Meditation oder Schmiergeld

Eine Zahl zwischen 7 und 122, fragt sie.
63.
Und jetzt eine zwischen 1 und 5.
5.
Wie hast du herausgefunden, was dir beim Sex die größte Lust bereitet, liest sie, oder hast du es noch gar nicht herausgefunden?
Derweil schmiere ich Pausenbrote für die Arbeit. Ist Brotkauf verdeckte Schmiergeldzahlung?
Darüber kannst du heute meditieren, sagt sie und klappt das Buch mit den vielen Fragen zur Besinnung zu.

Mein siebenmilliardster Blogeintrag – Sie fragte. Aber was?

Das Hirnproblem wird beängstigender. Gestern früh einige Fäden, die ich schreiberisch bearbeiten wollte. Natürlich dieser nächtliche Blogartikel-Flow, bei dem es darum ging, die Inversionswetterlage in meinem Kamin mit einem Echte Kerle Survival Trip in Südwestrumänien in Einklang zu bringen, daraus eine Alltagsglosse zu basteln.

Manchmal habe ich druckreife Sätze im Kopf, ganze Passagen, vor allem nachts oder frühmorgens. Wenn ich sie nicht sofort aufschreibe, vergesse ich sie. Mit „Sie fragte“ sollte im Laufe des gestrigen Tages eine kleine Passage zum Thema Jakobsweg beginnen. Es war ziemlich wichtig. Aber ich habe vergessen, was sie fragte und somit ist der Text futsch.

Nun der unangenehme Zustand des Hirnzermarterns. Das macht überhaupt keinen Sinn. Ich hatte gestern nichts Besseres zu tun, als mich aufs Rad zu setzen, runter in die Stadt, Lichtfänger – bei dem Licht kann man gar nichts falsch machen, erzählte ich den Nachbarn der Nachbarn, die ich zufällig traf. Wir redeten über Halloween, das Wetter und dass es gerne noch eine Weile so bleiben könnte. Beide Kameras im Gepäck. Anfänglich fotografierte ich noch brav mit der D300. Diszipliniert über Lichtwerte nachdenkend, Tiefenschärfe und den ganzen Quatsch. Aber schon bald kam nur noch das iPhone zum Einsatz. Ich stoppte bei einer Ansammlung polnischer 40-Tonner auf dem größten Parkplatz der Stadt, fotografierte allmögliche Objekte an den Lastern, darunter und daneben. Die Vorhänge der Fahrerkabinen waren zugezogen und ich argwöhnte, dasss drinnen seit-ewigkeiten-unterwegse Fahrer ihre Pflichtpause machten. In dunklen Ecken nahm ich Schnappschüsse von Graffities mit. An der Tür eines Trafohhäuschens stand geschrieben „Du musst zuerst das richtige Lied singen“. Herrlicher Alltagsdadaismus – was ist ein Blogartikel anderes, als aus dem Zusammenhang gerissene Wortfetzen, die irgendein Hirn irgendwo auf dieser Welt ausspuckt und die den Zustand der Alltäglichkeit eines der vielen denkenden Wesen dieser Erde wiederspiegelt?

Just in diesem Moment wurde der siebenmilliardste Mensch geboren. Im Radio, erinnerte ich mich, berichtete man vor einigen Jahren über den Sechsmilliardsten, der offiziell irgendwo in Exjugoslawien geboren wurde, ein Bub. Heute lebt der arme Kerl in bitterer Armut. Eine Milliarde später trägt man Sorge, mehrere siebenmilliardste Menschen zu küren, einen in Indien, einen in Mexiko,  den USA, Norwegen usw. Soll nicht noch einmal passieren, dass ausgerechnet dieser besondere Mensch ein so schreckliches Schicksal erlebt und in Armut vegetiert. Einer von denen kann es schaffen! Derweil stelle ich mir vor, wie im zehntel Sekunden-Takt immer Menschen geboren werden, sterben, geboren werden, geboren, geboren und geboren und sterben und sterben und sterben und dass über eine gewisse Zeitspanne Diesertage die Menschenanzahl um die Siebenmilliardengrenze pendelt, mal drunter, mal drüber, und dass vielleicht tatsächlich einige Siebenmilliardenmenschen geboren werden, nicht nur einer. Während einer in einem schneeweißen Krankenhaus in Trondheim geboren wird, kommen in Somalia bei einem Gemetzel 359 Menschen um. Alles in der gleichen zehntel Sekunde. Siebenmilliarden minus 359 plus Zwillinge in Atlanta minus Hungersnot Massensterben auf einer abgelegenen Insel irgendwo plus ….

