Das iDogma in der Literatur

Annäherungsversuch an ein gerade erst aus der Taufe gehobenes Genre der Kunst

Der Arbeits-PC, den ich mitgenommen habe in den Urlaub, macht mir ein bisschen einen Strich durch die Rechnung, live auf dem iPhone zu bloggen. Der Mensch geht nunmal gerne den einfachen und geraden Weg. So ist es selbstverständlich, dass ich, wenn ich eine Idee für eine Geschichte habe, diese auf der Laptop-Tastatur hacke. Ich stelle fest, dass es zwei völlig verschiedene Schuhe sind, ob man einen Text auf dem iPhone schreibt, oder aufe einer normalen Tastatur. Auf dem Klwinstcomputer klammere ich mich an jedes Wort, gar jeden Buchstaben und die Gedanken sollten, bevor man loslegt schon einmal grob vorsortiert sein. Muss man schon grundsätzlich, wenn man etwas aufschreiben möchte ein gewisses Maß Ruhe mitbringen, so gilt das für einen iPhone Text ganz besonders. Sofasophia spricht schon vom erweiterten iDogma, eine Art Kunstform, die wir uns im Hinblick auf die iPhone-Fotografie ausgedacht haben. Das iDogma geht auch mit Texten, sagt sie. Und nun, da ich dies mit dem rechten Zeigefinger auf einer etwa 2 mal 8 cm großen glatten Fläche, auf der per Software eine berührungempfindliche Tastatur eingevlendet ist, erinnere ich mich an die Skizze einer Romanfigur, die ich kürzlich angelegt habe: eine Literaturspezialistin, die händeringend auf der Suche ist nach dem ersten, bedeutenden Roman, der auf einer iPhone Tastatur getippt wurde. Die Figur lehnt an an all die deutschen Literaturfuzzies der 1990er Jahre, wie sie sich verzehrten in der Hoffnung, sie könnten DEN großen Berlin-Roman heraus bringen (gibts den mittlerweile eigentlich?) nun, im Jahr 2010 ticken die Uhren anders.
Es gibt einige markante Merkme (gemeint ist nTürlich das Wort ‚Merkmale‘ – und natürlich ’natürlich‘) des literarischen iPhone-Dogmas: Buchstaben, die direkt neben dem Lösch-Zeichen liegen, L und M, erzeugen, ein Löschen des vorherigen Buchstabens, wenn man sie nicht richtig trifft. So wird etwa das A in Merkmale gelöscht, anstatt ein L zu schreiben und man liest das Wort ‚Merkme‘. Typisch iDogma-Literatur ist auch der Hochstelltasten-Fehler, der erzeugt wird bei allen Buchstaben rings um die Hochstelltaste (nTürlich). Statt des gewünschten Buchstabens, entweder das A oder das Y, wird ein Großbuchstabe erzeugt. Und dann wären noch so einige andere typische iDogma-Benchmarks zu nennen.

Eigentlich wollte ich ja über unseren Nachbarn hier Im Ferienhaus im Bleniotal schreiben. Er sagte, er habe Millionen im Haus liegen und wir müssten hier überhaupt keine Sorgen habenn, was mich zu einem Artikel mit dem Titel ‚Welt ohne Geld‘ inspirierte, sowie wollte ich aufschreiben, wie es kam, dass ich im Schlafanzug auf dem Lugmanierpass war. Aber zu diesen Texten ist es wegen der mühsamen Unschärigkeit der iPhone-Tasten nicht gekommen. Blödes iDogma. So verbleibe ich, fieberhaft am großen Roman, der auf einem iPhone geschrieben wurde.
Euer Irge dli k
-)

Achdung Dung!

Erkenntnisreiches Basislager, dieses Häuschen im Tessin. In der Nacht schlief ich wie ein Stein – so dass morgens um zehn all die queren Gedanken um den bevorstehenden Camino Frances wie weggeblasen sind. Ich habe es auch langsam satt, mich mit den technischen Hürden, die es mit dem Live-Bloggen aus ausländischem Handynetz auf sich hat, herum zu ärgern. Die Technik ist einfach noch nicht weit genug. Es gibt keine einzige ausfallsichere und bezahlbare BlogApp für das iPhone (wie das nicht übermittelte Bild aus dem gestrigen Beitrag beweist). Die Akkuprobleme unterwegs schränken einen unnötig ein.

Wie ich die brilliante Morgensonne genieße wird mir klar, dass ich mich nun wieder auf mein bloggolerisches Kerngeschäft konzentrieren muss: das verfassen kurzer, gut gewürzter Texte.

