Zweibrücker Trichter

War mal wieder so ein Kunsttag!

Ein einziges Hin und Her, runter in die Stadt, rauf aufen Hof, zum Baumarkt zwischendurch, denn der Hof ist eine riesige Baustelle. Kam gar nicht zu meiner eigentlichen Arbeit – äh – was war das noch? HTML konstruieren? Oder etwa Kunstschaffen?

I am the Artzombie of modern Culture oder so ähnlich. Um 15 Uhr ging alles schief. Der Stahlskulpturist Sch. saß verwaist vor einer Tasse Kaffee im kleinen Bistro des Museums. Keiner da von den Horden versprochener Helfer. Im LKW lagerten tonnenschwere Skulpturen. „Mindestens zwei starke Männer,“ sagte er, „brauchen wir, um die auszuladen und zu montieren.“

Hektik kroch am Fuß des Sonneschirms. Die Sonne stand hoch. Die Stadt lag im Glanz. Ich hundemüde und keine Lust zu organisieren, mobilisierte Freund QQlka. Der Museumswart riet: „Wisst ihr, wie ich das immer mache? Ich hole mir am Schwarzbach ein paar von den Hungerleidern, die sich ein paar Euro dazu verdienen wollen. Oder zum Bahnhof, auch gute Idee.“

Mit QQlka, meiner Wenigkeit und dem Künstler Sch. waren wir jedoch vollzählig genug (diese Künstler übertreiben immer ein bisschen, was das Gewicht ihrer Skulpuren angeht. das ist ähnlich wie mit der Penislänge im Allgemeinen. Meiner ist aber schwerer ahahaha …)

Kunst raus aus dem LKW, rein ins Museum. Das größte Stück bestand aus vier Teilen, innen hohl, sollte direkt vor die Tür. Die Einzelteile ließen sich leicht transportieren, die Montage jedoch machte uns Schwitzen. Vielleicht ist der vom Künstler Sch. doch ein bisschen schwerer, dachte ich.

Bald stand das Monstrum. Eine alte Frau kam vorbei, setzte sich auf die Terrasse des Cafes, beobachtete uns. „Das soll Kunst sein?“ fragte sie. „Dass ihr immer so rostiges Zeug bauen müsst.“

Unsere Bäuche, Beine, Hände waren rot von Rost. Flasche um Flasche kippten wir Wasser, schwitzten, bis das Ding stand.

„Ist aber ziemlich kippelig,“ sagte ich.

Künstler Sch. lief zum LKW, um eine Bohrmaschine, Schweißgerät etc. zu holen.

„Geht er jetzt Schmirgelpapier holen?“ rief die Alte zu uns herüber.

Lachanfall.

Der Plan, die Skulptur an der Zugstelle mit einem am Boden verschraubten Anker zu verschweißen und zu stabilisieren scheiterte. 10 kg schwere Pflastersteine eigenen sich einfach nicht, um eine 500 kg schwere Skulptur zu verankern.

Jedes Kind, das tollpatschig auf dem Stahl spielen würde, könnte es umkippen.

Ich riet: „Erdanker. Wir bohren ein Loch durchs Pflaster und schlagen einen Anker 60 cm tief hindurch.“

„Sieht nicht gut aus,“ sagte Sch.

„Na gut, dann bohren wir ein kleines Loch und füllen Sand in den gegenüberliegenden Fuß.“

„Schon besser,“ sagte Sch., „aber du besorgst einen Trichter zum Einfüllen.“

„Den Zweibrücker Trichter“, kommentierte ich, „zum Einfüllen.“

Ist er etwa länger, als der vom Heizungsbauer?

Man sagt ja immer, Frauen können nicht rechnen, haben keinen Orientierungssinn, sind all den Dingen, die für uns Männer so wichtig und groß sind gegenüber äußerst ungebildet.

Ich glaube, Frauen sind einfach nur einfühlsam.

Neulich war mein Freund Heizungsbauer hier. Er hat einen riesigen Hilti-Bohrhammer, mit dem er 38 mm runde Löcher durch härtesten Beton bohren kann. Für meine neue Wasserleitung brauchte ich solch ein Loch.

Der Heizungsbauer bohrte und bohrte und bohrte und schwitzte und schwitzte und schwitzte, bis er nach etwa fünf Minuten den Durchbruch geschafft hatte. „Na, wie dick?“ fragte ich. „40 cm.“ sagte der Heizungsbauer.

