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Im Februar und März 2012 ist der Markt für Ersatzuhrenarmbänder gegenüber dem Vorjahr um fast 50 % eingebrochen. Was den Ersatzuhrenarmbandsunternehmerverbandsvorsitzenden vor einem Rätsel stehen lässt, ist für die Wissenschaftler der sprachvergleichenden Leseforschung alles andere als verwunderlich.

Nur schnell das billige Ding kaufen war mein Ansinnen. Der große Werbeagent hatte ganze Arbeit geleistet. In dem Hochglanzprospekt, das freihaus im Briefkasten lag, hatte er ein unablehnbares Angebot geschnürt: Zwei zum Preis von einem! Nur Idioten sagen da nein. Weshalb ich schon pervers früh bei Wichtel Aldi in der Abteilung für temporär verfügbare Billigstprodukte stöbere, den Wagen volllade, zur Kasse, wartend vor der psychologisch perfekt ausgetüftelten Bezahlungseinflugschneiße stehe. Die Uhr tickt, nicht nur für mich, sondern auch für den Discounter. Auf den letzten Metern vor der Kasse, in der heißen Region um das Auflegeband, tobt der Dritte Weltkrieg des Konsums. Batterien, CDs, Zigaretten im Hochsicherheitstrakt. Süßigkeiten auf Kinderaugenhöhe, Halsbonbons, asiatische Saucen, italienisches Gebäck und … ähhm? … und … hä? Was steht da auf der Packung? „ersatzuhrenarmbänder“. Alles klein, alles zusammen geschrieben. Das Produkt undefinierbar. Zwei Stück in einer Packung. Sowas hab ich noch nie gesehen. Es gibt diese „ersatzuh renarm bänder“ in verschienden Farben, mit verschiedenen Mustern. Für jeden Geschmack. Erst nachdem die Kundin vor mir bezahlt hat, dekodiere ich, dass es sich um Besfestigungsmethoden handelt für ein antikes Zeitmessinstrument, wie es die Menschen in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts, lange vor der Erfindung des Smartphones trugen. Sie benutzten es sowohl zum Zeit messen, als auch als Statussymbol.

Schon werden meine Sachen gescannt. Es ist zu spät für den Kauf.

In einem Sanatorium im Schwarzwald ist der Ersatzuhrenarmbandsunternehmerverbandsvorsitzende derzeit in intensiver psychiartrischer Betreuung. Man sagt, er fasele unverständliches Zeug, wirkeapathisch, raufesichdiehaare und neigedazuganzesätzezusammenzuschreibenindentherapiesitzungenindenenmanversuchtmitttelsschreibth erapieandaszarteinnerederpatientinnenundpatienten heranzukommen.

Und schreibt alles klein wegen des Wortüberlegenheitseffekts.

Das unbezahlte Ding

Weile her, dass ich bei Blogkollege Axeage auf dieses Kleinod gestoßen bin: Marc-Uwe Kling. Ageage zitiert den Comedian in seinem Blogeintrag:

Ist Dir klar, dass die meisten Krisentheorien des Kapitalismus, die den baldigen Zusammenbruch vorhersagen, daran kranken, dass sie unterschätzen, wieviele einst wertfreie Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens noch der kapitalistischen Verwertungskette anheimfallen können, um solchermaßen die Krisentendenzen durch eine quasi erneute, ursprüngliche Akkumulation abzuschwächen?

Und ich fresse mich an dem Wort Verwertungskette und am Kapitalismus fest, dieser imaginären Krake, von der kein Mensch so recht die Ahnung hat, was das überhaupt ist, über die aber jeder redet, wie über eine Fabelfigur. Bildhaft stelle ich mir vor, wie die Krake die einst wertfreien Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens aufspürt, sie umgarnt, würgt, frisst. Das unbezahlte Ding kommt mir in den Sinn, über das ich einmal nachgedacht habe in einer ruhigen Minute vor fast zwanzig Jahren. Ich saß am Schreibtisch und überlegte, ob es in der Welt etwas gibt, was kein Geld kostet. Der Schreibtisch hatte etwas gekostet und alle Gegenstände darauf auch. Die Tapete hatte Geld gekostet, die Farbe, die Vorhänge. Das Fenster, durch das ich sinnierend auf die frisch geteerte Straße schaute hatte auch gekostet. Der Teer war nicht billig. Ihn aufzubringen war keine Sklavenarbeit. Die Männer wurden bezahlt. Die Coladose in der Gosse dreißig Meter vor dem Haus hatte einmal gekostet und wenn die Straßenreinigung vorbei kommt, um sie wegzufegen, wäre das auch nicht umsonst. Eine Frau mit Hund an blauer Leine läuft durchs Bild. Ich wittere Hundesteuer, Tierarztkosten, Blaueleinen-Sonderpreise im Tierbedarfsgeschäft, für das der Ladenbesitzer sicher eine Menge Miete zahlen muss. Kurzum: im Jahr Neunzehnhundert-X-undneunzig, als ich über das unbezahlte Ding nachdachte, konnte ich schon nichts Unbezahltes finden. Und heute erst recht nicht.

