Von Einem, der Eines suchte und Anderes fand

Unterschwellig gaukelt stetig die Idee, den Nordsee Küstenradweg (NSCR), immerhin über 6000 km lang, als Livereise anzugehen. Ich weiß auch nicht, was mich reitet. Die Vorstellung vom süßen Leben unterwegs prescht voran wie ein junger Hund. Der Nordsee Küstenradweg ist etwas komplizierter als der Camino. Ihn kann man nicht in 35 Tagen machen. Derzeit folge ich einem Livereisenden, der die Runde in 90 Tagen schaffen will. Michael aus Hamburg. Zur Zeit in Edinburg, schon seit 2000 km on the road. Gestern, als ich nach Hause radele, erlebe ich erstmals das Gefühl, das vielleicht die Leserinnen und Leser des Irgendlink-Blogs im letzten Winter gehabt haben mögen: ich habe mich gefreut, von Michael zu lesen. Den ganzen öden Tackerarbeitstag lang. Jetzt weiß ich, wie sich die werte LeserInnenschaft letzten Winter gefühlt haben mag. Das macht Mut, ein weiteres Projekt anzugehen.

Vom NSCR träume ich, seit ich im Februar nach einer radelbaren Route von Zweibrücken nach Schweden gesucht habe. Durch Zufall auf der Nordsee-Rundweg-Seite gelandet. Seither bin ich wie besessen.

Das Problem ist: es ist fast unmöglich, ein Loch im Jahr zu finden, das groß genug ist. Einmal mehr wird mir bewusst, wie sehr das Menschenleben von Terminen zerstückelt ist: Geburtstage hier, Ostern da, Pfingsten jenerorts, ein Arzttermin für den chronisch Kranken alle viertel Jahr. Aus dem Korsett der Termine gibt es kaum ein Entrinnen. Dabei gehöre ich noch zu der Kategorie Mensch, die relativ große Lücken im Jahr finden können. Selbst ein „läppischer“ kleiner Camino von 35 Tagen, ist für die meisten Menschen unvorstellbar. Niemand kriegt so lange Urlaub. Niemand lässt Frau und Kind so lange alleine. Niemand ist so rücksichtslos gegenüber sterbenden Verwandten, neu zu gebärenden Neffen und Nichten, zu taufenden kleinen schrumpeligen Etwasen oder gegenüber zu feiernden Hochzeiten, runden Geburtstagen, goldenen Konfirmationen. Nur 90 Tage. Ein viertel Jahr. Ein Blick in den Terminkalender zeigt, dass das dieses Jahr nichts mehr wird. Nicht ohne erhebliche Opfer: Arbeitsstelle, Auto, Haus und Boot. Eine Kunstausstellung müsste ich auch opfern, Freunde und Kollegen verprellen, last but not least wäre es der pure Stress für die Liebe. Irgendwo hat alles seine Grenze im persönlichen Lebenegoismus. Irgendlink, der Ehrfürchtige geht schulterklopfend Arm in Arm mit dem Besorgten. Denn sorglos wäre der Sturz in das 90 Tage große Schwarze Loch rund um die Nordsee nicht. Ich müsste die Lohntackerei aufgeben. Und schlimmer: die geliebte SoSo würde ohne Ende darunter leiden.

Den Sverige Leden anzugehen, mit seinen etwa 3000 km Länge, das könnte klappen. Das Loch im Jahr müsste nur sechs Wochen groß sein. Wieviele Tage sind das? So war es doch ursprünglich geplant, Herr Irgendlink? Damals, im Februar der zerschnittenen Zeit 2011, als du arglos Eines suchtest und Anderes fandest?

4 Antworten auf „Von Einem, der Eines suchte und Anderes fand“

  1. Und wenn du das Ganze in kleinen Etappen angehst? Und SoSo radelt mit? ;)
    Ich meine, solch ein „Großprojekt“ könnte man doch ohne weiteres auch auf mehrere Jahre verteilen…
    Ich freu mich jedenfalls schon sehr auf eure nächste Live-Reise,
    und auf morgen! :)
    Liebe Grüße,
    Andrea

    1. Genau, Andrea. Ich sollte nicht so stierig sein und nach Lücken im großen Loch ausschauen.
      Gell, bis morgen. Der Teufelsrutsch, den ich erwähne in diesem Artikel oder in dem vorherigen, heißt übrigens gar nit Teufelsrutsch, sondern Karlslust :-(

  2. Das ist wie meint Traum von Patagonien.
    Aber generell werden sicher die meisten Menschen mit denen du zu tun hast, verstehen wenn du es tust.
    Das gehört zu dir, entspricht deiner Art und macht dich zu dem Menschen der du bist.

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