Soweit so gut.

Natürlich macht eine Wasserleitung ohne Abwasser keinen rechten Sinn, weshalb ich schon seit Wochen damit haderte, mit dem Presslufthammer ein entsprechendes Loch für den Kanal zu schlagen. Mir graute dafor. 40 cm sind kein Pappenstiel.

Gestern war es dann so weit. Ich hämmerte und hämmerte und hämmerte und schwitzte und schwitzte und schwitzte. Bis irgendwann … nach 20 cm das Fundament durchbrochen war.

Nun frage ich mich, wenn der Penis des Mannes als sein persönlicher Urmeter gelten mag, ob meiner wohl länger ist, als der vom Heizungsbauer?

Das Übel dieser Welt

Der Mond klatscht meinen Schatten auf Asphalt. Ist schon spät. Ich sehe einen Kopf, Hände am Fahrradlenker, Hörnchen, Bremshebel, sogar die Klingel erkennt man als scharfen Riss. Daneben Straßenmarkierung, Obstbäume, blühende Felder. Stoßatmung. Der Kreuzberg ist steil. Schon habe ich die Stadt verlassen. Dort vorne ahnt man das einsame Gehöft inmitten eines Rapsackers. Ein eigenartiges Glühen liegt in der Dunkelheit. Die Sterne im Norden verschmelzen mit der immer beleuchteten Militärbasis oder der Müllkippe oder mit beidem.

Das Übel in dieser Welt liegt in Neid, Unwissen, Ignoranz oder ganz einfach darin, dass man diejenigen, auf die man neidisch ist, über die man nichts weiß, oder mit denen man gerne einen Krieg anzetteln würde nicht kennt.

Wirklich ganz einfach. Vor dem Feind steht das Feindbild. das kann man sich im lokalen Fall aus Klatsch und Tratsch mit den Nachbarn zusammenbauen. Im überregionalen Fall versorgt man sich mit Halbwissen aus Presse und Internet.

Ist es nicht so, dass man über Menschen urteilt, ohne sie persönlich zu kennen? Man kennt eigentlich nur ihre Schattenrisse.

Und da Schattenrisse mitunter ziemlich unheimlich sein können, bekommt man Angst und die Angst führt zur Abgrenzung, lässt einen sich abwenden, davonlaufen oder einen Krieg anzetteln.

Solche Dinge denkend kurbelte ich Mount Kreuzberg hinauf, den großen Zweibrücker Berg, auf dem auch die schicke neue Fachhochschule, die Sternwearte und noch so einiges Interessantes zu finden ist. Natürlich das einsame Gehöft, weit in den Rapsfeldern, welches heute in einem ganz anderen, eigenartigen Licht erscheint. So als wäre ich fremd oder müsse nicht mehr zurückkehren oder könnte daran vorbeiradeln – jawoll – einfach weiter weiter weiter Richtung Norden. Ausnahmsweise habe ich auch ordentlich Geld in der Tasche, Fremdwährung.

Trotzdem habe ich noch die Kurve gekriegt, weil ich mich in letzter Sekunde an das frisch bezogene Bett erinnerte.

Nun hier, dies schreibend.

Vom gesellschaftlichen Innendruck – soziales Glaukom

Schon wieder so spät.

Auf der Suche nach etwas, was wirklich in die Tiefe geht im Web. So ein Blog zum Beispiel, wie ich es mir selbst zutrauen würde zu schreiben, mit viel Muse und Fleiß, aller Energie des Universums – bin sicher, dass es solche Blogs gibt, werte Kolleginnen und Kollegen, die einem mit dem notwendigen emotionalen Input versorgen, Zeile für Zeile an einem wohlverdienten Feierabend, und man könnte das dann lesen und sich sagen, wow, das isses, das stimuliert mich. Es regt mich an, hilft mir weiter. Oder wenigstens: es tröstet meine Seele. Jemand der alles gibt – das sollte sich anfühlen wie ein guter Roman ala Hesse oder meinetwegen auch Celine passagenweise. Nur eben in Blogform und täglich neu, so dass man sich abends nach vollbrachter Arbeit die Seelenpakete abholen kann.

Konsumentenfreundliche Seelenschreibe.