Da kommt mir der Satzfetzen mit dem Kapitalismus, wie er sich in die letzten Bereiche menschlichen Zusammenlebens vorfrisst, gerade recht. Ich schließe den Browser, nachdem ich den Artikel bei Axeage gelesen habe und weiß, die Flatrate ist das Zuckerbrot des modernen Datentransfers.

Tage später fahre ich über eine Schweizer Autobahn an der Südseite des Jura Gebirges auf eine Gewitterfront zu. Atemberaubende Szene. Ziel Pontarlier. Lange her, dass ich die Strecke durchs Traverstal nach Frankreich gefahren bin. Per Radel. Jene Gegend, in der einst Rousseau im Exil lebte und in einer Höhle philosophierte. Erinnerungen kommen hoch. Auf jener Wiese (sie zu mähen war nicht billig) trafen wir zwei Mädchen, die wir für Lesben hielten und die uns für schwul hielten, QQlka und ich, und wir kochten Kaffee und hielten ein Schwätzchen kurz vor dem steilen Anstieg zum Hochtal nach Pontarlier. Weiter über die Grenze auf französisch legeren Departementstraßen und nordwestlich von Pontarlier hatten wir den Weg gefunden in ein kleines Seitental nach Ornans. Hey, an diesem Abend letzte Woche kommt mir die Hochebene fast 800 Meter über dem Meer außerhalb der Kleinstadt seltsam belebt vor. Wo damals noch Kuhweiden waren, sind nun Supermärkte, Glas, Stahl, Neubauten, Parkplätze, Glanz, Menschen auf dem Weg in den Konsum. Es ist fast 19 Uhr. Ich frage mich, ob ich das vor zehn Jahren übersehen habe, dieses gläsern geleckte Dilemma des Konsums, oder ob es damals noch nicht existierte und mir kommt der Satzfetzen, den ich oben genannt habe wieder in den Sinn, wie ES frisst. Das krakenhafte Ungetüm namens Kapitalismus, das in die wertfreien grünen Wiesen der Erinnerung vordringt und Parkplätze planiert und Straßen baut und Laternen aufstellt und Ordnung schafft, wo einst friedvoll nutzlos das Chaos wiederkäute.

So jage ich den Kleinwagen über kurvenreiche Sträßchen bis zur Loue-Quelle, die gut zehn Meter breit aus einer Steilwand entspringt. Ein fulminanter Beginn für einen kleinen Fluss, wie ich finde. Ein Spaziergang zur Quelle dauert nur zehn Minuten. Heureka! Sie scheint kostenlos. Was will ich in der Gegend? Mein guter Freund Leb feiert Geburtstag, ist auf Urlaub im kleinen Städtchen Ornans. Ihn zu besuchen lautet die Mission. Hallo sagen, eine Nacht schwätzen, morgens wieder heim. Was kost‘ die Welt. Aber alles kommt anders, denn guter Freund Leb ist auf Höhlentour, sagt mir eine einsame Frau mit zwei Kindern auf dem Zeltplatz. Das Team kommt erst nach Mitternacht zurück. Der Zeltplatz hat sich auch mächtig entwickelt. Auch hier ist die Wiese geschrumpft. Man hat Hütten gebaut. Der Swimingpool ist größer geworden. Die Krake muss nicht böse sein. Sie hat uns eine Hüpfburg gebaut. So fahre ich auf der Nordseite des Juragebirges nach Hause und während in den Vogesen Blitze zucken, geht mir die imaginäre Kreatur, die mir schon vor zwanzig Jahren die Suche nach dem unbezahlten Ding versaut hat, nicht mehr aus dem Kopf. Der Besucherparkplatz vor der Loue-Quelle war nach 19 Uhr fast leer. Die Souvenirsbudenbesitzerin schließt die Tür ab. Im Restaurant gegenüber zwei drei verlorene Hansels. Kein Parkgebührenautomat in Sicht. Die Krake war noch nicht hier und auch noch nicht an der Höhle, aus der der Fluss kommt. Aber sie wird kommen.

(Es ist nicht auszuschließen, dass das eine oder andere Wassermolekül, aus dem der Fluss besteht, aus ausgeschiedenem, geklärtem Mineralwasser besteht, das verdunstete, abgeregnete, versickerte … :-) )

Loue Quelle Jura, Frankreich

Côte du Huhn 2012

Der 2012er Côte du Huhn ist vollmundig im Abgang und verspricht ein fulminantes Finale. Bei impérialem Verzehr hinterlässt er einen fuchsigen Geschmack, vorausgesetzt, man hat ihn beim Öffnen fachgerecht degorgiert.

