Wie die Motten ins Licht des Sehenswerten – jenseits der kilometerlangen al-hambresquen Stadtmauer parken wir das Auto auf dem scheinbar letzten freien Parkplatz der Stadt. Nachunskommende behelfen sich mit widrigen Plätzen in Durchfahrten, auf Gehwegen, vor Zebrastreifen, provençealisch legèr schlagen sie die Türen verbeulter Kleinwagen zu und verschwinden in einem winzigen Loch in der Stadtmauer. Wir nehmen das Haupttor die Rue de Thiers mitten ins Herz der Stadt. Rue de chiers, rue de chiers, rue de chiers, rattert dabei ständig die Gedankenmühle und ein monalisa-isches Lächeln umspielt meine Lippen.
Papstpalast, Parks, Plätze, riesenseifenblasenblasender dreitagebärtiger Mann und Bob Marley persönlich scheint auferstanden im Schatten einer Platane zu singen. Eine Drohne schwirrt über den Dächern, umkreist die goldene Madonna auf dem höchsten Turm, dazu das schräge Winterlicht und die halbe Rhône-Brücke. Welches ist das meistgedachte Lied jetzt hier?, fragt SoSo. Für einen Moment vertreibt Sur le Pont d’Avignon, on y dance on y dance mein mantrisches rue de chiers.
Später, abseits des Mahlstroms des Tourismus, der einen zähen Allerweltsbrei durch die engen Gassen treibt, entdecken wir eine kleine, schlafende, aufgerissene, in Umbau befindliche Straße entlang eines Mühlbachs. Die Bäume am Rand sind allesamt mit knallrotem Plastikrohr umwickelt zum Schutz vor Baggerschaufeln. Im Mühlbach hängen verwitterte, festgefahrene Mühlräder, deren Achsen in einem nichtendenwollenden Gebäude verschwinden und auf der anderen Straßenseite reihen sich Cafés, Läden, Theater, Ateliers, winzig winterzu. Schon schmeckt man den nächsten Frühling, die renovierte Straße, das pulsierende Leben jenseits der Jahreswende.
Eine Bildtafel zum Thema findet sich in diesem Artikel ganz unten.