Das einsame Gehöft liegt unter seichtem Sternenhimmel. Viel ereignet hat sich nicht heute. Ich bin mit der Omnibusseite ein paar Schritte weiter gekommen. Stehe unter selbstgebasteltem Zeitdruck, weil ich meinem Auftraggeber nächste Woche einen Online-Entwurf präsentieren will. CSS gewälzt. Frühmorgens stand ich ganz schön auf dem Schlauch, bis es irgendwann klick gemacht hat, und ich habe die Sache kapiert. Perverserweise hatte ich das Problem schon vor Wochen gelöst und wusste es nicht mehr.

Eben im Atelier, dieser 50 Meter langen Scheune, gehockt und über mein Leben nachgedacht. Das ist ja ziemlich verwirkt. Das bisschen Erfolg der letzten Wochen sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass ich für den normalen weltwirtschaftlichen Betrieb untauglich bin. Ich bin der Europenner, jene Figur, die ich vor zehn fünfzehn Jahren an einem stürmischen Herbsttag erfunden habe. Damals war so eine komische Zeit, in der alles und jeder mit dem Wörtchen „Euro“ werben wollte und so prangten auf den Plakatwänden vor dem Supermarkt des Städchens Oppenheim riesige Eurokids mit ihren feinen tornisterähnlichen Schulranzen. Keine Ahnung, wer mit Eurokids werben wollte. War jedenfalls hip und der Wind fetzte durch die engen Gassen hinunter zum Rhein, ich wollte Joghurt kaufen oder Bier oder beides. Die Eurokids hingen in Fetzen. Das machte mich schadenfroh und ich erfand den Europenner, eine Figur, die durchs Sieb der Gesellschaft gerasselt ist, nicht wirklich unter der Brücke leben muss, wie all die anderen armen Teufel, aber auch nicht wirklich funktioniert im Getriebe der zeitgenössichen Wirtschaft. Warum nicht funktioniert? Das weiß ich nicht mehr so genau. Im Nachhinein wird klar, das ein Stück dieser Kunstfigur an mir kleben geblieben ist. Ich könnte, glaube ich, Beamter sein oder Bauingenieur oder Rechtsanwalt, vielleicht sogar Künstler. Aber all dem hängt der Geschmack von Kompromiss an – besser, von Nichterfüllung der Bedingeungen. Welcher Bedingungen? Bedingungen, die man sich irgendwann einmal ausgedacht hat, und die stimmen müssen, damit man sich absolut wohl fühlt.

Nun könnte man sagen, es ist nicht möglich, sich absolut wohl zu fühlen in einer Welt wie dieser. Wir alle müssen Kompromisse eingehen, wir alle stehen unter dem Druck, zu handeln und mit dem Einen, was wir geben, kaufen wir etwas Anderes, was wir nehmen dürfen, sei es Sicherheit oder Liebe. Wir kaufen sie dadurch, dass wir alltäglich ein und die selbe trostlose Tätigkeit ausüben, obwohl sie uns anekelt, obwohl die Kollegen scheiße und unmotiviert und so ganz und gar fehl am Platz sind. Das perfekte Glück gibt es nicht. Es gibt nur glückliche Momente, Nischen, in denen wir für kurze Zeit nisten wie Schwalben.

Der gesellschaftliche Innendruck. So eine Art Grüner Star des Konsums oder des Begehrens. Das wurde mir bewusst beim Besuch bei Freunden. Wie anders sie leben. Sie haben die neuesten Sofas, Dreisitzer aus Leder. Schrankwände voller Bücher, pyramidonale Kerzen von Ikea stehen auf dem Glastisch. Ihre Wohnung hat Zentralheizung. Sie kleiden sich anständig, gehen alle zwei Wochen zum Frisör, riechen gut. Nicht, dass ich schlecht röche, aber mich unterscheidet einiges vom herkömmlichen Menschen. Wenn ich den herkömmlichen Menschen in seiner herkömmlichen Wohnung besuche, bin ich stark minderwertigkeitskomplex-gefährdet. Schließlich haben sie all das, was ich nicht habe. Aber der Forscher obsiegt in der Regel und dann wird mir am Beispiel dieser herkömmlichen Wohnungen klar, wie hoch der gesellschaftliche Innendruck ist auf uns Menschen, wenn wir bei den Nachbarn zu Besuch sind und sehen, was sie so alles haben, was sie sich leisten können, und wie sieht es bei uns aus? Unter aller Sau, wir müssen nachrüsten, wir brauchen Schrankwände und Sofas mit Rizzimotiven und Ikeakerzen auf Glastischen. Das spornt uns an.

