Runter zum Rhein

Seltsam in Waldshut zu tiengen
Einsam steht jeder Baum und Strauch …

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Die Geschichte des Rheins muss neu geschrieben werden. In Leibstadt beim Kernkraftwerk stehe ich neben der Staumauer, tippe diese Zeilen, das Hochwasser geht zurück. Eine sechzig Kilometer-Runde von Brugg aus gestartet. Das Bild ist an der Aare aufgenommen, die bei Koblenz (Schweiz) in den Rhein mündet. Aber die Geschichte des Rheins muss ja neu, später, wenn ich wieder daheim bin.

Urban Artwalk Burgdorf

Yet Another Vorstellungsgespräch. Dieses Mal nicht im Bürotrakt einer Shoppingmall, sondern in einem typischen Berner Bauernhaus. Ein Ding, das nur aus Dach zu bestehen scheint, durchweg aus Holz gebaut. Wuchtig liegt es am hochwasserführenden Mühlbach des Flüsschens Emme in einem Gewerbegebiet. Deutlich spürt man, wie die Stadt das Land überwuchert. Ich lasse mich durch die Sträßchen treiben, fühle mich entwurzelt, nicht dazugehörig. Die Schweiz kommt mir vor wie eine Puppenküche. Sauber, aufgeräumt, wohlgefügt, alles wie im Traum, zudem sind die Menschen nett. Der Typ kranker Spinner oder protziger Proll oder hysterischer Aufmerksamkeitssucher oder psychopathischer Was-auch-immer, läuft einem hier nur selten über den Weg. Geld spritzt aus allen Ritzen. Auf der Straße kleben, selbst vor Bahnhöfen kaum Kaugummis. Es liegt kein Müll herum. Auf Autobahnen hält man sich an die Geschwindigkeitsregeln. Kaum einer drängelt oder lichthupt.
So laufe ich fotografierend durch das Idyll. Aber es will nicht stimmen. Plötzlich fühle ich mich alleine. Oder fremd? Ja, fremd ist besser. Vor einer Kirche, einem neumodischen Betonding, trifft mich auf einer Parkbank sitzend die Wucht der Fremde. Die Schleier der Realität flattern im Frühlingswind, mich fröstelt, das Tausend-Meilen-von-Daheim Gefühl beschleicht mich. Wie im Alptraum sind von jetzt auf gleich alle meine Liebsten gegangen und muttersellenalleine hocke ich, Jahrzehnte in die Zukunft katapultiert, noch immer denkend, mich windend, nach dem Großen suchend, das man nicht aussprechen und nicht finden kann, auf einem in Ewigkeit rotierenden Planeten. Wenn ich eine Funtionsschleife in einem Computerprogramm wäre, hätte ich mich längst aufgehängt, würde sinnlos auf meine eingespielten Routinen rückkoppeln. Was bleibt, ist die Hoffnung auf den Befehl „clear“.
Das reinigt die Sinne. Ich versuche ein offenes WLAN zu finden. Vergeblich. Die Neuapostolen haben ein gutes Passwort. Dabei würde es genügen, am Pfarrhaus zu klopfen und zu fragen. Wie früher Obdach und Brot, würde man heute Netz und Strom erhalten, spinne ich. Die leere Welt meiner Phantasie hinter den Schleiern meiner mutmaßlichen Zukunft, ist wieder unsichtbar. Mächtig erschreckt hat mich die Kälte, die bodenständige Manifestation von Sinnlosigkeit, so als sei Sinnlosigkeit das ultimativste aller Fundamente. Pfahlgründung der Seele auf dem morastigen Boden der Sinnsuche.
Ein kühler Ostwind lullt mich ein. Ich fühle mich wieder wie der Reisende, wie der Umrunder der Nordsee, der ich im letzten Jahr war. So unglaublich es klingen mag, während der vier Monate alleine auf dem 7000 Kilometer langen Radweg um die Nordsee, habe ich mich keine Sekunde alleine gefühlt. Obschon man chronisch fremd das Land durchquert, ist man als livereisender Blogger doch stets daheim. My Home is My Blog, steht groß geschrieben über meinem virtuellen Kamin. Das Feuer der Neugier lodert darin.
Von allen Gegenden, die ich durchquerte, sind mir die menschenleeren am Liebsten.
Gemütsschwächelnd fotografiere ich nach Herzenslust und ohne Konzept das kleine Burgdorf. Das Auge kreist dabei im Spannungsbogen zwischen blauem Himmel und den abflauenden Fluten der durchweg kanalisierten Rinnsale und dem von Menschenhand geschaffenen grauen Band, das niemals endet.

Urban Artwalk Burgdorf
Für diese Woche gibt es nur noch drei Dinge zu tun:
Das Jakobswegbuch wird gründlich lektoriert. Die große Zweibrücker Col Art Ausstellung (www.prismakunst.de) wird vorbereitet, und ich möchte mit dem Fahrrad zum Rhein runter radeln, an den Punkt, an dem die Aare mündet.

Good Bye Yellow Pig Road

Nur eine Stunde würde genügen! Dann würde die schwarze Wasserleitung auf dem Dach genug Heißwasser produzieren, um im Silobad eine heiße Dusche zu nehmen. Nur zehn Minuten würden genügen, damit das Harz aus dem Glasreparaturkit, das ich kürzlich für die Frontscheibe des Autos gekauft habe, unter der satten UV-Strahlung erhärten würde und man endlich wieder beruhigt Autofahren könnte. Stattdessen trommelt Regen aufs Dach der Künstlerbude. Die Lupinen ersaufen in einem Bottich, der so schwer ist, dass man ihn selbst mit der Brechstange und einer Technik, wie sie im alten Ägypten angewendet wurde, um die Pyramiden zu bauen, nicht mehr unter das Vordach bewegen kann. Würde Noah heutzutage leben, er wäre längst ersoffen. Es ist dem Fieberwahn geschuldet, dass ich auf dem verschwitzten Krankenbett Elton Johns Good Bye Yellow Brick Road in Yellow Pig Road umdichte. Ein schweres Epos von Lied, das anklingen muss, wie ein tragischer Blues auf einem Reisfeld im Süden Louisianas … Die gelbe Sau will und will nicht aus den Wolken kommen. Erst gegen Abend, als schon alle Hoffnung verloren schien, streift sie übers Land und ich hetze wie ein Bekloppter zum Birnbaum, dreihundert Meter vor der Haustür, wie, um einen Beweis zu sichern, ich Forensiker des Lichts, ich.
Der Birnbaum vorm einsamen Gehöft im ersten Sonnenlicht des Jahres 2013 – eine Neuner-Collage, bestehend aus Hipstamatic Zufallsfotos kombiniert mit Turbocollage und gemäß dem iDogma direkt ins Netz geladen..
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Die schiefste Bank der Stadt

Rue du Calvaire in Boulogne sur Mer.

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(Noch immer fiebrig erschöpft, poste ich dieses Bild, ein erschöpftes Wrack von Mensch, dennoch rastlos. Wie ich vorhin erfahre, sind auch andere Teilnehmende der Reisegesellschaft von dem Virus betroffen).