst. Das Projekt profitiert ganz sicher davon, wenn ein entspannter Künstler es durchführt, und nicht einer, der sich selbst unter Druck setzt, der den Maschinen gehorcht und somit nur die halbmögliche Performance erbringt.

Spätabends zusammen mit P. das Freikratzen von Autofensterscheiben celebriert, seltsamer Weise ein Highlight, denn sie legte eine ungleich hektischere Taktik an den Tag, als ich, was mich faszinierte, und während ich, fasziniert freikratzend sie beobachtete, schaute sie zu mir herüber und sagte, „seltsam, wie unterschiedlich unsere Freikratztechniken doch sind, komm‘, jetzt machst du wie ich und ich wie du.“ – auf diese Weise kratzten wir im Nu die Karre frei.

Ein kleines Erlebnis in der real-virtuellen Welt, welches einem niemand nehmen kann.

Ehrlichgesagt bin ich mir nicht mehr klar, was nun wirklich ist und was nur im Kopf. Das Geheimnis lautet – irgendwo im Niemandsland zwischen all den Milliarden Köpfen der Welt treffen wir uns in einem winzigen Punkt namens Realität.

Noch so eine Kleingkeit des Abends: Sie sagte, „was haben wir für ein Jahr?“ und antwortete sofort „Mittwoch“ – herzlich lachend spazierten wir durch die sternklare Nacht.

Ihre Bedenken sind ihre Bedenken

Die Welt ist im Kopf. In Deinem und Deinem und auch in meinem. Kein Wunder, dass die Welten differieren. Dass man manchmal fassungslos vor einem Menschen steht und denkt: wie kannst du nur? Unfassbares füllt den Raum zwischen unseren Realitäten. Warum wir einander manchmal trotzdem näher kommen, uns befreunden, verlieben, aufeinander einlassen ist mir ein Rätsel. Vermutlich ist es die gute alte Neugier, die uns dazu treibt.

Heute mit Künstlerin A. telefoniert. Das Gespräch mäandrierte um Kunst und was man so alles machen könnte, um schließlich in Island zu enden, wo wir beide Anfang der 90er Jahre tourten – sie per Ente (legendärer 2CV von Citroen) und ich per Radel (nein, wir haben uns nicht getroffen dort). Als sie es erwähnte, war sofort eine gewisse Verbundenheit da und vor allem das Gefühl, das eigene Leben ist richtig. Menschen fahren nicht einfach so nach Island, vor allem nicht per 2CV oder Fahrrad.

So verkorkst es vielleicht scheinen mag. Aber uns Künstler kann man partout nicht mit den Maßstäben des Gutbürgertums messen. Wir stehen jenseits von Grenzen, an die sich andere nicht im Geringsten heran trauen. Deshalb ist es richtig. Ich erinnere mich, mit der geliebten I. spazierend zwischen dem Vatna- und Myrdalsjökull im dichtesten Nebel den Weg zu suchen. Zwischen den beiden größten Gletschern Islands gibt es einen, im Sommer begehbaren Trail, der in 100 m Abständen kreuz und quer durch Schneefelder mit Pfosten markiert ist. Im Nebel, damals im August 1992 konnten wir verflixt nicht vom einen bis zum nächsten Pfosten schauen. Also blieb immer einer von uns beim letzten Posten zurück. Der andere suchte den folgenden Pfosten. Stets „piep“ rufend, „hier bin ich“, bewegten wir uns Meter um Meter bis zur Schutzhütte zwischen den Gletschern. Nur so konnten wir überleben.

In gemeinsamer Arbeit bauten wir den Weg, den wir zuvor in Karten zurecht gedacht hatten. Mulmig wars allemal. Aber nach vier Tagen und 70 Kilometern durch die Einöde den 60 Meter hohen Skogarfoss an der Südküste der Atlantikinsel zu erreichen, war eine große Sache.

Seither ist die Welt, meine Welt, in meinem Kopf.

Zurück aufs einsame Gehöft. Ich erfreue mich an den staunenden Augen derer, die noch vor Kurzem die neue Galerie als Kuhstall gebookmarkt hatten. Niemand konnte sich vorstellen, was ich aus dem Raum machen werde. Dass es wahr wurde ist einigen Wundern und viel energischen Beharrens zu verdanken.

Kurzgeschlossen auf das Künstlerleben könnte man formulieren: bleib bloß nicht stehen, auch wenn der Nebel noch so dicht (Stillstand bei dichtem Nebel produziert nichts anderes als einen Kuhstall aus einem Kuhstall – weitergehen macht Galerie). Der Weg ist wohlmarkiert in deinem Innern, kümmere dich nicht, was in anderen Köpfen vorgeht. Ihre Bedenken sind ihre Bedenken. Dein Ziel ist der nächste Pfosten, versteckt im Weiß des Nebels, der dich umgibt.

Zurück zu Künstlerin A. Nein, da besteht kein auch irgend geartetes Begehren. Sie ist glücklich verheiratet. Wir sind einfach nur spirituell vereint (wie B. das im Kommentar unter „Ich sah den Busen …“ sinngemäß ausdrückt).