Ruhe schwören, ewige, den Händen.

P., den ich nicht kannte, sagte spät in der Nacht: „Er hat seinen Händen ewige Ruhe geschworen.“ Wie ein Pfarrer mit verschränkten Händen saß er mir gegenüber in einem schummrigen Raum mitten im Wald und ich lachte herzlich. Alle anderen schienen den Spruch schon zu kennen. P. erzählte die Geschichte von dem, der seinen Händen ewige Ruhe geschworen hatte, aber ich konnte nicht mehr zuhören, weil ich auf dem Spruch hängen geblieben war. Wie ich auf diese Party gekommen bin: Freund T. klopfte samstags spät abends und fragte „kommste mit? Man sagt, es wird eine große Party, Lagerfeuer und so.“ Mit Lagerfeuer lockt man einen wie mich vor die Tür und die Vorstellung von Frau, fremd, treibend im Meer der Nacht, weckte mein Interesse.

Mir hätte klar sein sollen, dass 40er Geburtstagspartys ein Wagnis sind.

Als wir gegen 21 Uhr das Waldhaus erreichten standen etwa 15 Autos vor der Tür, macht also summasummarum gut 30 Gäste, die Hälfte Frauen. Das Feuer loderte, 2 Typen standen davor. Würstchen brutzelten. Die 15 Frauen sind sicher im Haus, ist ja kühl. Die zwei Typen waren still. Einer von ihnen war der Gastgeber. Klar, dass er hier brutzeln muss, während die da drinnen sich amüsieren, tanzen, trinken, fummeln, scherzen.

Ich gratulierte M., so hieß das Geburtstagskind, und überreichte ihm ein Sixpack Aldibier, Kunststoffflaschen und einen jener Schokoriegel, die es in der Weihnachtszeit immer zu kaufen gibt. „Das Bier ist etwas Besonderes, behauptete ich, von dem Pfand kannst Du Dir nämlich beinahe nochmal so eine Kiste kaufen.“

„Wo sind die Anderen,“ fragte T.

„Es gibt keine Anderen. Wir sind zu zweit.“

„Und was sind das für Autos?“

„Versammlung vom Naturfreundeverein, alles alte Knacker.“

Das war ein Hieb, tief in die Seele des Feinfühligen. Wie kann es so weit kommen? Mit aller meditativen Kraft, die mir zur Verfügung stand, starrte ich in die Nacht. Funken stiepten vor der glimmernden Szenerie einer kleinen Burg. Hinter dem Naturfreundehaus schnaubten düstre Pferde. Ab und zu fiel ein Blatt. Eine fette Katze gesellte sich zu uns, versuchte Würste zu schnappen. Wir ergaben uns dem Alkohol. Eine Pizzaverkäuferin brauste heran, lieferte alforno oder aldente den Naturfreunden im Nebenraum diverses Essgut und eine Zweiliterbombe Lambrusco. Tse. Die einzige Frau des Abends. Später gesellten sich noch einige andere Kerle, allesamt um 40 zu uns. Ich erforschte ihre Vergangenheit und stellte dabei erstaunliche Kongruenz fest: Ehescheidungen, Schmutz, Streit um Kinder und Güter. Oder aber: nie geheiratet, trotzdem unglücklich. Frührente, psychische Probleme – die Kette des Scheiterns ist lang und sie bricht nie.

Kann das Schicksal noch grausamer sein?

So stand ich lange bei dem Feuer, als ob das Leben noch immer in mir brodelt – ja, mein Gott, macht es doch auch. Die Anderen waren längst im Haus verschwunden, was ich nicht verstehen konnte. Aber vielleicht ist das kennzeichnend: du gehst dort weiter, wo für Andere längst  das Ende in Sicht ist und man sich der Resignation hingibt.

Die schleichende Entwertung des Menschen im Mainstream des Jugendwahns.

Normalerweise bin ich ein Freund der neutralen Beobachterperspektive und kann mich über peinliche oder anstrengende Situationen amüsieren oder über Dinge, die anderen überhaupt nicht gefallen (Kunstvernissagen zum Beispiel). An diesem Abend jedoch war mir recht beklommen zu Mute.

Rührend: auf dem großen Tisch in der Hütte hatten sie den Schokoriegel in kleine Stücke geschnitten – das billige Aldiding, das ich M. nur deshalb geschenkt hatte weil ich sonst nichts im Haus hatte – und sie priesen diesen Riegel als waschechten Geburtstagskuchen an. Beinahe so sentimental wie die YES-Tortie-Werbung aus den 90er Jahren.
Was ist eigentlich an meinem 40ten geschehen? – Ich habe ihn noch nicht gefeiert.

Schaffschuhverstecker

Er hat seinen Händen ewige Ruhe geschworen.

(gehört auf einer Party)

(Schaffschuhverstecker (saarländisch für Arbeitsschuh-Verstecker))

Kuhkaffrecherche

Hehe, beschäftige mich gerade beruflich mit Kuhkäffern (will eine Art Kuhkaffportal programmieren) und bin dabei aufs Partyalarm-Forum gestoßen: Kuhkaffwahl 2003.

Boa Leutz des is  sauuuu gut alder ned bös gemeint …

Vom Tod

Das offene Grab meiner Großtante, der Herbsthimmel und die fast kahlen Linden auf dem kleinen Dorffriedhof, die etwa 60 schwarz gekleideten Trauernden, Nachbarn, Freunde, ein bisschen Familie und der würdige Pfarrer, Hirte von etwa tausend Menschen irgendwo in der Nordpfalz.