Just, als wir zu einer Wanderung aufbrechen wollen, fährt ein Auto am Häuschen vor, junges Paar steigt aus, um das offenbar zum Verkauf stehende Objekt zu besichtigen. Was mir gar nicht recht ist, da ich gerade den Rucksack komplett ausgeräumt und den teils kostbaren Inhalt auf dem Fußboden ausgebreitet habe – eigentlich wie zu Hause, bevor ich vorgestern alles darin verstaute. Entsprechend unhöflich bin ich zu den Eindringlingen. Sie entschuldigt sich dreißig mal und er traut sich kaum an mir Kotzbrocken vorbei. Sofasophia, höflich zwischen allen Stühlen. Bis sie wieder gehen. So weit so gut. Wäre da nicht mein elendes Gutmenschengewissen, das mir bei der Wanderung suggeriert, „den Beiden haste jetzt gründlich den Tag versaut umd Sofasophia“, sag ich, „dir hab ich doch auch die Laune verdorben, oder?“ – „Aber nein“, versichert sie, „vielleicht aber verdirbst du DIR jetzt den Tag, weil du den ganzen Spaziergang über die Sache grübelst?“ – „Hum, stimmt,“ gebe ich zu, „aber viellicht ist es ja so, dass DIE UNS den Tag verdorben haben, weil sie ums dazubringen, umser Gewissen anzukurbeln?“ „Du meinst sie DICH DEIN Gewiseen, denn MEINS ist rein“, stichelt Sofasophia. So steigen wir den Berg hinauf über eine Kuhweide, plötzlich rufend „Achdung Dung!“ wegen der vielen Kuhfladen und „Scheiße – zu spät.“ lachen wie ein Echo.
Der Tag vergeht in grotesken Dialogen, alle paar Meter halten wir inne, knipsen nach Herzenslust die milde Landschaft bis zum Kirchlein St. Carlo di Negrentino, welches mit seinen über 1000-jährigen Fresken das bedeutendste Kunstdenkmal des Bleniotals ist. Direkt neben dem Gotteshaus liegt ein Geocache. Wir picknicken auf einer Wiese, sehen kurze Zeit später ein Paar, das den beiden Eindringlingen vom Morgen ähnelt und Sofasophia frotzelt mich: „da kannste dich jetzt entschuldigen bei denen, dassde ihnen den Tag, achwas, das ganze Leben versaut hast.“ Wie herrlich einfach sich doch aus Mücken Elefanten machen lassen.
Weiter weiter weiter. Irgendwie ist das ganze Leben eine Wanderung, hinter jeder Ecke neue Erkenntnisse. Am Abend stehen gut 10 km auf dem GPS. Sowie die Ungewissheit, ob ich die Caminowanderung in zwei Wochen überhaupt beginnen soll.

Künstlerbude ist in der kleinsten Hütte

Irgendwie kopflos, irgendwie schräg und alles ging so hopplahopp. Kaum raffe ich in der Künstlerbude in der Pfalz einfach alles, was auf dem Boden liegt (und da liegt ne ganze Menge, Chaot, ich, immer auf dem Sprung, immer etwas am Testen, nie die Reste wegräumen) raffe ich also alles, was auf dem Boden liegt in den nigelnagelneuen Rucksack, befinde ich mich schon auf der Landstraße – ohne Geld. Einzig meiner geliebten Mutter (die mir beim Abschied einen Schein in die Hand drückt) verdanke ich, dass der Tank in Frankreich nochmal 50 Euro fressen kann, ich es bis Bern schaffe und Sofasophia und ich uns heute an diesem strahlenden Herbsttag durch die Alpen mogeln. Grimsel-Susten-verwirrt die gesperrten Pässe umschiffen Obwalden, Hasliberg, die Welt aufs Brillianteste zerzaust vom Licht und leichtem Herbstdunst. Das, meine Lieben ist die Stimmung, aus denen die Meisterstücke der Fotografie geschaffen werden. Schließlich nahezu alleine im 17 km langen Gotthardtunnel – erinnere ich mich an einen unsäglichen Liefer-Auftrag vor 20 Jahren, bei dem ich zusammen mit meiner damaligen Liebe ein Sportboot kreuz und quer durch die Alpen kutschierte. Und es partout nicht loswurde.
Nun hier im Bleniotal, genauer in einem Dörfchen namens Castro, ganz in der Nähe eines anderen Dörfchens namens Motto. 599 Meter hoch gelegenes Einraum-Chalet. Ein sogenanntes Rustico mit Steindach. Von der Lebensart her ähnlich wie die heimische Künstlerbude. Geliebte Sofasophia (siehe Linkliste) hat ein Bild des Häuschens in ihrem Blog. Bizarr: Weil wir uns verirrt hatten, sind wir erstmal durchs Dorf gegurkt, standen schließlich vor dem Haus, unsicher, ob wir richtig sind, blätterten im Netz in Thinkabouts Blog (siehe Linkliste) und fanden ein Foto, das er im September von dem Rustico gemacht hat. Nun wisst Ihr auch, wie wir von dem Kleinod erfahren haben.
Und der Lapsus zur guten Nacht: ich habe nicht nur keine Euros dabei, sondern wie ich vorhin, als wir die Kaution bezahlen wollen, merke, auch die Schweizer Franken vergessen. Ich Europenner, ich.

Irgendiwe schräg – am Thuner See.

Irgendwie kopflos – verirrt am Bauzaun eines Alpenotels kurz vor Hasliberg