’s ist Wind, ’s ist Wind, ’s ist Wind, der an den Nerven zerrt. Und die vorweihnachtlich verstopften Straßen, die konsumatorische Endzeithektik, die pulverfassähnlich sich aufbauende unterschwellige Aggression vor den Ampeln der Stadt, in den Kreisverkehren, auf den Parkplätzen, vor Ladentheken. Kerzenrot-Tannenzweige, frisch lasierte Holzbuden und Kessel voller Glühwein zur temporären Lockerung der Oh-Gott-ich-weiß-nicht-was-demunddem-schenken-Schlinge. Auch die zerren an den Nerven.
Der Typ mit der Holzfällerjacke auf dem Elektrofahrrad ist mir suspekt. Dreißig Meter rauf die Straße, wenden, andere Fahrbahn dreißig Meter zurück, wenden, dreißig Meter rauf, wenden usw. Dazwischen bis zur Weißglut getriebene Parkplatzsuchende und die Stadtbusse kommen in einer wuchtigen Kolonne vom Rendezvouzplatz, an dem sie sich stündlich treffen. Ich auf dem Weg zum Amt zwecks Ausweis. Ob der Typ den Lederhandschuh sucht, der da in der Gosse liegt? He, suchste den, winke ich ihm zu. Entgeistert wendet er. Andere Seite runter. Wie ein Roboter, der in einer Befehlsschleife gefangen ist. Auf dem Amt bin ich 1,82 Meter groß und hab soundsofarbene Augen, so steht es da drin, sagt die Sachbearbeiterin und pocht auf den alten Ausweis. Nee, ich bin doch nicht 1,82, höchstens 1,80, wenn überhaupt und überhaupt ist das zehn Jahre her und wussten Sie, dass man am Äquator größer ist, als an den Polen, weil man dort weiter vom Erdmittelpunkt ist, die Erde ist ja flach, mache ich eine strichartige Handbewegung und je näher am Mittelpunkt, desto größer die Schwerkraft und so ist das nunmal auf einer quasi Scheibe, die nur so tut, als sei sie eine Kugel, doziere ich, um die Bearbeitungszeit aufzulockern. In dem Ausweisfeld für besondere Kennzeichen schreibt die Sachbearbeiterin SPINNER mit drei Ausrufezeichen. Wussten Sie, dass man morgens nach dem Aufstehen viel größer ist, als abends? Ich zahle 28,80€ für das Dokument. Zurück zum Auto, liegt der Lederhandschuh nun auf einem Buchsbaum vorm Praxiseingang eines Orthopäden. Der Typ, der robotesque im Oval geradelt ist, ist verschwunden. Vorm Landgestüt dampft ein Misthaufen. Jemand hat Löcher in die aluminiumenen Rahmen seiner Fenster im Parterre gebohrt, durch die drei Koaxialkabel von zwei Satellitenschüsseln ins Wohnzimmer führen. An einem Briefkasten entdecke ich zwei Totenkopfabziehbilder und an einem anderen Briefkasten klebt ein Naturidyll mit Reh vor Almwiese und ganz da vorne, weitab der Vorweihnachtsparkgelegenheitskampfzone, steht mein Auto, allein.
Blogs ohne Fußball liest kein Schwein
Blutiger Putsch der Produzenten gegen die Konsumenten
Ein satirischer Blogartikel im Vorfeld der Fußball EM 2006 (aus Irgendlinks Archiven).