Die Statistik weiß etwas vom Kurvenglätten. Nur in der Statistik gibt es den Einen.

Zwei Tage unformatiert

Null Uhr Vierundzwanzig. Ich habe durchgehalten. Fast. Das ganze Wochenende nichts getan.

Es war nicht einfach. Schon freitags in den letzten Stunden des Lohnerwerbs ratterte die Gedankenmühle: „Dann mach‘ ich samstagfrüh dies und danach jenes und wenn der Nebel weg ist das. Ich sollte noch Jene anrufen und Diesen, sowie  Mailschulden abtragen, den Müll rausbringen“, usw.

So läuft das leider nicht mit der Erholung, wird mir schließlich klar. Um 17 Uhr verlasse ich die Lohntackerei und verwerfe alle Pläne. Vor mir liegen zwei unformatierte Tage und Nächte.

Dennoch juckt es mich das ganze Wochenende, die heranrückende Zeit im Geist zu gliedern. wieder und wieder verwerfe ich meine Pläne, bis am Ende eine Art Gegenwärtigkeit heranzieht. Wie Wolken von Westen. Mit feinem Regen im Gepäck, der auf dem gesicht kitzelt und weiter nicht weh tut.. Natürlich  mache ich in jeder Minute irgend etwas. Aber ich mache es, ohne es mir vorgenommen zu haben. Versagen inbegriffen. Der lieben U. hatte ich einen neu eingerichteten Computer  zugesichert, sonntagsabends. Er ist nicht fertig geworden.

Stattdessen: spazieren gehen, fotografieren, schlafen, essen, das Feuer schüren. Auf idogma.com neun abstrakte iPhoneografien hoch geladen und hier im Blog die Kunstroll (rechts weiter unten) mit interessanten Links bestückt.

Liebling, das war mein Wochenende.

Nächste Woche werde ich während langer Tackerstunden in der Möbelwerkstatt genügend Zeit haben, über das Problem der formatierten Zeit nachzudenken.

Wäre schon möglich, dass …

Nundenn, hab mich mal wieder eingeloggt, obwohl nicht in Schreiblaune. Zu berichten gäbe es so einiges. Viel Computerzeugs, was sich als Erwerb von Wissen bezeichnen lassen könnte. Ich bastele an meiner Galerie. Und an der Homepage des Mainzer Kunstvereins.

Hat wieder Plusgrade, weshalb ich die Wasserleitung reaktiviert habe. Nun finde ich endlich mein Besteck wieder, welches ich mit dem Spülwasser in den Garten geschüttet habe. Die Fässer, die in der Bude stehen, sind fast leer. Kommt mir vor, als wäre ich das Entwicklungsland der feinen Künste. Ich bin der korrupte Putschist der Literatur.

Am Morgen hatte ich einen ernsthaften Bericht über die Angst im Sinn. Aber wie es mit den ernsten Themen so ist, sie lassen sich nicht nebenbei schreiben. Grundlage meiner Assoziation war das Peterprinzip, über welches ich vor einiger Zeit geschrieben habe. Das Peterprinzip sagt, dass die Menschen in einer Hierarchie bis zu einem Posten aufsteigen, an dem sie sich als untauglich erweisen. Dort bleiben sie.

Mit der Angst ist es genauso: die Menschen handeln so lange auf ein wagemutiges Ziel hin, bis die Angst übermächtig wird und sie nicht mehr weiterkommen. Die Angst ist obendrein taktisch klug und versucht ihr Opfer zurückzudrängen. Das Opfer steht in einem zermürbenden Grabenkampf. Verwehrt ihm die Angst heute nur das Benutzen von Fahrstühlen, so diktiert sie ihm morgen schon, wann und wie es die Wohnung zu verlassen hat.

Die Angst ist ein hochmodernes Phänomen. Sie entsteht durch Informationsüberflutung, gepaart mit dem Unvermögen, das Wichtige vom Unwichtigen und das Richtige vom Unrichtigen zu unterscheiden.

Was mich heute Morgen dazu verleitet hat über die Angst nachzudenken? Die Vogelgrippe? Ein Tsunami? 8 Verkehrstote in nur einem Jahr auf der B Namenlos? Warum sind die Dinge, die den anderen passieren nur immer so nah und entgegen jeglicher Wahrscheinlichkeitslehre so ungemein wahrscheinlich?

Die Festplatte könnte kaputtgehen.