Ich warf drei gelbe Rosen ins Grab, überlegte etwas zu sagen. Tschüss Tante, hätte ich vielleicht gerne gesagt. Aber ich habe sie kaum gekannt und fühlte mich von den anderen Gästen der Trauerfeier beobachtet. Also still die Hände übereinander legen, runterschauen, ein paar Sekunden warten, dann hinauf schauen zu den Linden wie sie vorm Grau des Herbstes zur Ruhe kommen. Das Hochschauen hab ich für mich getan. Ich mag es, zu den Baumwipfeln zu schauen und die große weite Welt dahinter zu ahnen.

Während der Trauerrede habe ich mehr über meine Großtante erfahren, als ich zu Lebzeiten über sie wusste. Das Brisanteste war wohl, dass sie nicht hätte kinderlos sein müssen. Mit 34 Jahren in den schlechten Zeiten nach dem Krieg war sie einmal schwanger, aber das Kind starb noch in ihrem Bauch. Der Pfarrer hat gut recherchiert aber mit den Worten, sie habe sich mit ihrem ersten Mann nicht verstanden, hat er ziemlich untertrieben. Geschlagen hat er sie. Also hatte sie sich scheiden lassen. Kein Platz für sowas in einer Trauerrede.

Die Tante ist nur fünf Monate nach ihrem zweiten, besseren Mann gestorben. Sie wollte nicht mehr. Als man vor kurzem sagte, man wolle das Grab des Onkels endlich einrichten – ich glaube es ist kaum zwei Wochen her – wolle es bepflanzen und einen Stein setzen, sagte sie, wartet, es dauert nicht mehr lange, dann müsst ihr es wieder aufreißen, es wäre schade um die schönen Blumen.

Letzten Samstag ist sie eingeschlafen.

Ist schon ein paar Tage her, dass ich jemandem gesagt habe, lebe hier und jetzt und damit meinte ich: lebe auf Teufel komm raus, nimm alles mit, mach dir keine Gedanken um kleingeistige Moral und versuche nicht die Erwartungen, von denen du vermutest, dass sie an dich gestellt werden, zu erfüllen. Eine kompromisslose Aussage war das und ich war auch nicht mehr ganz nüchtern, aber aus mir sprach die persönliche Erfahrung, dass einem grundsätzlich der Tod im Nacken sitzt und dass man ihm nur entgegen wirken kann, wenn man explizit nicht sterben will. Wenn man nämlich sterben will – so wie meine Großtante – und obendrein ein respektables Alter erreicht hat, dann klappt das auch. Es klappt sogar bei Menschen meines Alters, kürzlich geschehen mit der Künstlerin C., die einfach einen Giftcocktail geschluckt hat. Hat prima funktioniert. Über Künstlerin C. habe ich geweint, weil sie noch so jung war und weil sie so viel Leid erfahren hat in ihrem Leben, dass sie nicht mehr weiter wollte. Tante hat sicher auch Leid erfahren und wollte letztlich auch nicht mehr weiter.

Lebe hier und jetzt und was das Zeug hält, habe ich jemandem erzählt. Halt dich nicht zurück. Sei unverschämt (im Wortsinn), denn dein Leben ist dein einziges und du bist der Einzige, der ein Interesse hat, dass es auch glücklich wird, die anderen scheren sich einen Dreck um dich.

Wem hab ich das bloß erzählt? Oder war es etwa ein Selbstgespräch?

Während der Pfarrer von den Notzeiten nach dem Krieg erzählte blintzelte ich durch die Friedhofslinden in der Vermutung, dass dahinter eine große weite bunte Welt liegt mit all ihren Wundern, die es zu erkunden gibt, eine Welt voller Abenteuer und absonderlicher Gebräuche – ich glaube, ich dachte an eine Kasba im Süden Marokkos – wie eine Fatamorgana stand sie am Himmel. Seltsam, nicht?

Kein Titel

Der billigste Server der Welt war mal wieder down. Keine Ahnung warum. Nun schaue ich mich nach dem zweitbilligsten Server der Welt um mit fünffacher Kapazität. Dann gibts endlich mehr Bilder.

Das Wochenende war hart. Ich musste über die örtliche Musiktour berichten. Also Samstag elf Kneipen mit Lifemusik in 6 Stunden durchstreift. Mir war nach Nightdrift. Nette Mädels kennen gelernt. Halbwegs nüchtern aus der Sache rausgegangen und sonntags leider viel zu spät mit dem Schreiben begonnen. Anyway. In letzter Sekunde einen Artikel voller Fehler abgeliefert, in der Hoffnung, der Aushilfsredakteur findet sie. Er hat aber nur noch mehr Fehler reingemacht.

Nuja. Ich werd mich jetzt immer als Reporter ausgeben. Dann wirkt es nicht so merkwürdig, wenn man alleine rumsteht in ansonsten voller Kneipe. Ähm. Aber eigentlich macht das doch auch keinen Sinn, nur wegen wildfremder netter Mädels die Nacht zu durchstreifen. Ich sollte mich lieber auf die Nächsten konzentrieren. Die vergessenen, im Meer der Vergangenheit irgendwie auf Grund gelaufenen Menschen.