Das Leben, Ansichtssache

Sieben Grad kalte Künstlerbude. Ich denke über das Ökodorf nach. Hab’s vor Kurzem nach dem Serendipitätsprinzip im Web gefunden. Es liegt auf 1000 Metern Höhe. Leider nicht auf dem Weg zur Ostsee oder nach Irland oder ans Schwarze Meer. Sonst hätte ich geliebäugelt, dem Dorf einen Besuch abzustatten. Die Schweizer Millionärin, die ich einst kannte, hat ein Tipi in dem Dorf.

Das Ökodorf begleitet mich schon seit über 15 Jahren. Nur im Kopf. Erstmals hat mir eine Berliner Punkerin in einer zerfallenen Hütte (in „unserer“ Hütte) westlich von Marseille davon erzählt. Sie erwähnte weitere Orte, die nur Menschen unseres Schlags kennen, längst verlassene Gerippe menschlicher Gemeinschaften. Zerfallende Monumente, die davon zeugen, dass geträumt, gehofft, geliebt, gelebt und gehasst wurde. Wir sind die Einsiedlerkrebse der modernen Zivilisation.

Das darf man nicht vergessen: dass man nicht unbedingt in diese „normale“ Gesellschaft gehört. Nur weil man darin geboren ist, weil man darin lebt, weil sie einen in gewissem Grade auch verseucht mit ihren vordiktierten Denkweisen.
Denkweisen gibt es viele. Eine lautet: Ein Haus braucht Zentralheizung. Nimm Öl. Oder Gas. Oder Solar. Die Zentralheizung ist der Inbegriff von Wärme und Fortschritt.

Da passt beispielsweise einer wie ÖffÖff, der in Mecklenburg irgendwo in einem Erdloch lebt, so ganz und gar nicht ins Bild. Immerhin haben die Medien ihn entdeckt. Vorliebig zu Weihnachten wird über ÖffÖff berichtet, damit die Fernsehgesellschaft ihr Bild vom richtigen Leben nicht verliert.

Aber ist das richtige Leben denn wirklich richtig? Könnte es nicht auch sein, dass mehrere richtige Lebensweisen nebeneinander existieren und man das Unvorstellbare nicht ausblenden sollte.

Idealerweise gäbe es in einem Haus zwei Kamine, einen für den Holzofen und einen für die Ölheizung.

Öfföff schmatzte selbst gesammelte Maden, kuschelte mit Frau und Kind im Erdloch unter einem Fell.

Im Ökodorf, irgendwo im Süden, da wo die Schweizer Millionärin ihr Tipi stehen hat, haben sie eine Seilbahn gebaut, damit sie die Lasten nicht mehr mit Eseln ins Dorf schleppen müssen.

Ich hab den Ofen eingeschürt, empfinde die sieben Grad gar nicht kalt. Komme mir ein bisschen schizophren vor, weil ich im Keller eine Zentralheizung stehen habe und somit es theoretisch möglich wäre … was möglich wäre? Den Anschein zu wahren? Den Komfort zu genießen? Das Leben so zu leben wie andere glauben, dass es richtig ist?

Sagt der Opelfahrer zum VW-Fahrer, „Du, der Corsa ist aber besser.“

Das Serendipitätsprinzip, mal wieder

Serendipität heißt ungefähr: Finden, wonach man nicht gesucht hat.

Jene seltsamen Begebenheiten, bei denen man gewillt ist, an Vorsehung zu glauben, weil man sich nicht erklären kann, wieso sich ein Ereignis ereignet hat.

Passiert mir manchmal, dass ich von Etwas höre, von dem ich nie zuvor gehört habe, vielleicht weil ein Freund mir davon erzählt.

Kurz danch erwähnt ein anderer Freund, der den ersten überhaupt nicht kennt, das gleiche Thema.

Zufall?

Oder treten bestimmte Ereignisse einfach in unser Leben, wenn die Zeit reif ist.

Mit Menschen geht das übrigens auch. Plötzlich sind sie da. Man befreundet oder verliebt sich.