Jeder Önologe weiß: das ist ha(h)nebüchener Unsinn! Da ist wieder so ein Künstler, der nichts besseres zu tun hat, als den heimischen Hühnerstall zu misten. Mit Schubkarren und Schippe rückt er dem düstren Federviehdomizil zu Leibe. Und denkt. Maaann, Mann, Mann, hast ja schon lange nix mehr gebloggt, Alter. Seit du die Zielstrebigkeit eingebüßt hast und dich auf der verfluchten Ebene des Alltags aufhältst, ist nix mehr los mit dir. Üüüberhaupt nix. Das Blog ist verwaist. Zu langsames Voranschreiten. Keine Entwicklung. Worüber soll man auch schreiben, wenn man daheim hockt und sich nach und nach fett frisst? Nach so einer langen Radtour ums Meer kann eigentlich nix mehr kommen. Katze? Mach‘ Katzenblog, das verkauft sich. Faul liegt das Vieh im Blumenbeet. An der wärmsten Stelle des Gartens genießt es die letzten Sonnenstrahlen des Sommers. Es ist herrlich. Wind, der in den Pappeln rauscht. Die erforenen Apfelbäume tragen keine Früchte in diesem Jahr. Der Garten wuchert wie bekloppt. Einen Schubkarren voller Mist nach dem anderen lade ich, schiebe ihn über Stock und Stein bis hinter die meterhohen Dillpflanzen, schichte Hügel besten Dungs vor einer Wand aus Topinambur. Während der PC die 49 Gigabyte Fotos vom iPhone kopiert. Mal wieder bloggen, hä? Hä? stichelt morgens am Telefon die SoSo. Ich bin abgehalftert, müde und leer, sage ich, der letzte Beitrag ist im Entwurfstadium hängen geblieben. Zu viele Ungereimtheiten, zu brisantes Material. Ich habe keine Eile. Insgeheim finde ich mich damit ab, dass dieses Blog am blumigsten läuft, wenn der Künstler unterwegs ist. Was Künstler in Bewegung können, können nur Künstler in Bewegung, wusste schon die Frisörinnung.

Es dürfte nicht hinreichend bekannt sein, dass man mit Hühnerstall-Ausmist-Blogeinträgen ein Millionenpublikum erreichen kann, phantasiere ich, als ich unter dem dreißigjährigen Nussbaum vor dem Hühnerstall eine Kaffeepause mache. Ich lehne am Hackklotz vor der Lagerfeuerstelle und plötzlich ist das Wort da. DER Titel: Côte du Huhn 2012. Qualitätswein QBA DOC, Grand Cru extraordinär Cuvée, vollmundig im Geschmack und leicht im Abgang. Ha!

Derweil ich Schubkarren um Schubkarren aus dem Stall schiebe, beobachte ich die Hühner, wie sie im eigenen Kot scharren und es ihnen eine helle Freude zu sein scheint, das eine oder andere verschmierte Weizenkorn aus der Scheiße zu picken. Bä! Ich habe auch einmal beobachtet, wie sie gegen Dunkelheit eine Maus gestellt hatten in ihrem Stall. Ein Huhn hat das Tierchen am Schwanz gepackt und die anderen Hühner haben versucht, es ihm abzujagen. Was für eine wilde Verfolgungsjagd. Am Ende haben sie das unschuldige Mäuslein bei lebendigem Leib in Stücke gerissen und verzehrt. Hühner fressen alles. Ich bewundere sie für ihren Mut. Ich wünschte, ich könnte auch alles fressen. Das würde die materiellen Künstlersorgen etwas dimmen.

Zwischen Schubkarren zwanzig und einundzwanzig fährt Freund-der-Familie H. vor. Hänger voller alter Möbel hinterm Auto. Parkt neben der Kreissäge, lädt den Müll ab. Das gehe schon in Ordnung, er habe das Okay meines Vaters. Das Zeug kann man prima klein schneiden und verschüren. Anfeuerholz. Plötzlich muss ich an die Rohölgewinnung aus Ölschlamm in Kanada denken und an ganz arme Teufel auf müllkippenähnlichen Geländen im Umkreis großer Städte in Indien, die mit bloßen Händen alles nur Verwertbare aus dem Dreck ziehen. Irgendwo steckt in jedem von uns so ein kleiner Aus-dem-Dreck-Zieher. Ein Huhn du Kot auf höchst intellektuellem Niveau.

Die Filtration gerbstoffhaltiger Hochgewächse während der Maischegärung war noch nie mein Ding.

Fachbegriffe im Artikel gibt es hier.