Ich bin nicht ganz frei davon. Aber fast.

Ich rede von einem Gefühl wie es einem in einem Supermarkt samstags manchmal überkommt, wenn Hinz und Kunz einkauft und alle streben auf der Suche nach Grillfleisch, Brötchen, Käse durch die Einkaufsstraße, Kasse im Visier. Alle sind versucht zu rennen, um vor dem Nächsten anstehen zu dürfen.

Eine Entschleunigung des Begehrens scheint verlockend.

Die Grenze, der Markt, schließt um Acht und immer kommen alle raus. Das ist eine grundlegende Erkenntnis wie etwa: wir werden geboren und wir sterben.

Dazwischen könnte so etwas wie Glück liegen.

Im Cache war Hoffnung

Irgendwie das Bedürfnis, etwas aufzuschreiben. In diversen Blogs ansatzweise Kommentare hinterlassen, sie wieder gelöscht, weitergelesen, auf einer Welle durch das weltweiteweb geschwappt, mich treiben lassen von hie nach da. Nun beschlossen, einfachen Tagebuchstil zu verfolgen, hier im heimischen Blog. Hoch lebe der Alltag. Hoch lebe das eigene kleine Leben. Es gibt nichts, was sich besser anfühlt, nichts, worum man andere beneiden müsste.

Frühmorgens rief Cache-Kollege O.H. an. Mein Geocache „Im Cache ist Hoffnung“ war seit 7:22 Uhr freigeschaltet. O.H. scheint direkt nach dem Aufstehen die Datenbank auf www.geocaching.com zu fleddern, um zu schauen, was es Neues gibt an der Schnitzeljagd-Front. Den zweiten Cache, den ich gestern in die Datenbank gestellt habe, „Hau Ruck“ ganz in der Nähe, würde er auch noch machen.

Später kam eine Mail, wir könnten uns bei „Im Cache ist Hoffnung“ treffen auf ein Feierabendbier. Da sagte ich natürlich nicht nein, schließlich liegt das Versteck an meiner Feierabend-Radelstrecke. „Im Cache ist Hoffnung“ hat was. Das Versteck ist in einem ehemaligen Freilichtaltar, kleine Tupperdose mit Logbuch und ein bisschen Kleinkram zum Tauschen, wie das in der Cacher-Szene so üblich ist. Eine friedliche Sache. 17 Uhr trafen wir uns vor Ort. Muss schon merkwürdig wirken: zwei Männer mitten in grüner Wiese lümmeln auf dem ehemaligen Altar.

Ein LKW näherte sich, und ein Allradauto. Sie überquerten die Wiese, kamen direkt auf uns zu. Auf dem LKW lag ein vier Meter großes Kreuz.

Im Cache war Hoffnung

Die werden den Betrieb hier doch nicht wieder aufnehmen wollen, raunte ich O.H. zu.

Natürlich nehmen die den Betrieb wieder auf. Die Männer kippten das Stahlkreuz von der Pritsche. Vermutlich wunderten sie sich, was wir dort zu suchen haben.

Nun habe ich ein Problem: das coole Versteck muss ich wohl aufgeben, weil diese Christen hier wieder beten wollen – schon am Vetertag, konnte ich dem Gespräch zwischen Pfarrer und Kreuzzulieferer entnehmen.

„Im Cache ist Hoffnung“ ist ein Geocache nach meinem Geschmack. Im Sockel des alten Kreuzes, welches von Vandalen vor einiger Zeit zerhackt wurde, habe ich die Kiste mit Logbuch etc. versteckt. Auf dem Sockel sind die Worte: „Im Kreuz ist Hoffnung“ eingemeißelt. Das fand ich witzig und den Ort prima geeignet für einen Geocache. Hoch über der Stadt mitten in einer Streuobstwiese, ideal, um sich feierabends auf ein Bier zu treffen und ein paar predigende Worte zu wechseln, nuja, nun wird bald wieder in echt gepredigt. Ist ja auch was.