Die stinkende Schurwollsocke des Webdesign

Heute mal wieder Kunsttag. Ich muss in die Pötte kommen. Freitag ist Ausstellungseröffnung.

Man kann es drehen und wenden wie man will. Die Kunst ist ein Bummerang. Sie kehrt immer wieder zurück. Vielleicht ist sie auch wie Hundescheiße, klebt am Schuh? :-)

Die letzten Tage viel über das Thema Spannung, Homepagedesign, Useranalyse etc. gelernt. Und dabei gemerkt, wie miserabel meine Homepages strukturiert sind. Die paar simplen Fausregeln aufs krudeste missachtet: Wichtiges Oben links platzieren, Seiten so, dass nicht gescrollt werden muss, der Inhalt sollte die Keywords enthalten, aber vorsicht, nicht zu viele davon – fotofotofotofoto – sonst argwöhnt die Suchengine, man wäre ein Spamer, alles Wichtige in Überschrift Eins platzieren und so weiter und so fort.

Dann noch die Sache, dass Webleser anders lesen als Buchleser. Genauer: sie scannen, lesen nur jedes dritte Wort, brauchen gute Struktur.

Ihre Augen suchen nach Ankerplätzen im Text.

Mach mehr Absätze, Mann, mehr Absätze.

Die neue Europennerseite ist zum Glück so gestrickt, dass man sie jederzeit wieder aufdröseln kann. Man kann tatsächlich von Stricken reden. Der Inhalt ist der Faden. Und die Struktur ist vom Inhalt unabhängig, das heißt, wenn einem der Pullover nicht gefällt, kann man ihn aufziehen und neu stricken. Natürlich am einfachsten mit wenig Inhalt.

Müsse Kunstschaffe‘: Und zwar ganz einfach. Die Ausstellung am Freitag soll einen Skulpturenrundweg promoten. Der wird aber erst in ein paar Jahren gebaut. Was liegt also näher, als schon ein paar Kunstwerke in der Gegend zu verbuddeln. Die Vorhut ist der Geotagger. Die Kunstform des 21. JH!

Kunst raus aus der Ausstellung, rein ins Erdloch.

Die Vernissage gerät zum Abenteuer. Die Suche ist Teil des Kunstwerks.

Beim Bliestallabyrinth (Link entfernt 2016-11-26) (Login: gast / ingweiler) hat die Verzahnung von Kunstwerken und „realer Welt“ bestens funktioniert.

Wohlwollende Kritik: erstmals sei es gelungen, den Weg auszustellen.

Ob das Anlegen von Erdverstecken als reine Kunstform auch für kleinere Projekte taugt?

Auf der Europenner-Homepage gibts ja die Möglichkeit, Geopunkte in Google-Maps darzustellen. Dort werde ich die Standorte vage andeuten.

Was bin ich?

Geotagger? Künstler? Schatzsucher? Fotos vergraben GPS Pfalz Erdversteck

(Obiges nur mal zum Sehen, ob die h1 mit dem TinyMCE funktioniert …)

Totenschädel, 60 cm groß

Spätabends Klopfen, keine Haluzination wie etwa der riesige Totenschädel nur 40 cm von meiner Nasenspitze entfernt direkt neben meinem Bett. Unverkennbar war zwischen Nieselregen-auf-mein-Dach und latetenten Winböen dieses Klopfen zu vernehmen, also sagte ich „Herein.“

Unternehmenssoftwaremanager B. Seit Monaten nicht gesehen. Wir bequemten uns im Wohnzimmer und schwätzten dies und das, die Liebe, das Leben und über seinen Kollegen, Bodo Basso, für den es nur noch richtige Lösungen gibt, „verstehst du, sagte B., Bodo Basso ist nicht wie etwa wir. Wo unsereiner zweifelt und hadert, immer wieder in Erwägung zieht, die Welt könnte doch auch so sein und in all der Grübelei sich die Kräfte aufheben, kennt er nur eine Lösung und die ist richtig.“

Ich mag B. wegen solcher  feiner Geschichten. Hmm, ein Mensch, der nur richtige Lösungen kennt, das ließ ich mir auf der Zunge zergehen, genau wie ein weiteres Thema, das Verpacken. B erzählte von den Arbeitsabläufen in einem weltweiten Konzern, dessen Primärprodukt Pappkartons sind. Pappkartons, die von anderen weltweiten Konzernen benötigt werden, um Produkte zu verpacken.

„Es gibt eigentlich nur einen Arbeitsablauf,“ sagte B., „das Verpacken. Kartons werden zu hundert in größere Kartons verpackt. Für die Software heißt das verpacken. Die Kartons mit den Kartons werden auf Paletten geschnürt, ein Akt des Verpackens, welcher widerum in einer weiteren Verpackungsroutine gipfelt, wenn die Paletten in LKWs gepackt werden, die LKW- Ladungen in Containern gefasst und die Container zusammen mit anderen Containern auf Schiffe geladen werden.“ Alle Schritte heißen Verpacken.“

Die Software hält für jedes Verpacken eine ID bereit. Vom einzelnen Karton bis zum Containerschiff durchläuft das Produkt zahlreiche Babuschka-Hürden, ja, genau wie die russichen Puppen. Selbst wenn dem Außenstehenden das Stapeln von Paletten ein anderer Akt zu sein scheint, als das Einlegen von Kartons in Kartons, so kennt die Software doch nur einen einzigen Arbeitstyp.

Wir haben Bier getrunken. Hat ganz schön reingehauen, das Zeug, und als ich so gegen drei Uhr ins Bett kam, drehte sich alles. Der Totenschädel direkt neben dem Bett entpuppte sich als geschickt zusammengelegte Wolldecke – mein Gott, wie krank muss man denn sein, eine Wolldecke derart zu falten? Und: ich hab das nicht getan. Ganz bestimmt nicht.

Und das Babuschkaprinzip. Ich schlief ruhig aber leider viel zu kurz.

Ein Tropfen im großen Informationsteich

Drupal ist ein faszinierendes Strickwerk. Aller Inhalt besteht aus Nodes, grob gesagt Knoten, Inhalt ohne jegliche Hierarchie, ähnlich linear wie ein Wollfaden. Die Art der Verknüpfung generiert die eigentliche Homepage. Man kann also sagen, ich habe Stricken gelernt.

Nun gehts ans Eingemachte, die kryptischen Innereien einiger wichtiger Dateien, um das System vollends zu beherrschen. Vorhin mein erstes Layout geklont ist gar nicht so schwer.

Irgendwas mit t (sprich tee) kam mir suspekt vor, weshalb ich den Codestrang in die Suchmaschine eingab und feststellen musste, sobald man etwas mit t (sprich tee) sucht, findet man den lila Kommunikationsgiganten auf den ersten Treffern. Well done, lila Kommunikationsgigant – aber bei der Entwirrung handgestrickter Codes hilft es wenig, über Handys und Telefonanschlüsse informiert zu werden.

Das Phänomen Suchmaschine: Mit jedem Wort das man tippt, fällt ein Tropfen in den großen Informationsteich. So verwässert man Information. Ist mir damals aufgefallen, als „wir“ das Wort Traktorkatastrophen erfunden haben. Das war nämlich so: Freund QQlka hatte beschlossen, für eine Ausstellung ein paar altmeisterliche Gemälde zum Thema Traktorkatastrophen zu malen. Wo findet man die Vorlagen für solche Bilder? Im Internet. Der Suchbegriff „Traktorkatastrophen“ brachte exakt Null Ergebnisse. Mehr lieferten „Treckerunfall“ bzw. „Traktorunfall“. Natürlich habe ich über Traktorkatastrophen geblogt. Ebenso Journalist F. Dann erhielt man plötzlich Treffer für „Traktorkatastrophe“.

Was für eine vertrakte Welt! Wir schaffen unsere eigenen Suchbegriffe, die Dinge gebären sich aus sich selbst heraus. Man kann Unwichtiges zu Wichtigem aufblasen. Es herrscht obendrein Krieg um populäre Suchbegriffe, das große T zum Beispiel oder das Wort Foto usw.

Die Art wie wir reden und kommunizieren und wie wir Code auf Homepages platzieren bestimmt wie populär wir sind.